Politisches
Zitat No. 6
Es ist eine treffliche Einrichtung, daß Menschen hinter Schreibtischen sitzen und fragen dürfen, Menschen vor Schreibtischen zu stehen und zu antworten haben.
Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst. Berlin 1958, S.251.
Zitat No. 5
Gerade jetzt in Deutschland könnte man – nach 1993 sind ja zehn Jahre vergangen fast mit ‚Terror 2000‘ – da könnte man wirklich beweisen: es hat sich seitdem in Deutschland nichts geändert. Es hat sich partout nichts geändert: Die Neonazis sind immer noch da, der Innenminister ist immer noch so bescheuert wie damals, die ganze Bagage, die sich da Verfassungsschutz nennt, oder Staatsorgane, oder was weiss ich, sind alle korrupt und sind noch korrupter denn je. Es hat sich nichts geändert![…]
Deutschland legt nur noch Kränze nieder. […] Wenn man keinen Kranz niederlegen kann, dann sind wir nicht mehr Deutschland.
Christoph Schlingensief, zitiert nach Christoph Schlingensief und seine Filme von Frieder Schlaich, 2004
o.T. (9)
28.05.10
Kurz bevor es zur Goldberg-Lesung geht
im Fernsehen
erst die obligatorischen Wirtschaftskrisennachrichten
und dann die Schlangen vor den Apple Stores
in Frankfurt, Hamburg und Berlin:
Es geht uns ja so schlecht, Leute, also kauft!
Bei der Lesung dagegen waren selbst
der Eintritt und die Getränke
frei. Und die Geschichten
spektakulär.
Gute alte IG Metall!
Zeitchen noch (3)
28.11.17
Im Nachhinein betrachtet
ist das Einzige
was früher nicht besser war
die Zukunft.
Fazit 08
27.12.08
Arbeitskämpfe und Tarifverhandlungen sind uninteressant
Für die, die sich nicht mal eine Krankheit leisten können,
wenn sie ihre Miete bezahlen wollen.
Aber dann kam ja sowieso
Diese skurrile Immobilien /Strich/ Finanz /Strich/ Wirtschaftskrise.
Und da sich nach einigen Natur- und Politikkatastrophen
In den letzten paar Jahren
Die Rate der durchs Dorf getriebenen Säue rasant erhöhte
Zum Schluss mal wieder die NPD.
Als ob es das Thema nicht vor Jahren schon mal gab,
andauernd Nazis Menschen angreifen,
und man menschenverachtende Gesinnungen
gesetzlich verbieten könnte.
Da haben die neuerlichen Bomben in Bombay
Oder Gaza und wer weiss wo noch
Gerade noch gefehlt.
Tempus fugit
04/06/14
Nie hätte man in den frühen 70er Jahren
damit gerechnet,
wie sich, nur wenige Dekaden später,
die Landkarte Europas verändern würde.
Um die Jahrhundertwende herum
dann eine Zäsur, wie man so sagt,
doch eigentlich war da schon viel,
bald alles,
passiert.
Es wurde nur noch vollzogen.
Und Wissen und Fortschritt,
gar technische Revolutionen, durchaus.
Wer da, nach ein paar Jahren nur,
alles unter einem Dache stand!
– nicht unbedingt zusammen zwar,
doch das Dach, das war da.
Und nun, im vierzehnten Jahr?
Man weiss natürlich immer erst danach,
dass noch in Jahrhunderten die Rede
sein wird von dieser Zeit.
Und nun, im vierzehnten Jahr?
Starb Kaiser Karl,
starb Kaiser Karl.
Klagelied des Dichters wider die idealistischen Aktivisten
09/07/14
Ja seid ihr denn verrückt,
Recht auf Rausch,
schön & gut,
aber bitte:
rezeptfreie Verkaufsstellen,
wo kommen wir denn
da hin?!
Möglichst steril und
sozialverträglich, sauberes
Apothekenschalterneonlicht
statt verdreckter Kanülen.
Eingepreist in den Regelsatz.
Wer hat denn sowas
schon gehört?!
Oder gelesen?
Und eben:
Was soll man denn
darüber für Geschichten schreiben,
über geregelte legale Drogenabgabe,
ohne Knarren, Dreck & Deals?
Kann sich doch keiner ausdenken,
sowas!
Widerwillig; Splitter und Links
(auch schön, und viel schärfer ist dieses Bild zum Thema)
Im Moment: Viel zu viel Leben für viel zu wenig Zeit.
Vereinzelt gab es Nachfragen, warum es hier denn so ruhig sei. Der Duderich fasst es in treffende Worte (und hat eine wunderbarpassende Begleitmusik dazu): Ah…, wenn man lange nichts gepostet hat, dann ist es schwer die Relevanz zu finden, die es wert ist, das eigene bleierne Schweigen zu durchbrechen. Selbstverständlich scheitere ich daran, aber ich kann mich gut leiden und habe Verständnis für mich.
Wobei mir der letzte Satz noch nicht über die Lippen kommt, aber auch das ist etwas besser geworden im neuen Jahr. Etwas. Manchmal. Jedenfalls: Dieser Artikel liegt hier seit dem 28. Januar rum, immer wieder wird ein bisschen dran rumgefeilt und ergänzt – und sich dann gedacht: Wirklich? Warum?
Die Veränderungen kamen schleichend, der Vorsatz nur bei genauerem Betrachten hinter einem Schleier erkennbar. Oder gar nicht, weil purer Zufall: Seit der letzten Erkältung Anfang Dezember morgens statt der Kanne Kaffee eine Kanne Tee – und einfach dabei geblieben. Seit der Scheidungskindhund im Westen ist keine langen Podcasts mehr gehört. Aber auch viel zu wenig Bewegung und Struktur, was geändert gehört, ich arbeite daran, immerhin. Doch vor allem: Rausgegangen, sehr oft; Menschen getroffen, ganz schön viele; Zeit verschwendet, mal nicht alleine. Konzerte, Geburtstage, Morgengrauen. Am Ende trotzdem – trotz dem Spass, trotz des Spasses, den es machte – das Gefühl: Ich bin zuviel rumgerannt und es ist doch nichts passiert.
Dabei blieb natürlich einiges auf der Strecke, man kann halt nicht alles haben. Schreibblockade mal anders, wenigstens aus einem guten, triftigen Grund kaum was zu Papier gebracht. Und wenn ich lese, dass Marcus Kluges Pause von 1989 bis 2013 dauerte und er dann innerhalb kurzer Zeit so viel Gutes geschrieben & gesammelt hat, dann besteht ja vielleicht doch Hoffnung.
***
Hier beisst sich übrigens die Katze in den Schwanz: Wir befinden uns ja gerade – falls sich wer fragt – am Anfang einer kleinen Linksammlung. Ab und an finden sich in diesen Sammelsurien auch Veranstaltungshinweise – und der Herr Kluge plant, ebenso wie die fabelhaften Candy Bukowski, Sabine Wirsching und Monsieur Manie in absehbarer Zeit eine Lesung. Noch mehr Grund zum rumrennen (& rausreden). Zu allem Überfluss dann noch die Berlinale.
Eigentlich wäre sie sang- und klanglos an mir vorbeigezogen (auch was Neues, früher wälzte ich Programmhefte noch und nöcher). Dann rief aber jemand an und fragte, ob ich nicht mitkommen möchte, zu ein oder zwei Filmen. Also doch, und also doch im Programm gestöbert. Der Kurt-Cobain-Film wäre naheliegend gewesen, klappte jedoch leider nicht. Den kann man sich aber garantiert später und bei anderen Gelegenheiten anschauen – und das war doch immer das Berlinalefilmhauptauswahlkriterium: Etwas schauen, was man höchstwahrscheinlich nie wieder zu Gesicht bekommt. Nun lief eines der ausgewählten Werke im Delphi, das schöne, alte Delphi mit den schönen, alten Geschichten. Wo Madame arbeitete und ich seitdem nicht mehr war. Es ging gut, ich habe wohl langsam meinen Frieden gemacht, jedenfalls die ersten Waffenstillstandsverhandlungen erfolgreich überstanden. Beate Uhse ist scheinbar schon lange weggezogen, dafür kampieren ein paar mehr Obdachlose vor dem Ullrich unter den S-Bahn-Bögen.
***
Der letzte Kinobesuch, ich hatte es ja vor zwei Beiträgen ( und drei Wochen…) kurz angesprochen, war deutlich unangenehmer. Nicht nur des Themas oder der Umsetzung wegen. Hauptsächlich war es das Kino, welches allein aufgrund der günstigen Lage und des passenden Zeitpunkts gewählt wurde: Es lag halbwegs in der Mitte unserer Wege und wir wollten danach noch ins Baiz – also Kulturbrauerei. Welch Fehler, vor allem blauäugig zwei Bier zu bestellen. Da war der zweite Zehner weg. Ich hab mir danach sagen lassen, das wäre eins der angenehmeren Multiplexe, aber zwei große Bier brauchte es schon, um erträglich zu sein.
Die Nischenpressenkritik und die Leute um mich rum hatten an Wir sind jung, wir sind stark (durchaus berechtigt) rumzukritteln. Zur Vorbereitung ignorierte ich zwar sämtliche Besprechungen, sah mir aber am Abend vorher nochmal the truth lies in rostock komplett an. Keine Frage, dass der die Geschichte viel besser, tiefer und genauer erzählt. Und krasser. So ein Anspruch ist bei Spielfilmen allerdings auch schwierig zu erfüllen (und schlechterdings zu fordern).
