Fragmentarische Korrespondenz, weich und divers (II)

Über Inspiration, das Schreiben, das (Vor)Lesen, Bücher, Filme, Musik und den ganzen Rest: Von Kriegen und Frieden, und auch vom niemals zufrieden oder je ganz fertig genug sein. Kann Spuren von Drogen enthalten.

Ein einseitiger Briefroman in Fortsetzungen

(2002-2004)

(Zur Vorrede und Teil I hier entlang.)

 

Datum: Mon, 21 Oct 2002 11:21:27 +0200 (MEST)

 

Betreff: Re: -no subject-

 

Hallo M,

der einzige wirkliche Surfpoet von denen ist glaube ich Ahne. Kaminer und Jakob Hein gehören eher zur „Reformbühne Heim und Welt“. Aber da erkennt man schon das Dilemma, manchmal kann man sie nicht auseinanderhalten, die treten ab und zu auch zusammen auf und besuchen sich gegenseitig bei ihren Veranstaltungen. Und bei dieser Konkurrenz wirst du dir denken können, ist die Überwindungskraft selbst aufzutreten, noch größer.

Das mit dem Wettbewerbscharakter finde ich auch nicht so toll, vor allem weil ich finde, dass wenigstens sagen wir mal in jedem Genre eine Bewertung stattfinden sollte. Man kann doch nicht den MC Freestyler Soundso, der wirklich einen guten Auftritt hinlegt, mit einer lustigen Geschichte von Ahne vergleichen. Trotzdem passiert das hier halt manchmal.

Und wenn man wie du in die Endausscheidung kommt, ist das doch schon ganz gut. Du weißt doch, der olympische Gedanke : ) Du hast aber recht, gänzlich ohne Wettbewerb wäre besser, aber der plebs will halt auch Spass.

Hinterkaffingen finde ich ein schönes Wort. Ich wohnte ja selbst in einem Hinterkaffingen, bevor ich nach Berlin zog. Jetzt allerdings, fünf Jahre später, könnte ich mir nicht vorstellen, woanders in der BRD zu leben. Vielleicht noch in Hamburg, wegen meines Hans-Albers-Gens, das mich immer zum Meer zieht, und dass sich in Berlin immer meldet und sagt: „Wage es, in diesen Süsswassertümpel zu steigen! Das ist böse!“ Wenn ich eine Wanne hätte, würde ich wohl einmal pro Woche, um das Hans-Albers-Gen zu befriedigen, ein Wannenbad mit Salzwasser nehmen. Aber das nur nebenbei. Ich glaube auch, Hamburg ist zu schnöselig und zu teuer. Ein paar Freunde von mir wohnen dort, und zwar recht sparsam.

Ehrlich gesagt ist Berlin wirklich toll, doch wenn man eine Weile hier lebt, dann bekommt man das nicht mehr mit. Und wenn man schon länger in Berlin wohnt, dann wird es noch schlimmer. Ich merke das langsam auch an mir. Es schleicht sich das berühmte „früher war alles besser“ ein. Natürlich war das ja auch so. Viel mehr besetzte Häuser, illegale Kneipen und Clubs…

Doch sei gewarnt, das Angebot hier ist wirklich riesig, aber alles kostet auch was. Ich muss sagen, ich bin ausgehfaul geworden. Gerade bei dem Wetter. Aber ich sitze dann manchmal zu Hause in meinem stillen Kämmerlein und freue mich darüber, dass ich theoretisch die Möglichkeit hätte, zu vielen tollen Veranstaltungen zu gehen. Gestern waren meine beiden Alternativen „Heim & Welt“ mit Kaminer und Co und das einzige Deutschlandkonzert von Bruce Springsteen : )

ich blieb zu Hause, Gründe waren Regen, Unentschlossenheit, Geldmangel und leichter Gripperückfall. Und eigentlich mag ich Bruce Springsteen gar nicht so sehr.