Da ich mit dem flauen Gefühl im Magen nicht schlafen gehen wollte, schaute ich mir danach endlich Fraktus an, der verstaubte schon länger auf der Festplatte. Ich war ganz angetan und es klappte gut mit dem Schlafen danach, was nicht zuletzt an Devid Striesow lag. Umso überraschter war ich am nächsten Abend im Kino, ihm schon wieder zuschauen zu dürfen – ich hatte im Vorfeld wirklich nichts gelesen zu dem Film. Also, mein Laienfazit: Gute Schauspieler und gute Bilder. Die Story hat den Nachteil, dass sie sich entscheiden muss – zwischen Vietnamesen und Roma – und das in diesem Fall ganz klar tut. Oder zwischen dem persönlichen und dem politischen Handlungsstrang, und beide nur in Andeutungen erzählt. Da hätte man sicherlich einiges besser machen können, aber es wurde immerhin gemacht. Als Spielfilm, der nicht an Dokumentarfilmkriterien gemessen werden sollte. Deswegen fand ich auch das „metaphorisch überhöhte Ende“ nicht schlimm.
Das Geld, welches ich zuhauf im Kino ausgab, holte ich vorher aus der gleichen Bank, die ich vor knapp einem Jahr schon besuchte. Die selbe ist es nicht mehr: Kein Obdachloser weit und breit, dafür schreckliche Musik. Erst einen Tag später erfuhr ich, dass es sich dabei um das neue Konzept zur Steigerung der Kundenfreundlichkeit im Kampf gegen die Armen handelt.
***
Zu den Nachrichten: Die DDR-Herkunft schlägt sich bei mir auch in seltsamen Sportbegeisterungspräferenzen nieder. Ein weiteres Bekenntnis: Ich schaue Skispringen. Am vergangenen Wochenende fand nun auf der (derzeit noch) größten Schanze der Welt, dem Vikersundbakken, ein Skifliegen statt. Gundula Gause verkündetete dazu am Sonntagabend im heute journal (wörtliches, komplettes Zitat aus der Mediathek):
Beim Skiflugweltcup im norwegischen Vikersund hat Severin Freund seinen fünften Saisonsieg gefeiert. Auf der größten Schanze der Welt, dem berüchtigten Monsterbakken, segelte der 26jährige über 237 und 245 Meter weit und gewann damit überlegen vor dem Norweger Fannemel. Eine perfekte Generalprobe für die am Mittwoch beginnende WM.
Ganz schön viele Informationen für eine so kurze Meldung, eigentlich. Wie sich das für eine seriöse Nachrichtensendung gehört. Allerdings: Was zählt, ist allein das Deutsche. Der Rest ist irrelevant, wurde schliesslich – wie in diesem Fall Anders Fannemel – überlegen geschlagen. Da hilft es ihm auch nicht, dass er im ersten Durchgang noch vor Freund führte. Weil er 251,5 Meter weit geflogen ist – und damit einen neuen Weltrekord aufstellte (Die 250 Meter fielen erstmals am Vortag, und vor gerade einmal 15 Jahren knackte der Goldberger Andi die 225 Meter, aber ich schweife ab…). Was dem heute journal nicht mal einen Nebensatz wert ist, so ein neuer Weltrekord. Wäre ich zynisch, würde ich bezweifeln wollen, dass der Aktuellen Kamera so ein Fehler (in der Tat fehlt ja etwas) unterlaufen wäre, selbst wenn der neue Weltrekordler aus der BRD gekommen wäre. Und dabei ist Fannemel Norweger und nicht mal Russe (der stand seine 254 Meter leider nicht…)
Klar, das ist nur eine Kleinigkeit aus einer Randgruppensportart. Trotzdem bezeichnend. Ich könnte natürlich auch grössere Fässer aufmachen, aber deren Inhalt ist ja allgemein bekannt, bis zur Ignoranz bekannt sozusagen. Im Großen wie im Kleinen. An dem einen Tag wird Lügenpresse zum Unwort des Jahres gekürt, am folgenden echauffiert sich der ARD-Nachrichtenchef darüber, bei einer Inszenierung ertappt worden zu sein. Er schreibt, nachdem das entlarvende Bild durch das Netz ging: Aber es ist doch so: Wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen, ist das immer eine Inszenierung, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung.
Genau so isses, das braucht man den Leuten aber doch nicht erzählen, dass die Politiker da weit ab vom Schuss (pun not intended) einsam in der Gegend rumstehen. Oder, dass bei Bundestagssitzungen längst keine Gesetze mehr beschlossen werden. Wenn, dann in den Ausschüssen vorher, und geschrieben werden sie in den Anwaltskanzleien der Lobbyverbände. Wer wird denn so etwas gleich verlogen nennen?! Anteilnahme kann man sagen, oder – wie im Falle der Berliner Olympia-Bewerbung, deren Logo sich ein Lokalfernsehsender gleich dauerhaft oben in die Ecke pappt – Begeisterung! Selbst die BVG ist total verlogen begeistert, und mag auf einmal sogar Graffiti! Allerdings nur die mit dem richtigen Inhalt, so weit geht die Meinungsfreiheit dann doch nicht. Olympia sagen darf übrigens nur, wer bezahlt, selbst wenn er „Juhu, Olympia!“ sagen will.
***
Kurzum: Nur, weil die anderen böse sind, müssen wir längst nicht die Guten sein (& überhaupt: Was zum Teufel machen wir hier eigentlich?). Gerade eher im Gegenteil, und bevor ich mich noch zu Folterberichten, Saudibegräbnissen, Pressefreiheit oder Blasphemieparagrafen äußern muss, über eine absurde Überwachungspolitik, die unangenehme Fragen aufkommen lässt, lieber zu etwas angenehmeren.
Schöne Texte zum Beispiel. Beim Durchblättern fiel mir auf, dass ich schon lange nichts mehr von Glumm verlinkt habe – das liegt einfach daran, dass man den immer lesen kann. Sollte. Den Mann mit dem Pudel. Ebenso lassen die Fauser-Huldigungen hier in letzter Zeit arg nach; die Seite Mein Harry Gelb, die sich dem Harry-Gelb-Streetart-Duo widmet, schafft da vielleicht Abhilfe. Ein interessanter Remix auf alle Fälle, aus einer Kunstfigur eine neue Kunstfigur in einem neuen Kontext zu schaffen. Das klappt auch ganz amüsant, wenn man sich die Frage stellt, wie Philosophen sich als Nerds so geben würden.
Worte sind ein merkwürdiges Tier, und manche können es überaus kunstvoll bändigen, mit digitaler Unterstützung sogar präzise auf 18 Wörter pro Satz. Andere, wie der Kiezschreiber, versuchen sich (unbeabsichtigt?) an der Variation von Klassikern, hier: die Kuh Elsa. Zum Abschluss des Ausflugs in die Tierwelt noch eine amüsante Anekdote aus dem Dschungel vor der Supermarktkasse.
Die Bändigung kann genauso beeindruckend sein, wenn sie eher bedrückend statt amüsant vonstatten geht: Wie etwa bei Detlef Kuhlbrodt oder Peter Richter; Spaziergänge durch Kreuzberg, Dresden und das, was war und was ist. Umso schöner, ab und an eine freudige Überraschung zu erleben.
Musik: Asal hat ein Mixtape. Und etwas weiter im Osten wird sich mit noch fernöstlicherer Musik beschäftigt.
— endet hier.
Vor 25 Jahren
Vom Heimatdichter aus dem wendischen Nachbardorf meiner Kindheit habe ich früh gelernt, empfindlich uff die Wörter zu sein. Später waren es dann Klemperer, Orwell und zuletzt die Tagebücher Friedrich Kellners: Immer wieder zeigte sich, wie manipulativ Sprache verwendet werden kann. Und wird.
Der 17. Oktober 1989 war in dieser Hinsicht ein historischer Tag. Der denkwürdige 40. Republikgeburtstag (mit Gorbi im Palast und dem Volk davor) war gerade erst zehn Tage her – doch es sollte der letzte gewesen sein, nicht umsonst wurde der Tag der Deutschen Einheit bewusst auf ein Datum vor dem 7. Oktober 1990 gelegt. Das eigentliche bedeutende Ereignis dieses Tages – und das ist ebenso bemerkenswert – spielt in der kollektiven Erinnerung allerdings kaum noch eine Rolle: Das Zentralkomitee der SED trat zu seiner 9. Tagung zusammen und Erich Honecker zurück. Dass er beim Vortrag seiner Rücktrittserklärung zum Schluss seinen Namen mit vorliest, spricht allein schon Bände.
Anschliessend wird Egon Krenz zum Nachfolger Honeckers gewählt und hält sein 59-minütiges Antrittsreferat mit dem Titel Aktuelle politische Lage und Aufgaben der Partei*:
Wir schöpfen unsere Zuversicht aus dem unbestreitbaren gesellschaftlichen Fortschritt, den unser Volk und die Völker der Bruderländer – bei allem, was noch zu vollbringen ist – in historisch kurzer Zeitspanne errungen haben. Dieses Wissen und das Geschaffene geben uns die unerschütterliche Gewißheit, auch den Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts gewachsen zu sein.
Die erste Voraussetzung dafür ist (allerdings) eine reale Einschätzung der Lage. Fest steht, wir haben in den vergangenen Monaten die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Lande in ihrem Wesen nicht real genug eingeschätzt und nicht rechtzeitig die richtigen Schlußfolgerungen gezogen. Mit dem heutigen Tag werden wir eine Wende einleiten, werden wir vor allem die politische und ideologische Offensive wiedererlangen.
Wäre es aufgefallen, wenn ich es nicht gefettet hätte? Genau da kommt er her, der Begriff Wende. Unglücklich gewählt für die spätere Verwendung, aber in dieser Unglücklichkeit und dem Scheitern, sowohl des Krenz’schen Vorhabens als auch der Sache insgesamt, eigentlich die perfekte Wahl. Ich versuche trotzdem, das Wort so gut es geht zu vermeiden. Denn es stellt sich – wahrscheinlich nicht einmal (immer) mit Absicht, sondern weil es so bequem im Mund liegt – vor die viel passendere Revolution. Die wird ja meist noch mit einem erklärenden Zusatz versehen, und bis man friedliche Revolution gesagt hat, ist der Schalter für die Bahnsteigkarten längst geschlossen.
Während man also Wende sagt, summt es dazu im Kopf zur Blumfeld-Melodie Lass uns nicht von Revolution reden, ich weiss gar nicht, wie das gehen soll… Doch noch ein weiterer Grund spricht gegen diesen Begriff, und das ist die Tradition vor Krenz: Die geistig-moralische Wende des Helmut Kohl. Nicht nur eine Parallele in der Wortwahl, sondern auch bei dem, was hinten rauskam: Ein Rohrkrepierer allererster Güte.
* Quellen/Dokumente:
– Bundesarchiv/BStU: Dokumente zur 9. Tagung des ZK der SED am 18. Oktober 1989, Büro Egon Krenz. (Für Komplettansicht auf die einzelnen Ausschnitte klicken)
– Bundesarchiv: Tonmitschnitt der 9. Tagung des ZK der SED (TonY 1/1463). Besonders interessant die verschiedenen Diskussionsbeiträge ab ca. 1h 10min, durch die klar wird, wie kritisch die Lage war
– dazu: Zeitprotokoll der einzelnen Punkte.
– 2+4 Chronik zum 18.10.1989: Aus den Krenz-Erinnerungen/Kohl empfängt Andreotti
– Tagesschau – Nachbericht am 19.10.1989
– Schabowski zu Honeckers Absetzung
(ot: Und ich hatte noch versprochen, die Geschichten aus dem alten Heimatdorf zu erzählen. Das würde ich gerne noch einlösen.)
Ein Zeichen
Jetzt ist es klar, da ist kein Platz mehr für Missverständnisse. Sicher, es gab Indizien, ich berichtete ja auch darüber: Wie sich die Gentrifizierung um die Strassenecke schlängelt; nach und nach neue Läden und Geschäfte in der unmittelbaren Umgebung aufmachen; dass die Fassade des Nachbarhauses gerade schluderig, aber energetisch saniert wurde. Zur Fussball-WM gab es sogar direkt gegenüber vom Getränkemarkt ein temporäreres Hipster-Public-Viewing-Venue (sagt man das so?), inklusive Skaterbahn auf dem Dach. Und nicht zuletzt die durchs Haus geisternden Pläne der neuen Eigentümer, nicht ausgesprochen, höchstens unter vier Augen und dem Siegel der Verschwiegenheit, garniert mit einer minimalen Auszugsprämie – doch schriftlich war bisher nichts Greifbares vorhanden.
Aber jetzt ist es klar: Hier steppt demnächst der gentrifizierte Hipsterbär, aber sowas von! Woher ich das weiss? Ich hatte gestern, das erste Mal in den 15 Jahren, die ich (mit kurzer Unterbrechung) in diesem Haus wohne, einen Manufactum-Katalog im Briefkasten. So hat das damals im Prenzlauer Berg auch angefangen. Ho-Ho-Holzspielzeug!
PS. Eine wirklich feine Ironie fand ich ja schon immer, dass Manufactum – wenn man klischeehafte Typisierungen mag – als das IKEA der überdurchschnittlich gut verdienenden Grünen Mittelschicht galt: Die Oberstudienrätin, die mit dem seit Jahren auf eine Professur wartenden Dr.phil.habil. in wilder Ehe samt Linus und Marie im eigenen Eigentum zusammen wohnt und auf gute, möglichst fleischlose und nachhaltig produzierte Ernährung achtet. Da passt Manufactum-Kram gut rein, in so eine Wohnung. Wo jetzt die Ironie ist?
Die liegt darin, dass der Gründer von Manufactum (er hat den Laden inzwischen an Otto verkauft….) nicht nur nordrheinwestfälischer Grünen-Geschäftsführer war, sondern dass er einer der Propagandisten wider dem Grünen Gutmenschentum ist. (wie gesagt, wenn man Typisierungen mag; ich habe bis heute nicht verstanden, was daran schlecht sein soll, ein guter Mensch zu sein).
Und zwar nicht erst, seit das modern ist. Obwohl er da natürlich gern mitmischt und mitverdient, ist halt ein cleverer Geschäftsmann, der Herr Hoof: Der aktuelle Bestseller von Manuscriptum, seinem Spartenverlag, erschien in der Edition Sonderwege, die betreut wird von einem der Protagonisten des neurechten Ideologielimbos (Lichtschlag heisst der Kerl, und Typisierung klappt auch hier nur bedingt: Die grosse Klammer ist die Junge Freiheit, für die auch Lichtschlag gerne schreibt, aber eigentlich ist er so eine Art Nationallibertärer – eigentümlich frei heisst deshalb auch sein durchaus populäres Medienprodukt): Also, der Bestseller ist Akif Pirinçcis „Deutschland von Sinnen“.
Doch Herr Hoof schreibt auch gerne selber, zum Beispiel zur „Lage 2012“ in der konkret der Neuen Rechten, die dort Sezession heisst und die vermeintlichen Vordenker und klugen Köpfe dieser Strömung im Institut für Staatspolitik versammelt. Ihre Säulenheiligen sind die Vertreter der Konservativen Revolution, die sich ein anderer ihrer Säulenheiligen, der Jünger-Sekretär Armin Mohler, für seine Dissertation bei Jaspers ausgedacht hat.
Soviel dazu, wer will, der kann sich mit den paar Informationshäppchen hier jetzt bequem eine Recherche aufbauen, die Jahre in Anspruch nehmen wird und zu dem Schluss kommt, dass die Neue Rechte genauso albern, zersplittert, bedeutungslos und undefinierbar ist wie die Linke. Aber immerhin haben sie Manufactum und damit jahrelang ihre spiegelbildnerischen Counterparts von links gemolken.
[Erste Rechercheansätze finden sich beim Spiegel, der Zeit und beim VVN – doch ich wiederhole meine Warnung und spreche aus Erfahrung: Die Beschäftigung mit dem Thema kann zu starkem ungläubigen Kopfschütteln führen. Sich den Wahnvorstellungen anderer zu widmen kann einen verrückt machen.]
Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident!
Aus aktuellem Anlass ein ziemlich alter Text aus den frühen Tagen Wowereits. Nach all den Jahren kann ich den Westentaschensonnenkönig natürlich nicht mehr leiden, aber es gab Zeiten, als Wowereit die wählbare Alternative zum Westberliner CDU-Filz um Diepgen und Landowsky war, mag man kaum glauben, heutzutage. Und bevor er in seiner Selbstherrlichkeit den Kultursenatorenposten mit sich selbst besetzte, hatte er mit Goehler und Flierl zwei Menschen in diesem Amt, mit denen man wenigstens vernünftig reden konnte, im Gegensatz zum Vorgänger Radunski. Wenn mich die Erinnerung aus dem Nähkästchen nicht täuscht. Hier also ein Bericht aus einer anderen, längst vergangenen Zeit[Kontext]:
(25.03.2002)
Ich war gerade im Urlaub in Dänemark. Fast klischeegerecht, mit Volvo, Hund und Frau. Die dänischen Ferienhäuser haben als Vorzug nicht nur die obligatorische Sauna, sondern meist auch Fernsehempfang via Satellitenschüssel. Und da das Wetter scheiße und der Hund müde war, dachte ich mir, ich tue mal was für mein Politikwissenschaftsstudium. Also schaute ich mir die vollen fünf Stunden Phoenix-Live-Übertragung der Abstimmung im Bundesrat über das Zuwanderungsgesetz an.
Schon im Vorhinein war klar: das wird spannend. Es gab ein paar geplänkelte Reden vorne weg, sowohl der Kandidat* als auch Schröders Beerber, der dicke Sigmar Gabriel, menschelten und taten so, als ob mal endlich Klartext geredet wird. Und dann kam die Abstimmung, die „Geschichte schreiben wird“. Der knuddelige Wowi, der immer aussieht wie ein zufriedener Plüschteddy, dem gerade der Bauch gekrault wird, hat die Verfassung gebrochen. Na so was! Während alle anderen nur die Interessen ihrer Länder vertraten und von allen Parteizwängen frei ihr Abstimmungsverhalten gestalteten, setzt sich der Kommunistenfreund Wowereit über die CDU-Rechtsauffassung hinweg. Und schon bellt Standartenführer Koch: „Verfassungsbruch!“. Und anstatt: „Schnauze Koch, das ist brutalstmögliche Abstimmung!“ sagt Wowereit: „Mäßigen sie sich.“
Drollig! Da wollten sie alle die Debatte um ein Gesetz, welches von der Regierungspartei B90/Die Grünen noch vor fünf Jahren als rassistisch abgestempelt worden wäre, vom Wahlkampf fern halten, und schon war man mitten drin. Aber weg von den Inhalten – zurück zur Form, um es mit den Wahlkämpfern zu halten.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Mitleid mit General a.D. Schönbohm haben würde. Ich ging immer lächelnd und mit klammheimlicher Freude an Graffitis vorbei, die dem Ex-Innensenator von Berlin die Pest und schlimmeres an den Hals wünschten. Gäbe es eine Erhebung über die Häufigkeit personenbezogener Sprühereien in der Bundeshauptstadt, Schönbohm würde ganz oben stehen.
Und wie sah er da im Bundesrat aus! Nix mehr General, nur noch ein Häufchen Elend, Parteisoldat in Diensten des Befehlshabers aus Bayern. Seine sonst so mutig in die Höhe ragenden Augenbrauen schienen schlaff herunter zu hängen, und er schaute an diesem Tag wirklich niemandem in die Augen – außer seinem eigenen politischen Untergang vielleicht.