Selbstkritik kann in Überdosierungen schädlich sein. Ich habe zum Beispiel selten einen Text über sieben Seiten geschrieben. Ich würde gerne mal eine Art Roman schreiben, aber dafür bräuchte ich Zeit und Abgeschiedenheit. Weil ich so schreibe, dass alles in einem Rutsch runtergeschrieben wird. Ohne Zwischenstörungen. Ganz selten habe ich einen Text unterbrochen geschrieben. Wie machst du das? Ich finde übrigens nicht, dass du dich in Selbstmitleid badest und deine Texte langweilig sind. Es gibt da ein ganz einfaches Kriterium: Gut oder schlecht. Das ist zwar subjektiv, aber ich denke, du bist eindeutig auf der guten seite.

Das gegenseitige Über-Texte-Diskutieren fehlt mir wahnsinnig. Ich glaube, das bringt wirklich sehr viel. Und da könnt ihr von großem Glück sprechen, euch gefunden zu haben. Und es muss ja nicht der gleiche Stil sein. Wenn du dich unwohl fühlst, Gedichte zu schreiben, dann lass es. Ich habe auch so vor zehn Jahren Gedichte geschrieben. Manche finde ich immer noch gut, aber diese Phase ist bei mir vorbei, das ist für mich wieder die Gefahr des „zu persönlich“.

Es ist natürlich eine Bereicherung in Berlin zu wohnen, aber auch eine Gefahr. Es ist erst mal eine anonyme Großstadt. Es stinkt, es regnet und man hat keine Freunde. Wenn man studiert, dann findet man zwar schnell, sagen wir mal, Bekannte, aber richtige Freunde… Ich hatte das Glück, mein Studium zu beginnen, als die große Uni-Streik-Welle war. Da war zwar keine Uni, aber die Leute fanden schneller zueinander. Das war meiner Meinung nach auch das einzige Ergebnis des Streiks, und dafür hat es sich gelohnt : )

Wart ihr denn schon mal für ein Wochenende oder so in Berlin? Vielleicht fangt ihr ja mal mit so einem Schnupperkurs an.

 

Wie bist du eigentlich auf die [Literatur-Website] gestossen? Und kennst du andere Seiten, die ähnlich (gut) sind? Inzwischen stapeln sich bei mir die bei amazon bestellten Bücher, weil ich immer nur „netzliteratur“ lese.

helle grüsse aus dem grauen Berlin

s.

ps. der urlaub war in Südafrika, ich war schon zweimal dort, und hoffe, nächstes Frühjahr wieder hinzufahren. Eine Freundin von mir hat dort studiert und lebt inzwischen da mit mann und kind…

 

Datum: [2002]

 

Betreff:

 

Hallo M.,

auch von mir diesmal nur eine kurze mail, muss noch was lesen über Städte und deren Verhältnis zu Königen im Spätmittelalter, wahnsinnig interessant : (, und ausserdem wartet noch das Highlight der Frankfurter Buchmesse, die >Zonenkinder<, darauf, gelesen zu werden.

Also ich denke nicht, dass du zu hart mit i. umgegangen bist. Ich hab ja nix gegen Kritik, aber die Form fand ich echt schwach.

Das mit Südafrika fing damit an, dass eine Freundin von mir dort zum studieren hingegangen ist. Dann haben wir sie dort vor drei Jahren das erste mal besucht, also keine organisierte Reise, nur Flug gebucht und mal schauen was man so machen kann. Natürlich wurden vorher unzählige Reisebücher gewälzt, die alle einen sehr gemischten Eindruck hinterliessen. Nach dem Motto: Schön, aber sehr gefährlich. Als Beispiel sollte man dort nie die Türen während der Fahrt unverriegelt lassen, also immer Knöpfchen runter. Aber als wir ankamen, war alles ganz anders.

Dazu später mehr, sorry für die Kürze, doch die Zeit drängt leider.

Viele Grüsse aus dem blöden Uni-Alltag

S.

 

Datum: [2002]

 

Betreff:

 

Hi m.,

und weiter geht’s. Wie kommst du eigentlich darauf, bwl und jura als nebenfach zu studieren? Wenn bei uns idioten an der uni rumlaufen, dann bei jura. obwohl ich denke, dass die humboldt-uni, wo ich studiere, noch ganz gut ist, im vergleich zur fu und tu. immerhin gibt es in berlin ja genug unis und fh`s für ca 130.000 studis. was allerdings für die aufhebung der anonymität nicht gerade förderlich ist …

zu südafrika: das wichtigste war wohl, dass wir eben keine organisierte reise gemacht haben. erst campierten wir in der wohnung von unseren bekannten, lernten deren südafrikanische freunde kennen, und dann zogen wir gen kapstadt. das waren so circa 800 km luftlinie, nicht so viel für 3 wochen. auto gemietet und mit ein paar guten Tipps ausgerüstet losgefahren. gerade in der gegend wo wir waren, die südküste sozusagen, auch garden route genannt, ist es sehr westlich-europäisch, aber es gibt auch in jedem kaff einen backpacker – eine supernette art zu reisen. wir hatten viel sonne, meer, wilde tiere und nette leute um uns rum, und die zeit verging viel zu schnell.

im jahr drauf bin ich mit einem freund dann noch mal runter, das war im märz/april 2001. da haben wir die gleich tour gemacht, aber noch mehr abstecher und leute kennen gelernt. es ist ja gerade politisch gesehen sehr interessant – schließlich ist die apartheid keine 10 jahre vorbei. wenn man überlegt, wie vergleichsweise friedlich die leute sind, dafür dass sie vor kurzem noch wie sklaven behandelt wurden. und jetzt zu beobachten, wie sich die verschiedensten menschen neu arrangieren müssen, ist schon sehr spannend. ausserdem haben wir auch noch viel bessere grasquellen als beim ersten mal erschlossen, so dass das fahren im linksverkehr auf menschenleeren staubpisten noch spannender wurde : ).

na ja, und eigentlich plane ich und meine bessere hälfte für den nächsten februar wieder runterzufliegen, diesmal eher den Norden, wo wie man sagt noch mehr afrika ist. leider siehts mit dem geld noch nicht so aus, als ob es klappen würde, mal schauen. muss ich noch irgendwoher eine gutbezahlte kolumne bekommen […]

doch was echt nervt, besonders in kapstadt, sind die deutschen pauschaltouris. die sind echt überall, und südafrika boomt ja inzwischen bei den reiseunternehmen. gut für das land, aber auch schade drum.

mein schaffen ist mal wieder zum erliegen gekommen, aber zum glück liegts nur an zu viel uni, zu viel arbeiten und zu viel schlechtem wetter, und nicht an einer blockade. allein schon, dass ich wieder an der uni bin und jeden tag studenten um mich rum habe, birgt stoff für die nächsten fünf texte, hihi.

ich hoffe dir geht’s ein wenig besser, viele grüße an den rest des terzetts! in der nächsten mail erzähle ich dir vielleicht, was ihr alles verpasst habt, als ihr in der osloer strasse wart.

ich muss jetzt kohlen schippen gehen. bibber! Und ausserdem hat ein lustiger Herbststurm, der an der Ostseeküste wunderschön ist, hier wieder lauter bäume auf die strasse geschmissen.

bis bald

s.

 

Datum: [2002]

 

Betreff:

 

Hallo M.,

war dann wohl ein missverständnis, du hattest irgendwas geschrieben von wegen bwl/jura als nebenfächer na dann prost! – womit du natürlich total recht hast, und ich dummerweise gefolgert habe, dass du davon betroffen wärst. was ja aber zum glück nicht der fall ist! ich glaube auch, dass die leute da während der vorlesungen einer gehirnwäsche unterzogen werden, ohne scheiss!!

ethnologie hört sich da schon besser an. ich studiere hier im nebenfach „europäische ethnologie“, was im grunde genommen praktische kulturwissenschaft ist, man nennt es auch anthropology at home – das ist ganz witzig. Ansonsten hab ich noch politik als nebenfach und halt geschichte – soviel zu den formalitäten, hihi.

Dein neuer Text, ich hätte ihn fast verpasst, ich checke zur Zeit aus mangel an derselben immer nur die neuesten texte und diskussionen, leider keine muße gerade, ist irgendwie verwirrend (das ist keine wertung). anfangs fiel mir dazu spontan eines meiner lieblings-kinderbücher ein, was ich schon seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hab. es heisst „der gelbe nebel“, vielleicht kennst du es ja auch, ist glaube ich von alexander wolkow oder so (wie bewusst bist du eigentlich russisch sozialisiert? ist das eine doofe frage? ich finde nämlich schon, dass meine ddr-sozialisation auch und gerade auch auf meine texte grossen einfluss hat.).