Keine motivierenden Reden a lá „Wo Ratten sind, da ist der Unrat nicht weit“ oder ähnliche Hetztiraden, sondern Gejammere. „Wollen sie auf den Trümmern der Brandenburger Koalition…“ Schnief! Und als der clevere Klaus dann alle schockte, ließ Stoiber seine Wadenbeisser los: Gegen das Grundgesetz, Verfassungskrise und so weiter. Wenn der Bundespräsident dieses Gesetz so unterschreiben würde, dann aber! Karlsruhe, mindestens!
Das fand ich recht lustig. Ich schlage übrigens vor, dass dieser Fall nicht in Karlsruhe, sondern in Köln-Hürth verhandelt wird. Bei Barbara Salesch oder Alexander Hold. Denn diese Richter spiegeln den Idealfall von Justitia ebenso wider, wie Koch, Stoiber & Co den aufrichtigen und nur auf das Wohl des Volkes bedachten Politiker verkörpern.
*Stoiber
Noch’n Zitat, zweiter Teil
Zu „Der letzte Tango in Paris“ hat Fauser eine tagesaktuell passende Casting-Anekdote parat:
Brando hatte der jungen, unerfahrenen Schauspielerin [Maria Schneider, d.Verf.] auf seine eigene Art die Aufwartung gemacht. Er lud sie vor Beginn der Dreharbeiten zum Essen ein, setzte sich mit ihr an die Bar des Restaurants und bat sie, ihn eine halbe Stunde schweigend anzublicken. Wahrscheinlich wusste Old Bud nicht, daß die Schneider eine Marihuanakettenraucherin war und es zum Standardrepertoire eines durchschnittlichen Kiffers gehört, stundenlang seinen großen Zeh anzustarren; jedenfalls riß Maria diese halbe Stunde aus dem Stand ab und hatte sich damit Marlons uneingeschränkten Respekt erworben.
[Jörg Fauser: Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie., S.190]
Was das jetzt mit dem längsten Tag des Jahres (der auch nur 24 Stunden hat…), der Fete de la musique oder dem ‚Schland-Spiel zu tun hat, fragen Sie? Gar nichts, richtig! Aber heute kommt der Messias darnieder und hält Hof im Görli (Zu dem PR Kantate letztes Jahr glatt ein neues, kaum geklicktes Musikvideo gemacht hat). Wenn ich das richtig verstanden habe.
Wer nun denkt: Lass diesen Clown da ruhig in der Wüste rufen – bittesehr, kein Thema. Ein ernstes Thema ist das allerdings doch, und genügend ernsthafte, gar respektierte und dekorierte Menschen erzählen seit Jahren, dass der sogenannte War on Drugs verloren ist. Kofi Annan zum Beispiel. Ein paar Experten und Wirtschaftsnobeltreisträger (naja….) der London School of Economics zum Beispiel. Die Weltkommission für Drogenpolitik, mit so namhaften Mitgliedern wie dem schon erwähnten Annan, aber auch George P. Shultz, Carlos Fuentes, Mario Vargas Llosa, Javier Solana oder Marion Caspers-Merk, zum Beispiel. Einige Regierungschefs in Südamerika zum Beispiel. Ein paar Gesundheits-(Kosten)Forscher zum Beispiel. Oder selbst deutsche Strafrechtler, zum Beispiel.
Manchmal hoffe ich ja klammheimlich darauf, dass die Merkelin, die – das darf man nicht vergessen – die CDU ja komplett umgekrempelt hat, wo keiner mehr offen homophobe Witze machen darf, die Wehrpflicht und die Energiewende-Wende abgeschafft hat und wahrscheinlich auch sonst so gut wie alle früheren Ideale dieser Partei über Bord warf, dass die also mal auf den Trichter kommt, dass sich Drogen wunderbar besteuern liessen, Gerichte und Knäste wieder mehr Zeit für Schwarzfahrer hätten und überhaupt, alle viel glücklicher wären. Oder so. Und Hanfkönigin könnte sie so auch noch werden.
Aber gefährlich isses schon:(via)
Trevlig Midsommar!
Ins Blaue
„Und was blieb denn übrig, was haben Sie gelernt in ihrem Geschichtsstudium? Dass die Menschen nun mal so sind?“ fragte die weinende Frau, die aus dem Naziknast kam, die ihren Rundgang abbrechen musste.
„Ja, ich fürchte schon.“ sagte ich nach einigem Zögern.
*
Eigentlich wäre das doch eine tolle Sache: Europa. Eine zwingende sogar. Muss man nicht mal Zweig für bemühen. Doch ich bin es müde geworden: Letztendlich braucht es immer eine Bedrohung. Etwas, womit man den Leuten Angst machen kann, etwas Fremdes von aussen.
Es wäre also ein Leichtes: Einfach eine Gefahr konstruieren, die von so weit aussen kommt, dass sie schon nicht mehr von dieser Welt ist. Klappte mit Gott doch auch ganz gut. Es müssen ja nicht gleich Aliens sein, nicht unbedingt. Wäre auch unwahrscheinlich, leider: Denn das Argument, dass man besser nicht zu denen gehört, die entdeckt werden, sondern lieber zu denen, die entdecken, ist einfach zu schön, zu bestechend. Doch setzt man Zeit – unsere Wimpernschlagexistenz von bisher grob 100.000 Jahren (und nocheinmal so viele werden es schwerlich werden) verglichen mit den wahrscheinlich 7-10 Mrd. Jahren, in denen solch eine Existenz prinzipiell möglich wäre im Universum, ebenfalls bisher – in ein Verhältnis mit den ebenso gedankensprengenden Ausmaßen des zu überwindenden Raums, dann ist eben der Kontakt mit außerirdischer Intelligenz leider sehr unwahrscheinlich.
Höchst wahrscheinlich ist dagegen, dass ein Stein-, Staub- oder Eisbrocken uns treffen wird. Uns wieder treffen wird, früher oder später. Das taugt also eigentlich, um klar zu machen, dass Grenzen, Wirtschaftskriege und diese ganze alberne Kapitalismus-Unterdrückungs- und Konkurrenzgeschichte jetzt mal langsam ausgespielt haben und es an der Zeit wäre, so nah es nur geht zusammenzurücken, alle Ressourcen gemeinsam zu nutzen, wirklich Wert auf Bildung zu legen. Weil es uns alle und jeden einzelnen treffen könnte, jederzeit und überall. Mutig, wagemutig zusammen in die Zukunft zu schauen, selbstbewusst, mit der Stirn im Wind, weil man eben zusammen auch so etwas meistern kann, das ginge schon. Mit all den Möglichkeiten, die wir haben. Also: Wäre eigentlich ein Klacks, das mit Europa. Da ist viel mehr drin, da müsste doch viel mehr drin sein, wie kann denn das sein, dass da nicht mal ein anständig vereintes Europa drin ist?
Es ist eben so. Sicher ist jeder Einzelne, dem nahegebracht werden kann, dass Menschen prinzipiell und überhaupt gleich sind, ein Gewinn. Wo stehen wir denn heute? Es ist nämlich auch so: Genau wir, jetzt und hier – wir hätten doch die Möglichkeiten. Bei uns stapeln sich nicht die Leichenberge am Straßenrand, gerade mal nicht. Es kommt näher, keine Frage, und es war wohl immer irgendwo da. Doch es geht darum: Dass wir wirklich was machen könnten, schon seit Jahren was hätten machen können, aber es eben nicht tun, meistens, seit Jahren. Von aussen betrachtet kann das doch nur eine haarsträubende Absurdität sein: Nicht diese Wahl jetzt, nicht diese Politik, nicht diese Wirtschaft und nicht diese Landschaftszubetoniererei – sondern wirklich unsere gesamte Existenz. So ist es, und da kann man dann gerne noch mal 300, 500 oder 3500 Jahre drüber philosophieren, aber letztendlich ist es so. So einfach. Von daher ist es ganz gut, dass diese bisherigen 100.000 Jahre – und von mir aus auch noch mal 100.000 drauf – aber eben mit großer Wahrscheinlichkeit viel weniger – wirklich nur ein Wimpernschlag sind. Höchstens eine Fussnote wert, wenn man mich fragt.
Subjektiv betrachtet mag das anders sein. Trotzdem. Wozu noch mehr Argumente, genügend Phantasie reicht vollkommen aus. Und überhaupt: Wo ist denn da eigentlich der Unterschied, bitteschön?
Du bist Beute, leg dir schon mal ein schickes Nervenkostüm zurecht.
Pollesch (aus unzureichender Erinnerung zitiert)
Andererseits war es großartig, vorgestern Abend im Biergarten zu sitzen und gestern Abend am Kanal. Zu erkennen, dass es drei Reiher sind, mindestens, und nicht nur einer, wie von mir naiverweise gedacht. Und unglaublich viele Schwäne inzwischen auch, von den Menschen ganz zu schweigen. Dass mindestens zwei von den Reihern sichtlich die Show genossen, die sie abzogen, während sie tief und gemächlich ihre Runden drehten. Dass es also schon so magische Abende gibt. Nebensächlichkeiten. Wenn ich liege, dann liege ich.
PS. Es spricht natürlich nichts dagegen, eine Rede zu halten. Eine gute zumal, eine wirklich gute, kluge und wohl auch wichtige Rede. Wenn aber der Gegenstand ebendieser tagtäglich in Abrede gestellt wird, an so vielen und immer mehr Stellen nicht mehr existiert: Dann ist das auch eine Totenrede. Kaddish.
kurz angemerkt
Blöde Sache an der Analogfotografie: Wenn man verkackt, dann richtig. Film zum Entwickeln gegeben, gewartet – und nur ein paar Groschen bezahlt, weil da nun mal nicht viel zu entwickeln war. Diese Fehlerquote von 1:4 muss deutlich gesenkt werden. (Noch besser: Eigentlich gingen zwei Filme drauf – Der volle, der ein zweites Mal in die Kamera gelegt wurde, und der leere, der stattdessen ins Labor ging.) Aber egal, rational ist das ja sowieso nicht: Für die Kosten von schätzungsweise 20-50 Filmen würde ich wahrscheinlich ein halbwegs passable Digitalkamera bekommen (Für eine Spiegelreflex mag man da eventuell eine Null ranhängen). Doch darum geht es ja auch gar nicht, wobei ich anfangs gedacht hatte, dass diese Rollfilme bestimmt sauteuer sind inzwischen, wegen ihres Raritätenstatusses. Von daher war ich also eher positiv überrascht.