Dann aber entglitt ich dem text, oder er mir. Damit hast du das traumhafte ganz gut umgesetzt. schön, irgendwie

Ich habe einige textideen ständig im kopf, und lustigerweise gerade auch eine übers schreiben. weil ich den prozess sehr interessant finde. bei mir ist es wie ein ritual.

ich bin vor einigen jahren auf jack kerouac gestossen, ich weiss nicht, ob er dir was sagt. seitdem bewundere ich ihn sehr, da mir sein stil und seine sprache unheimlich gut gefallen. und gerade vorgestern habe ich bei einem seminar, dass ich gerade über „social beat“ und slam poetry besuche, herausgefunden, dass er wohl ähnlich vorging wie ich – dem muss ich unbedingt weiter nachgehen.

na ja, ich schweife total ab, tschuldigung. Also, ich brauche unbedingt ruhe und ungestörtheit, die gewissheit, dass mich keiner stört in der nächsten stunde oder so. und dann habe ich wie gesagt immer ein paar ideen im kopf. wenn die sich dann irgendwann irgendwie zusammenspinnen, setzte ich mich hin, unterstütze das zusammenspinnen der gedanken und ideen noch mal ganz in ruhe mit einer tüte oder einem leckeren kakao, und dann geht es los. dann muss ich die geschichte aufschreiben, möglichst ohne unterbrechung. fast so eine art schreib-rausch. das passiert dann meistens auch nachts. und eigentlich werkel ich dann auch nicht mehr viel dran rum, ich lese nur ein paar tage später noch mal drüber, und dann ist es fertig. deswegen stelle ich mir das „grosse werk“ – den roman, der uns beiden noch fehlt ; ), auch sehr schwierig anzufertigen vor. denn dann müsste ich mich wirklich für ein paar monate komplett absetzten. nicht dass ich keine lust drauf hätte, aber diese möglichkeit hat man als abhängig beschäftigter student ja kaum.

was waren denn die interessantesten vorgehensweisen in deinem seminar? das ist echt ein spannendes thema. und wie gehst du vor, nur kurzgeschichten in der Bahn? das mit dem faden verlieren ist auch ein grund für mich, nur in einem rutsch zu schreiben, da es bei mir auch so ist, dass ich versuche, dem text eine bestimmte stimmung zu geben, mehr unbewusst, und man halt meist in zwei verschiedenen stimmungen ist, wenn man mit unterbrechung schreibt. verstehst du was ich meine?

die bäume sind übrigens alle zersägt.

stehen wahrscheinlich schon bei ikea.

die ärmsten.

bis bald

s.

ps. entschuldige bitte noch mal, dass ich annahm, du würdest jura studieren.

pps. was meint das fragezeichen im betreff?

Bilanz 10-3

29.04.10

Man könnte sich gut damit beruhigen,
dass das ja alles nur eine Illusion ist,
dass wir in irgendeinem schrägen
Coen-Brüder-Film leben.

 

Dass das ja gar nicht sein kann,
mal ehrlich: Westerwelle, Guttenberg,
Milliardenhilfen für Banken
oder Griechenland.

 

Kann doch gar nicht real sein.
Wenn da nur nicht ständig
irgendwo
Soldatensärge landen würden.

Fragmentarische Korrespondenz, weich und divers (I)

Über Inspiration, das Schreiben, das (Vor)Lesen, Bücher, Filme, Musik und den ganzen Rest: Von Kriegen und Frieden, und auch vom niemals zufrieden oder je ganz fertig genug sein. Kann Spuren von Drogen enthalten.