Blöde Sache an der Ukraine-Krise: Man weiss so gut wie nichts, und man weiss nicht, ob das, was man glaubt zu wissen, wahr ist. Und man steht weiter morgens auf, isst und kackt ( und arbeitet und fickt, wenn man Pech bzw. Glück hat) und schläft. Vulgärsystemtheoretisch muss ich immer mit dem Kopf schütteln, wenn irgendjemand in den zwangsläufig dieses Thema berührenden Diskussionen mit Moral kommt. Die taugt als Argument weder bei der Kapitalismuskritik noch in der Politik. Was ist denn das objektive Ziel Interesse von Politik? Wenn ich derzeit die Rolle Putins betrachte, vielleicht sogar über einen Zeitraum von sagen wir mal zehn Jahren, dann steht er gerade ziemlich gut da: Russland ist wieder wer, mission accomplished. Aber eben: Politik. Die taugt höchstens, um dran zu verzweifeln.
Interessante Nebenbeobachtung: Bei einem der unzähligen Interviews in den Hauptnachrichtensendungen fiel mir etwas auf – die Sponsorenwand, vor der die Interviews gegeben werden. Leider ist es keine wirkliche Sponsorenwand, man sucht die Logos von Krauss-Maffei, Heckler&Koch und Co. vergeblich. Trotzdem: Dass es da eine extra gestaltete und angefertigte Pappwand gibt, die nur für die Kameras da ist, finde ich bemerkenswert. Ebenso wie die FAQs auf der zugehörigen Seite des dafür verantwortlichen Ukraine Crisis Media Centers.
Blöde Sache an den Wahlen zum EU-Parlament: Dass seit zwanzig Jahren jede Chance vertan wird, die Menschen für Europa zu begeistern. Ich hatte das gar nicht so zweifelhafte Vergnügen, in meiner Schulzeit kurz nach dem Mauerfall eine Art freiwillige Reeducation mit regelmäßigen Bildungsfahrten nach Bonn und Brüssel zu durchlaufen. Und ich fand die europäische Idee toll – die deutsche Einheit war vielleicht nicht so dolle gelaufen, aber egal, was zählte, war ja ohnehin die europäische Einigung. Dachte ich damals. Die für die privilegierierten Europäaer offenen Schengen-Grenzen fand ich (abgesehen von dem, was sie für die nichtprivilegierten Menschen bedeuten) prinzipiell ebenso gut wie die Euro-Einführung, die ich zusammen mit begeisterten Niederländern in Zandvoort erlebte: Drei Stunden nach Mitternacht am 01.01.2002 waren die Eurobestände der Geldautomaten durch den großen Ansturm restlos geplündert und die Maschine spuckte nur noch Gulden aus. Und jetzt? Bleibt einem nichts übrig, als den Kopf zu schütteln und Die Partei zu wählen. Die APPD gibt es ja leider zum Glück leider nicht mehr wirklich, die machte mal einen der ehrlichsten und besten Wahlspots aller Zeiten.
Blöde Sache am Internet: Es ist das, was man daraus macht oder machen lässt. Man kann ihm keine Schuld geben. Aber: Es lassen sich eben auch wahnsinnig tolle Sachen damit machen. Ich fand zum Beispiel diesen Beitrag über die Rolle sozialer Medien in den Protesten in der Türkei (ich glaub ich bin durch ix drauf gekommen) rumdum gelungen. Auch nicht schlecht: Eine Reportage über Ostermaiers Schaubühne in Paris beim Online-Zeit-Magazin. Hier muss ich leider am „rundum gelungen“ sparen, der Text entlockte mir nicht ganz die Begeisterung wie die Gestaltung an sich. Zu behäbig, irgendwie – aber das ist ja auch Geschmackssache. Genau wie dieser Text, mal wieder vom Magazin-Blog, den ich sehr unterhaltsam finde. Andere vielleicht ja nicht.
Hauptsache, man schreibt, auch wenn es nicht ganz egal ist, für wen. Ich sehe das ähnlich wie der Kiezschreiber: In selbstgewählter Mündigkeit selbstbestimmter Verelendung zwar, aber dafür angstfrei. Und wo wir schon mal beim Thema Schreiben & Lesen sind: Schade, dass Hildesheim nicht um die Ecke liegt. Aber immerhin, das Lesen bleibt ja noch, und die Liste wird immer länger. Ohne Internet war es jedenfalls viel langweiliger, und es gäbe keine Youtube-Videos von Schlingensief über Bayreuth. Wo Gysi weitestgehend die Klappe hält. Was man ja nicht glaubt, wenn man es nicht gesehen hat. Grandios.
Ansonsten: Vielleicht mal in den Wedding nach Gesundbrunnen fahren.
Zum Tag der Befreiung
Gestern las ich in der U-Bahn, dass das deutsch-russische Museum zum Tag der Befreiung ein Fest veranstaltet. Es gibt auch ein Gastland – die USA. Noch scheint also nicht alles verloren. Tag der Befreiung kann man übrigens nicht oft genug sagen, und zumindest bis zur Elbe waren es die Soldaten der Roten Armee, die die Deutschen vom Hitlerismus befreiten. Selber haben die das nämlich nicht auf die Reihe bekommen, im Gegenteil.
Zum Thema zwei Zitate aus dem soeben ausgelesenen „Erinnerungen eines Europäers“ von Stefan Zweig, aktuelle Parallelen mag sich jeder selbst denken:
Abends in Belgien bei Verhaeren kam die Nachricht, daß das Luftschiff in Echterdingen zerschellt sei. Verhaeren hatte Tränen in den Augen und war furchtbar erregt. Nicht war er etwa als Belgier gleichgültig gegen die deutsche Katastrophe, sondern als Europäer, als Mann unserer Zeit empfand er ebenso den gemeinsamen Sieg über die Elemente wie die gemeinsame Prüfung. […] aus Stolz auf die sich stündlich überagenden Triumphe unserer Technik, unserer Wissenschaft war zum erstenmal ein europäisches Gemeinschaftsgefühl, ein europäisches Nationalbewußtsein im Werden. Wie sinnlos, sagten wir uns, diese Grenzen, wenn sie jedes Flugzeug spielhaft leicht überschwingt, wie provinziell, wie künstlich diese Zollschranken und Grenzwächter, wie widersprechend dem Sinn unserer Zeit, der sichtlich Bindung und Weltbrüderschaft begehrt! (S. 147)
(Zur Einordnung: Obiges Zitat bezieht sich auf das Jahr 1908)
Vor dieser >Neuen Ordnung< hatte die Ermordung eines einzigen Menschen ohne Gerichtsspruch und äußere Ursache noch eine Welt erschüttert, Folterung galt für undenkbar im zwanzigsten Jahrhundert, Expropriierung nannte man noch klar Diebstahl und Raub. Jetzt aber, nach den immer erneut sich folgenden Bartholomäusnächten, nach den täglichen Zutodefolterungen in den Zellen der SA. und hinter den Stacheldrähten, was galt da noch ein einzelnes Unrecht, was irdisches Leiden? 1938, nach Österreich, war unsere Welt schon so sehr an Inhumanität, an Rechtlosigkeit und an Brutalität gewöhnt wie nie zuvor in Hunderten Jahren. Während vordem allein, was in dieser unglücklichen Stadt Wien geschehen, genügt hätte zur internationalen Ächtung, schwieg das Weltgewissen im Jahre 1938 oder murrte nur ein wenig, ehe es vergaß und verzieh. (S.291)
(zitierte Ausgabe: Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. Fischer Bücherei Frankfurt/M. und Hamburg, 1970.)
Filmtipp zum Wochenende: Die kommenden Tage. Einfach so.
Flache historische Vergleiche und ein Haufen Links
Als ich vor knapp zwei Wochen mit einem alten Freund bei mehreren Bieren saß, kam das Gespräch irgendwann natürlich auch auf die aktuellpolitische Lage: Die Krim war gerade annektiert worden/ hatte gerade abgestimmt. Wir theoretisierten, wie es denn weitergehen würde, und mir rutschte beim Thema „Was wird aus der Ukraine“ das Wort „Rest-Tschechei“ raus.
Auch in dieser Woche konnte ich nicht vom Kneipenbesuch lassen, und siehe da: Die Ukraine drängte sich wieder auf. Ich berichtete meinem Gegenüber von dem Mord am „Weißen Sascha“, woraufhin ihm spontan ein „Ach, die Nacht der langen Messer?!“ entfleuchte.
Solche flachen historischen Vergleiche sind allerdings nur in vernebelten rauch- und bierdunstschwangeren Lokalitäten zulässig. Natürlich wiederholt sich Geschichte nicht, weder als Farce noch als Tragödie. Aber ein Vergleich lohnt sich allemal, um Grundmuster und -mechanismen zu erkennen, denn davon gibt es, wie der Name schon sagt, nicht allzu viele. Allein die Umstände führen zur Varianz.
So schrieb Friedrich Kellner am 22. Juni ’41, dem Tage des Überfalls auf die Sowjetunion, in seiner hessisch-ländlichen Zuflucht:
Mit was auch unser Vorgehen begründet werden mag, die Wahrheit wird einzig und allein auf dem Gebiete der Wirtschaft zu suchen sein. Rohstoffe sind Trumpf. […] Die Armee sucht Futterplätze, und die Herren von der Industrie wollen billige Rohstoffe.