Ein einseitiger Briefroman in Fortsetzungen
(2002-2004)

[Vorrede:]
Manchmal, wenn man sich vor etwas drückt und deshalb aufräumt, zur Not halt auch Festplatten, fällt einem unverhofft etwas längst Vergessenes (oder verloren Geglaubtes) in die Hände und man wird wehmütig und nostalgisch (oder man findet ein besseres Wort dafür):

Fragmente eines Briefwechsels, bis auf wenige Ausnahmen (Kürzungen, Anonymisierung, Ausbesserung grober Schnitzer, Zeilenumbrüche) unbearbeitet. Auch eine Art Tagebuch eigentlich: ein Blick in die Zeit vor 20 Jahren und eine ganz andere Welt. Die besseren Parts sind nicht von mir, weswegen ich sie hier nicht bringen kann, leider.

Wir lernten uns über eine Literatur-Website kennen, die es schon sehr lange nicht mehr gibt, die es aber immerhin zu drei gedruckten Anthologien (soweit ich weiß) gebracht hat. Hier soll sie nur [Literatur-Website] genannt werden. Deshalb ging es auch viel und hauptsächlich ums Schreiben, unseres und das der anderen. Aber auch um so viel mehr.

Es waren die wilden, guten alten Zeiten des Internet, welches gerade noch wie frisch aus dem Ei gepellt daher kam. Auf keinen Fall hat man sich damals mit fremden Menschen – „Online-Bekanntschaften“ – verabredet, oder ist gar zu ihnen ins Auto gestiegen. Und heute gibt es Uber samt seiner räudigen Klone und in Berliner Co-Working-Spaces werden am Macbook bei einem Chai-Latte jeden Tag zehn neue Dating-Apps erfunden.

Da wir nichts auf Konventionen und Regeln gaben in unserem jugendlichen Übermut – so viel sei schon mal verraten – trafen wir uns doch irgendwann, besuchten uns gegenseitig. Und verloren uns wieder aus den Augen. Warum eigentlich – und warum eigentlich nicht? Story of my life.

Falls du das hier auf irgendwelchen kruden Umwegen zu lesen bekommen solltest, liebe M.: Ich hoffe es geht dir gut!
Falls du denkst, das ist zu gefährlich nahe an einer Enthüllung: Gib mir nur ein Wort. Meine alte Mailadresse funktioniert allerdings wegen des blöden Punktes nicht mehr, aber hier gibt es ja genügend Kontaktmöglichkeiten.

Und entschuldige die modifizierten Wir sind Helden-Zitate. Hehe!

Disclaimer: Sollten in diesem Werk illegale Aktivitäten geschildert werden, die trotz der 20-Jahre-Frist noch strafbewährt wären, dann handelt es sich hierbei natürlich um ein rein fiktionales Werk.
Der Einstieg ist recht abrupt, das hat er mit dem Ende gemeinsam.

 

* * * * *

 

Datum: Montag, 23. September 2002 2:03 am

 

Betreff: re: inspiration

 

hallo,
geht mir doch schon genau so. ich hab zwar viele texte, die sind aber alle schon ein paar monate alt, und so toll sind sie auch nicht. (oje- jetzt kommt zu der schaffens- auch noch ein sinnkrise). bei mir war es eh so, dass ich spontan geschrieben habe, ohne grosses künstlerisches herumfeilen.
dann kam nichts mehr, und dann habe ich urlaub gemacht, was genau gar nichts gebracht hat. ich dachte wunder was ich für zeit habe, aber die ging auch ohne zu schreiben problemlos vorbei.

wenigstens habe ich was gutes gelesen. mir geht es auch so, dass mir ab und zu ein paar vereinzelte ideen kommen, deren zusammengefüge aber wie von dir beschrieben dann eher eine zwangsjacke wäre. ich habe das gefühl, zur zeit alles wichtige gesagt zu haben, jetzt müssen irgendwann neue herausforderungen kommen oder so. sollte man so eine blöde blockade akzeptieren oder bekämpfen, was meinst du?
frohes schaffen
s.

 

Datum: Sat, 28 Sep 2002 13:48:15 +0200 (MEST) —

 

Betreff: Re: re: inspiration

 

hallo m.,
du wirst es kaum glauben, aber ich habe wirklich ernsthaft darüber nachgedacht, mit dem tennisspielen anzufangen, schon bevor du mir den tip gegeben hast…
als ich angefangen habe zu schreiben, vor langer zeit, habe ich es aus dem einfachen Grund der realitätsbewältigung gemacht. dann aus spass. und als ich auf die [Literatur-Website] gestossen bin, einerseits aus spass, andererseits kann ich ehrlicherweise nicht verleugnen, dass auch gewisse ambitionen dahinter steckten. es war (fast) das erste mal, dass ich meine texte nicht nur für mich geschrieben habe. und prompt in dem augenblick, wo ich das realisierte, kam ich ins stocken. ich warte auf echos, die aber nicht kommen…
zur zeit überlege ich, ob ich noch mehr in die öffentlichkeit gehe, vorlesen… da gibt es in berlin ja eine etablierte szene inzwischen, doch ich weiss nicht, ob ich das kann, ob ich das will und ob sich meine texte dafür überhaupt eignen.
naja, was das bücher-thema betrifft: ich finde es schon cool, meinen text auf papier zu lesen, auch wenn es nur die [Literatur-Website]-anthologie ist. Mein problem zur zeit ist eher, dass die schubladenzuordnung nicht so ganz passt.
jetzt habe ich erst mal meine homepage neu gestaltet, zur ablenkung. ein paar neue texte, neues design, spielerei eben. man denkt, man macht es für sich, da ja eh keiner sich je dorthin verirren wird, aber insgeheim hofft man doch auf kommentare, genau wie bei der [Literatur-Website]. ich muss wohl noch mal in mich gehen und genau erforschen, wie stark meine exhibitionistische ader ausgeprägt ist – und das ergebnis dann respektieren und dementsprechend handeln.
jetzt werde ich erst mal die wohnung auf den kopf stellen und nach inspiration suchen, um dann einen erneuten versuch zu starten. wenn`s nicht klappt, rufe ich mal bei air mongolia an und frage wann der nächste flug geht.
was ist eigentlich der unterschied zwischen der mongolischen volksrepublik und der äußeren bzw. inneren mongolei?
und wo sind die bodenproben ertragreicher?

bis bald und danke für die tips
s.

 

Datum: Wed, 9 Oct 2002 13:43:03 +0200 (MEST)

 

Betreff: Re: -no subject-

 

hallo m.,
was treibt dich denn in die mongolei? ich habe hier in berlin schon einige lesebühnen abgeklappert und dabei einen freund getroffen, der in seiner zweiten geheimen persönlichkeit auch schreibt und jetzt eben auch liest. dabei habe ich gemerkt, dass viele der vorgelesenen texte extra fürs vorlesen geschrieben wurden – was die stilistik und die pointen betrifft. andererseits habe ich auch bei einigen der interpreten gedacht, dass ich, ohne jetzt eingebildet zu sein oder so, das was die bringen, schon lange bringe. bei anderen allerdings muss ich sagen: respekt! hier war gerade vor zwei wochen so eine art gipfeltreffen der slam-poetry-szene, war sehr interessant und lustig, und wie gesagt, ein paar echte helden dabei. das hat für mich aber auch was gutes gehabt:
ich musste mich direkt danach, so um zwei uhr nachts mit einigen legalen und illegalen substanzen im blut, vor den pc setzten und was schreiben. juhu, die blockade ist weg!
jetzt bin ich also so weit und überlege ernsthaft, ob ich vorlesen gehe. obwohl, ehrlicherweise müsste ich es so sagen wie dubbelju, es ist nicht eine frage des ob, sondern des wann.
[…]
viele grüße aus berlin, und von mir würdest du jederzeit ein großes echo bekommen…
s.