(Friedrich Kellner: „Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne.“ Tagebücher 1939–1945. Göttingen 2011, S.156)
Man könnte hier also ein Grundmuster ausmachen und einen Vergleich ansetzen. Eine Gleichsetzung, beispielsweise des Freihandelsabkommens und des Assoziierungsabkommens mit folgendem Kellner-Zitat (immer noch zum gleichen Anlass, vom 28. Juni ’41) wäre zwar naheliegend, aber … :
Endlich ist es soweit, daß die Großkapitalisten aller Länder – getreu dem Rufe ihres Führers Hitler – dem verhaßten Regime in Rußland den Garaus machen wollen. (S.163)
Ein weiterer kleiner geschichtswissenschaftlicher Exkurs sei noch gestattet: Aus der Крим ist also (wieder) die Крым geworden. What’s new?
Fast alle europäischen Grenzgebiete sind mehrfach kodiert, fast alle Städte und Orte in diesen Übergangs- und Gemengelagen haben Doppel- und Dreifachnamen. Das ist mehr als ein Hinweis auf politisch korrekte Zitierweise, es ist vielmehr eher die Spur in eine Geschichte, die komplexer ist, als daß sie auf den Nenner eines Namens gebracht werden könnte.
(Karl Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. Frankfurt/M., 2006, S.227.)
In seinem 2003 erstmals erschienem Werk („Dieses Buch glüht von innen.“ Die Zeit. Naja…) behandelt Schlögel unter anderem ausführlich die Rolle von Karten verschiedenster Art. Dass dies auch und gerade heute wieder hochaktuell ist, darauf weist Michael Schmalenstroer zu Recht hin. Nochmal Schlögel:
Im Zeitraffer betrachtet, ist die ganze europäische Geschichte eine ununterbrochene Geschichte der Macht- und Grenzverschiebungen … (S. 145)
Wieso also sollte sich das ändern? Schon vor elf Jahren konstatierte er:
Das neue östliche Europa ist gekennzeichnet von einem krassen Nebeneinander, einer „Gleichzeitgkeit der Ungleichzeitigkeit“, wie sie im Buche steht: das 21. neben dem 18. Jahrhundert. Das sind die Konfliktzonen der Zukunft, in denen sich der Haß auflädt und militant entladen wird, weit mehr als jener clash of civilizations, der von den Unterschieden der Kulturen und Glaubensbekenntnisse ausgehen soll. (S.469)
Klar, für die Arbeit des Swoboda-Politikers und stellvertretenden Vorsitzenden des Ukrainischen Komitees für Meinungsfreheit im Kiewer Parlament, Igor Miroschnitschenko, braucht man nicht bis ins 18. Jahrhundert zurückgehen. Ein ähnliches Verhalten fand und findet man regelmäßig, auch in Europa, nicht nur unter Goebbels oder Stalin. Doch selten gab es so deutliche Bilder davon. Aber genug der Geschichte, dazu hat Tucholsky eigentlich schon alles gesagt (der übrigens auch schon was über Gentrifizierung zu berichten wusste, und zwar aus deren Mutterland).
Und eben: What’s new? Über Hipster haben in den 1950ern schon Eric Hobsbawm, Jack Kerouac und Norman Mailer geschrieben. Gut, es waren andere Hipster, und in Texten über sie steht heute vielleicht weniger rassistisch-esoterischer Quatsch als bei Mailer und der deutschen Rezeption dazu, trotzdem hat dieser Text mehr zu bieten als das plakativ-ironische „What Berliners don’t say“ (was trotzdem für den einen oder anderen kurzen Lacher gut ist): eine Facebook-Seite, deren Top-Beiträge jüngst von dem „The Hundert„-Magazin zusammengetragen wurden, was den Freitag dazu verleitete, die Magazin-Seite abzufotografieren und das Foto dann bei Facebook hochzuladen. (Eigentlich schon wieder viel lustiger als die Zusammenstellung an sich: auf dem bei fb hochgeladenen Freitags-Foto von dem Magazin-Beitrag ist die dort abgedruckte originale fb-Adresse zu lesen). Womit wir mal wieder beim Journalismus wären, dem es ja derzeit an die Kapuze geht.
Die einen beschäftigen sich mit Hoodies oder den Schuhen des Internetministers, die anderen mit der Branchen-Zukunft. Wobei die besseren Artikel der letzteren Kategorie meist nicht hierzulande geschrieben werden. Wie man guten deutschsprachigen Journalismus machen kann, zeigen – wer hat’s erfunden? – die Schweizer. Das ist aber lang, und lange Texte liest doch eh kaum jemand. Hier kehrt man lieber vor fremden Türen: Wenn mal nicht die Blogger dran sind, dann eben die Literaten. Dabei kann schon ein Blogtext zur Aktualität Büchners den Großteil des auf Zeitungspapier gedruckten Feuilletons in den Schatten stellen. Vermute ich mal, ich habe lange keine Zeitungen gelesen, zugegeben.
Wie absurd diese Distinktionsversuche zwischen Journalismus, Blogs und Literatur sind, zeigen auch die großartigen (literarischen) Beiträge auf unzähligen Blogs immer wieder. Natürlich muss Glumm hier an erster Stelle genannt werden, der gerade mit den „Geplant war Ewigkeit„-Fortsetzungen wahrscheinlich nicht nur mich beeindruckt und sprachlos zurücklässt. Er kennt „den Literaturbetrieb“ durchaus auch von der anderen Seite, konnte dort aber eben (noch) nicht landen. Was mehr über „den Literaturbetrieb“ sagt als über Glumm.
Via sunflower22a (die auch längst hätte erwähnt werden müssen, obwohl ich mir über sie noch nicht einig bin – doch wie auch, wenn sie selbst „I am a mystery“ schreibt) bin ich auf einen weiteren tollen Text gestossen: Bemerkenswerterweise spielen auch hier A&P (kein Link, dafür ein Erinnerungsfetzen: Ein alter Jugendfreund spielte mal in einer Punkband, die so hiess, benannt nach einer Supermarkt-Hausmarke) wieder eine Rolle – wenn das Internet diese Seite aushält, kann uns nichts mehr etwas anhaben. Auch tikerscherk darf nicht unerwähnt bleiben, bei der gerade Themenwoche ist, nicht nur kubanische, wenn ich das recht verstehe. Und täglich kommen so viele gute, neue Texte dazu. Bücher natürlich ebenso, auf die ich aber auch vermehrt durch Blog–Rezensionen aufmerksam werde.
Wer hier noch etwas zum Thema „Kreuzberger Wohnverhältnisse“ oder „Geschichten von früher“ erwartet hatte: bittesehr. Das war’s dann aber für heute, irgendwann muss ja auch mal Schluss sein!
[Falls wer fragt: Ich mache das nur, damit ich die Links auch irgendwo habe und die Lesezeichenliste frei für Neues ist. Sonst geht es mir gut. Sagen die Stimmen in meinem Kopf.]
Hatte ich was von Punk gesagt?
Wiedervorlage 11 Jahre: Hundert Stunden Krieg
[Inzwischen sind aberhunderte solcher Stunden mehr vergangen. Hat sich groß was geändert? Wieso dann also neue Texte schreiben?]
24.03.03
Es ist wieder so weit: Bildungsfernsehen ist angesagt. Nachdem wir inzwischen schon fast wieder vergessen haben, wo Mostar und Tetovo, Kandahar und Mazar-i-Sharif liegen, ist das Thema des aktuellen Geographie-Telekollegs „Um Kasr“ (Umm Kasar, Um Kasre).
„Zum Glück haben wir unseren embedded correspondent im Einsatz. Wolf, wo liegt Um Kasr genau?“ „Susan, aus taktischen Gründen kann ich nichts genaues dazu sagen. Susan!“
„Danke Wolf!“
Ein Krieg in dem es scheint, dass die Waffen intelligenter sind als die Befehlshaber.
Eigentlich ist der Irak ja nichts weiter als eine Ansammlung von Widerstandstaschen.
Die Lage wurde nicht unterschätzt, es leisten ja nur noch die irakischen Spezialeinheiten Gegenwehr, doch davon gibt es genug: Republikanische Garden. Fedeejin. Spezielle Republikanische Garden. Jeder irakische Soldat ist seine eigene Spezielle Republikanische Garde. Von den Parteimitgliedern mal ganz zu schweigen.
Laut SPIEGEL geht gerade die „Generation Golfkrieg“ auf die Straße.
Sechzehnjährige mit ihrem Alter angepassten Transparenten: „Illuminati stoppen!“ „Bombing for peace is like fucking for virginity!“ Schülerdemos! Pisa ist vergeben und vergessen.
Saddam Hussein soll vor Kriegsbeginn an George Bush das Angebot gerichtet haben, man könne den Streit ja auch per Fernsehduell entscheiden, das sei doch in Amerika so üblich. Wenn das kein Medienkrieg ist! Sechs Stunden vor Ablauf des Ultimatums erschien auf einem Nachrichtensender eine Countdown-Uhr, mit dem Titel „Deadline“.
Die Reporter in den Flüchtlingscamps jenseits der irakischen Grenze hätten am liebsten ganze Hubschrauberstaffeln zur Verfügung gestellt, damit sie auch schnell genug ihre Bilder füllen können. Und wer kam? Keine Iraker, sondern Afrikaner! Was wollten die denn hier? Bilder von geflohenen Afrikanern in Zelten können wir jeden Tag bekommen!
D-Day hieß diesmal A-Day. Die Bomben sind laut Rummie so intelligent, dass sie einen Laster (= mobiles Massenvernichtungswaffenlabor, natürlich.) unter einer Brücke treffen können, “without hitting the bridge”. Von Luftkrieg ist die Rede. Hat jemand in der letzten Zeit was von einem irakischen Militärflugzeug gehört?
Nach der Demo gehen wir nach Hause, bezahlen weiter die Rechnungen und freuen uns irgendwie trotzdem, dass endlich Frühling ist.
Ukrainische Krankenhäuser in Kreuzberg
Niemand scheint so richtig zu wissen, was in der Ukraine gerade passiert, und vor allem, wie die verschiedenen Akteure dort einzuordnen sind. Langsam wird auch hierzulande klar , dass die Nazis Nationalisten Nazis von der Swoboda um einiges mehr zu sagen haben als Klitschko, da kann er noch so sehr rudelweise mit den Mikrofonen deutscher Medien bedrängt werden.
Ganz ehrlich frag ich mich ja manchmal mit leichtem Schaudern, wer wohl bei uns am besten organisiert (bzw. gerüstet) wäre, wenn es zu ähnlichen Szenen kommen würde; rein hypothetisch natürlich.
Jedenfalls fiel mir heute folgender Aufkleber auf, der drei Häuser weiter an der Tür pappt:
Copy&Paste-freundlich steht da: дістала руїна та побори в лікарнях? підтримай майдан!
Nun ist mein Ukrainisch ziemlich schlecht, sprich: es besteht aus rudimentären Schulrussischkenntnissen, aufgefrischt durch Konversationen mit der exilsowjetischen Diaspora. Immerhin komme ich mit Kyrillisch klar, auch wenn die Ukrainer da ein paar lateinische Buchstaben mit reinpacken – sie scheinen wirklich in allen Bereichen zerissen zu sein zwischen Ost und West, wenn mir eine Platitüde erlaubt ist.
Es geht um etwas „in Krankenhäusern“, vermutlich Zerstörung und Erpressung. Der Microsoft-Übersetzer will mir die ganze Zeit was von „gepimpt“ erzählen. Ganz unten steht „Unterstützt Maidan!“.
Falls jemand mehr weiss: Nur her mit den Infos!
Ansonsten verabschiede ich mich erst mal in eine Schreibpause, voraussichtlich. Ich weiss nur noch nicht genau, ob vom oder zum Schreiben.
Yalla Balagan – monothematische Links
[Aktuell – tages-Sau-durchs-Dorf-treiben-aktuell – ist dieser Text nicht mehr, ich begann ihn am Samstag. Überlegte hin und her. Und drücke jetzt eben doch auf „Publish“.]
Nächstes Jahr Letzte Woche in Jerusalem, da war ja ganz schön was los, als Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, in der Knesset seine Rede hielt. Zufall oder nicht, auch Abseits der Aufregung um die Schulz-Rede geriet Israel in der letzten Woche (noch mehr als sonst) auf meinen Schirm (und das Fernweh packte mich wieder). Einiges von dem, was mir dabei über den Weg lief, lohnt sich durchaus, um das teilweise schiefe öffentliche Bild des Landes und seiner Bewohner gerade zu rücken. Also: Yalla Balagan! (Ein arabisches und ein russisches polnisches jiddisches persisches Wort ergeben eine Hebräische Redewendung, die so viel heisst wie „Auf ins Chaos“ – das ist Israel in a nutshell.)
Es fing damit an, dass ich Anfang der Woche die WRINT-Israel-Folgen nachhörte (inzwischen selbst die alte Folge #44 ). Holger Klein, das fiel mir vorher schon auf, stellt Israel in seinem Verhältnis zur Bundesrepublik ja gern auf die gleiche Stufe wie Bayern. Und nun hatte er also jemanden ans Telefon bekommen, der ihm ein bisschen was über Land und Leute erzählen wollte. Da dieses Interview einige Fragen offen liess und einigen Widerspruch hervorrief (das ging mir ähnlich) – führte er einfach danach noch eins. In Kombination kann man beide Gespräche zusammen ganz gut als Einstieg gebrauchen.
Aus der Distanz (und das muss gar nicht immer nur eine räumliche sein) lässt sich recht einfach ein Urteil fällen. Doch Israel ist uns näher und vertrauter, als wir glauben (und als einigen lieb sein mag). Ich mag Tel Aviv unter anderem so sehr, weil es – wie in den Interviews auch beschrieben – ein Berlin mit Strand und mildem Winter (also, ja, dieser Winter…schon klar…) ist. Doch die Parallelen gehen viel weiter und tiefer. Der Levinsky Park liegt zum Beispiel direkt neben dem Oranienplatz. Hier wie da versammeln sich die, die es teils unter schwersten Entbehrungen in den Westen, die freie Welt, das gelobte Land geschafft haben. Hier wie da sind sie, was die Mehrheitsmeinung bzw. die herrschende Meinung betrifft, nicht wirklich willkommen, im Idealfall werden sie geduldet und ignoriert. Allerdings schlägt der Mob gerne mal zu bzw. zündelt, wenn er gelassen wird. Ist in Tel Aviv passiert, hätte aber auch hier passieren können, wieder. Der junge Hamburger (?) Künstler Michael Felix Kijac hat ein interessantes Projekt zur „Dark Side of Tel Aviv“ ins Leben gerufen, auf dessen Seiten es auch weitere Informationen und Facetten zum Thema gibt.
Die nächste Parallele lässt sich – mal wieder – im Bereich Gentrifizierung ziehen. Hier liegen Kreuzkölln, Williamsburg und Neve Tzedek (was übrigens, eine weitere charakteristische (?) Gemeinsamkeit mit O-Platz und O-Strasse, nur ein paar Schritte vom alten Busbahnhof am Levinsky Park entfernt ist) ganz dicht beieinander. Die Mietquote ist in Deutschland ja traditionell hoch, was im internationalen Vergleich generell untypisch ist. Da macht Israel keine Ausnahme, und da es vergleichsweise wenige Wohnungen auf dem Mietmarkt gibt, steigen deren Preise, in den letzten paar Jahren rasant (die der Eigentumswohnungen natürlich ebenso). Junge Erwachsene, selbst aus der akademischen Elite, können sich so auch mit zwei oder drei Jobs keine eigenen vier Wände leisten. Was besonders absurd ist für ein Land, das der Familienpolitik existenzielle Bedeutung zugesteht.
Unter anderem dieses Dilemma führte 2011 zu den Protesten und Zeltlagern auf dem Rothschild-Boulevard. Die Resonanz war ungleich grösser als die der Occupy-Bewegung hierzulande, die Kinder der Mittelschicht, die das Land trägt – wirtschaftlich und durch die allgemeine Wehrpflicht auch militärisch, nicht zu vergessen – waren und sind aber auch (noch) stärker unter Druck als das deutsche Klein- und Mittelbürgertum. Ein weiterer Grund für die grössere Aufmerksamkeit, die der israelischen Protestbewegung zukam, lag sicherlich darin, dass sie mit Daphni Leef ein Gesicht hatte.
Im Endeffekt hat es aber nichts genützt, die Probleme sind noch da, die Zelte nicht mehr. Und Leef steht inzwischen vor Gericht. So verwundert es nicht, dass der Frankfurter Stadtsoziologe Sebastian Schipper im +972Mag-Interview auf einiges Interesse stiess, als er das Modell des Mietshäuser Syndikats vorstellte. Einstweilen wird es dabei bleiben, dass viele junge Israelis, nachdem sie ihr Leben für ihren Staat beim Wehrdienst riskieren mussten, diesem Staat den Rücken kehren: Wegen der Politik, wegen der Kriege, wegen der teuren Wohnungen und sonstigen Lebenshaltungskosten. Immer mehr kommen nach Berlin, push- und pull-Effekt wirken hier gleichzeitig. Die deutsche Presse feiert das natürlich, sieht nur die Attraktivität Berlins, ohne weitere Fragen zu stellen, größtenteils.
Und nun also die Aufregung um die Aufregung über die Rede des EU-Parlamentspräsidenten. Dazu will ich nur auf zwei Sachen verweisen, beide Male handelt es sich wieder um +972-Links, die Haaretz hat leider seit einiger Zeit eine Paywall. Also: In diesem Artikel ist recht pointiert beschrieben, auf welches Problem Schulz mit seiner Rede – Teilen seiner Rede, besser gesagt – stiess: The problem for the Israeli government and its supporters abroad is that reality in the West Bank is biased, so the political war is now aimed at calling things out for what they are. Bei all den unguten Gefühlen, die diese Situation heraufbeschwört, können sich die linken Israelis immerhin noch halbwegs gelungen über ihre rechten Counterparts lustig machen.
Schweigen
…wollte ich. Sollten sich doch andere weiter aufregen über den absurden Charaktermaskenball, der auf dem politischen Parkett ausgetanzt wird. Als dieser Entschluss noch nicht ganz so fest stand, beschäftigte ich mich intensiv, bis an die Grenze, wo einem der Verstand abhanden zu kommen droht, mit einem der vielen Geheimdienstskandale. In diesem Fall war es der mit dem NSU. Natürlich stolperte ich da auch ab und zu über Sebastian Edathy. Da mein Recherchemodus durch einen starken Hang zum Ausufern gekennzeichnet ist, stiess ich relativ schnell auf diese Sache mit der Journalistin. Aus ihrer Sicht – würde man die Vorgeschichte nicht kennen, könnte man sich Susanne Haerpfer bei manchen ihrer Blogbeiträge gut mit Aluhut vorstellen – hat ihre Causa Edathy zumindest indirekt ihre Existenz als gern nachgefragte Journalistin zerstört. Und schon hatte ich einen neuen Faden in der Hand, er führte zu einem verworrenen Knäuel, in dem sich die Schicksale diverser unbequemer Journalisten wiederfanden. Wäre ein lohnenswertes neues Thema, dachte ich, legen wir mal auf Halde.