 

Datum: Thu, 17 Oct 2002 22:14:29 +0200 (MEST)

 

Betreff: Re: lesen und schreiben

 

Hallo M.,
Mongolei, nicht schlecht, bestimmt aber sehr spannend und interessant. Aber leider, wenn mich meine geografischen Kenntnisse nicht ganz täuschen, ohne Meeresküste, oder? Von daher bei mir auf der Prioritätenliste weiter unten. Ich brauche Salzwasser.
Das mit dem Vorlesen ist echt so eine Sache. In Berlin gibt es, ich weiss nicht wie das sonst so ist, neben Poetry Slams noch Lesebühnen. Keine Ahnung wie weit die überregionale Bekanntheit inzwischen ist, aber die berühmtesten sind hier wohl die „Surfpoeten“.
Die würde ich nicht direkt zur Slam Poetry zählen, ist halt mehr Prosa, weniger bis gar kein Rhythmus und eine feste Stammmannschaft nebst open mic. Finde ich persönlich besser als klassische Poetry Slams, obwohl auch auf möglichst hohe Witzigkeit geachtet wird. Aber das ist wohl eher eine literaturwissenschaftliche Betrachtungsweise.
Jedenfalls ist in mir wie gesagt bei einer dieser Lesungen vor kurzem wieder der Schreibfluss ausgebrochen. Was dabei rauskam, kannst du hier nachlesen, wenn du willst:
[]
Ich weiss nicht, ob das eine Stilveränderung ist. Ich weiss ehrlich gesagt nicht einmal, was mein Stil ist. Allerdings habe ich es geschafft, über etwas zu schreiben, was mir wirklich wichtig ist. Bisher glaube ich, habe ich immer zu den Objekten in meinen Texten so einen gewissen Zynismus aufgebaut. Ich schaffte es nicht, Dinge die ich an mich heranliess, wirklich zu beschreiben. Das gelang nicht und klang immer schrecklich. Doch mein letzter Text spielt da, wo sich leider bisher nur ein viel zu kleiner Teil meines Lebens abspielte. Schon allein deswegen sieht es mit der Mongolei schlecht aus, meine nächsten zehn Semesterferien sind schon verplant, wenn auch in einem touristisch ganz gut erschlossenem Land. Was nicht bedeutet, dass es da nicht auch  tolle Ecken gibt. (Hört sich das an wie „Naja, man kann im Hinterland von Mallorca ja auch ganz schöne Sachen finden“? Dann entschuldige ich mich!)
[…]
Jetzt da ich vom Krankenlager auferstanden bin (danke der Nachfrage) und ich heute zu meiner ersten Veranstaltung dieses Semester war und morgen arbeiten muss, hat mich wohl die kapitalistische-Verwertungslogik-Realität wieder.

Deshalb bleibt mir nicht viel Zeit, Lesungen zu organisieren. Obwohl ich schon ein langfristiges Interesse daran habe, aber dazu muss ich erst mal schauen, welche Bühne überhaupt in Betracht kommt. Das bedeutet lange Recherche und hoffentlich ein paar gute Vorstellungen.
Zu der [Literatur-Website]: Ich finde die Idee super. Ich finde die Umsetzung auch ziemlich gut. Da ich ja auch vor kurzem den dilletantischen Versuch einer eigenen Homepage gestartet habe, vielen Dank für die konstruktive Aufbauarbeit, habe ich eine ungefähre Vorstellung, wie viel Arbeit da drin steckt. Und dann noch eine Anthologie! Ich find es schade, dass die [Literatur-Website] nicht mehr Beachtung findet, und diesmal wirklich aus völlig uneigennützigen Gründen.
Andererseits finde ich aber auch einige Texte doof, aber das ist normal. Und auch einige Forenbeiträge stören das Gesamtbild, aber ich denke auch dies ist im Rahmen des üblichen. Trotzdem weiss man natürlich nichts über die, sagen wir mal, Verantwortlichen der Seite. Naja, wenn sie so gute Ideen haben und sich soviel Mühe geben, können sie ja nicht von Grund auf schlecht sein…
Vielen Dank für deine mail und dein Lob. Auch ich kann nur sagen, dass mir deine Texte immer wieder gefallen. Immer noch mein Favorit: […]. Den finde ich echt klasse. Was macht dein Schaffen?
Übrigens viele Grüße an A., auch ihre Werke berauschen mich immer wieder. Ich habe gerade noch mal den […] genossen. Ihr habt mir immer noch nicht die Frage beantwortet, wie es kommt, dass sich zwei so geniale Talente in einem so unscheinbaren (Entschuldigung!) Ort treffen.
Viele Grüße aus dem Herbst
S.