Dieser Wiedervorlagestapel rief sich in Erinnerung, als irgendwann im letzten Jahr zum tausendundersten Mal über Journalisten und ihre Rolle in der Gesellschaft diskutiert wurde. Sie wären ja schliesslich die letzten Verteidiger der Demokratie, während die anderen drei Säulen kräftig bröckelten. Quatsch, natürlich. Der professionelle Journalismus ist genauso von der kapitalistischen Landnahme betroffen wie alle anderen Bereiche in Kultur oder Wissenschaft. Am Ende geht es um die Kohle – die, die der Journalist am Ende des Monats in der Tasche hat, und die, die der Verlag als Gewinn in der Bilanz verzeichnen kann. Doch das ist ein anderes, unendliches Thema. Eigentlich geht es darum, dass (auch jenseits der rein ökonomischen Verwertungslogik) der Berichterstattung Grenzen gesetzt sind, bzw. werden. Wer aus dem Rahmen fällt, muss sehen wo er bleibt. Zensur findet statt.
Thomas Moser zum Beispiel: Er war (und ist es immer noch, keine Sorge) eine der wenigen kritischen Stimmen zum NSU-Komplex, die wenigstens ganz leise, in der Nische der Kontext-Wochenzeitung, zu hören waren. Er recherchierte tief im Baden-Württembergischen Dickicht aus Verfassungsschützern und KKK, speziell der Kiesewetter-Mord hatte es ihm angetan. Neben Wolf Wetzel und Andreas Förster (und vielleicht noch Jens Eumann) ist er einer der selten zu findenden Journalisten gewesen, die Zweifel anmeldeten, die nicht sofort vom „Terror-Trio“ sprachen, die unbequeme Fragen stellten, die einfach das machten, was Journalisten machen sollten: Fakten checken, recherchieren, nicht einfach die Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft abtippen.
Und dann flog Herr Moser bei Kontext raus. Im Vorfeld wurde von der Zeitung bestätigt, dass es Versuche der Einflussnahme von offizieller Seite gegeben hätte. Aber dass dem freien Journalisten Moser jetzt die Texte nicht mehr abgenommen werden, hätte damit natürlich nichts zu tun. (Ich glaube übrigens auch, dass Moser sich in manchen Dingen verrannt hat, oder seine Agenda ist mir noch nicht ganz ersichtlich, trotz alledem sind seine „Verschwörungstheorien“ nicht weniger plausibel als die offiziellen der Bundesanwaltschaft.) Jetzt ist Moser nur noch Blogger (das hier ist wahrscheinlich seins), abgesehen von einem Artikel bei den „Blättern“ gab es von ihm nichts mehr in den „richtigen“ Medien.
Oder Gaby Weber. Die in Buenos Aires arbeitende Journalistin wird zwar – zum Glück – immer mal wieder von Fefe gepusht (unter anderem mit dieser tollen Alternativlos-Folge), ihre Rechercheergebnisse passen allerdings nicht ins öffentlich-rechtliche TV-Programm, sie wird als Verschwörungstheoretikerin diffamiert. Dass ihr Film über die Verstrickungen von Mercedes Benz mit der argentinischen Militärdiktatur, der bei labournet in Gänze zu sehen ist, beim WDR einfach weichgespült von Dritten nacherzählt wird, während er in mehreren südamerikanischen Sendern zur Prime Time zu sehen war und sogar im argentinischen Parlament gezeigt und behandelt wurde, hat natürlich auch nichts mit Zensur zu tun.
Nur exemplarisch sei hier auch noch auf das Beispiel Hubert Denk hingewiesen, da in diesem Fall ausnahmsweise von „der Presse“ berichtet wurde, welchen Zwängen freie Journalisten ausgesetzt sind: Auch Anwaltskosten können die Ausübung der Pressefreiheit einschränken. Da braucht es gar keine Horrorvorstellung vom tiefen Staat:
„Ein Verfassungsschutz, der mit Nazis, die die Demokratie gewaltsam beseitigen wollen und Menschen zu ermorden bereit sind, zusammen arbeitet und zugleich kritische Journalisten überwacht. Das ist die Horrorvorstellung, die offenbar deutsche Realität ist.“
Lohnen sich also die vereinzelten Aufschreie überhaupt noch? Was blieb zum Beispiel von diesem Memorandum? Was soll man dazu sagen, bzw. was darf man überhaupt noch fragen? Wenn Anne Roth, Partnerin von Andrej Holm und damit aktenkundig in Terrorismusnähe gerückt, unbequeme Fragen stellt, diesmal wieder zum NSU, und darauf diesen wohlmeinenden Kommentar bekommt:
Liebe Anne,
ich möchte Dich bitten, Dich nicht weiter mit diesem Thema zu befassen.
Der hier beschriebene Fall eines verbrannten Zeugen gehört zur Kategorie “bedauerlicher Unfall / plötzlicher Suizid”. Damit werden Probleme unbürokratisch aus der Welt geschafft. Das ist kein Kinderspielplatz. Jeder, der tiefer bohrt, gerät automatisch ins Visier.
Du solltest die Kreise der deutschen und insbesondere der US-Nachrichtendienste nicht stören. Denke an Deine Zukunft und die Deiner Familie. Du bist ohnehin schon ein “target of high interest”.
PS: Das hier ist ernstgemeint.
Bitterernst, keine Frage. Und es fügt sich alles so wunderbar ein in den Totalitarismus der Postdemokratie. Man kann es kaum treffender formulieren als – mal wieder, immer wieder – Georg Seeßlen:
Das Geheimnis der Verwandlung von Demokratie in Postdemokratie liegt darin, dass viele Menschen davon profitieren.
Die Verwandlung ist so weit fortgeschritten, dass jemand, der sich ihr entgegensetzt, bereits seine soziale Existenz riskieren muss.
Sein Fazit ist wenig aufmunternd:
An die Stelle der rebellischen Aufklärung ist eine ironische Abklärung getreten. Man arrangiert sich mit Verhältnissen, deren Schwächen man erkennt, und deren Widersprüche schon als Lebendigkeit missverstanden werden. Man sagt „gemach“, und grinst „Früher war alles besser“, und links und rechts lauern „Verschwörungstheorie“ und „Kulturpessimismus“. Welcher kritische Geist getraut sich noch die verbliebenen Plätze der freien Rede mit den Worten zu betreten: „Die Zeit drängt“. Wir leben nicht in der versprochenen besten aller Welten sondern in ihrem Gegenteil. Es haben sich Kräfte verschworen gegen die Freiheit, die Menschlichkeit und die Veränderung der Verhältnisse. Und es gibt Gründe, nicht sehr optimistisch die Kultur zu betrachten, die sich diese Kräfte noch leisten.
Wir müssen uns wohl, pathetisch gesprochen, die kritische Vernunft als eingekerkerte vorstellen. Wir müssen Briefe aus dem Gefängnis schreiben.
Und sonst so? Wo ich mich eh schon aufrege: Die Gentrifizierung geht natürlich ungehemmt weiter, mit handfesten Auseinandersetzungen unter und gegen die Zugezogenen. Die letzten drei Samstage, an denen ich wie fast immer in einer Kaschemme nahe des Görlis einkehrte, empfing mich an ebendiesem Bahnhof jeweils eine veritable Schlägerei. Es wird härter. Die Probleme bleiben, verstärken sich; betroffen sind wir alle. Und dazu kommen die üblichen Verrückten in dieser (immer noch tollen) Stadt. Trotzdem wäre es mal wieder an der Zeit – gerade bei dem Angebot – sich ausführlicher und tiefer mit dem Thema zu befassen. Aber erstmal ist genug aufgeregt, manchmal sollte man den Rat alter, weiser Männer annehmen:
PS. bzw. Update: Da ist man mal ein paar Stunden draussen, um das Mütchen zu kühlen und die Sonne zu grüssen etc., und schon verpasst man, dass auch andere, hier speziell fefe, sich heute schön in Rage geredet haben. Ich hegte ja schon immer den Verdacht, dass es reicht, ein paar Tage fefe zu lesen, und man verliert jeglichen Glauben. Es reichen die Posts von einem Tag, wie sich heute herausstellte.
Hätte ich heute morgen nicht so unter Zeitdruck & im Affekt geschrieben, wäre mir bei meiner Aufzählung Jens Weinreich bestimmt nicht durch die Lappen gegangen; sicher ein im mehrfachen Sinne unbequemer Geist, trotzdem hatte seine Kündigung beim DLF ein Geschmäckle. Oder die kürzlich veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen, über die sich just heute (also heute veröffentlicht) Daniel mit Markus Beckedahl von dem linksextremistischen [(c) Focus] Blog netzpolitik.org unterhielt.
Jetzt ist hier aber erst mal Schluss mit Politik. Hoffentlich. Feierabend. Wochenende.
Randnotiz: Man kann gar nicht so viel fressen…
(Kategorie Koinzidenz)
Eben höre ich auf DLF:
„Bundespräsident Gauck besucht zur Stunde syrische Flüchtlinge im niedersächsischen Grenzdurchgangslager Friedland. In Gesprächen will er sich über die Lebenssituation der Menschen aus dem Bürgerkriegsland informieren.“
Keine fünf Minuten vorher las ich beim ndr (via che):
„Und auch der deutsche Geheimdienst hat hier ein Büro. Genauer, die „Hauptstelle für Befragungswesen“ (HBW), eine Einrichtung, die eng mit dem Bundesnachrichtendienst zusammenarbeitet und direkt dem Kanzleramt unterstellt ist. In Keller von Haus 16 befragt die HBW Flüchtlinge und Asylbewerber aus Afghanistan, Syrien oder Somalia – und teilt die Informationen dann mit den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens. Die lassen die Informationen in die Planungen militärischer Operationen einfließen.“
Nun, Gauck wird seine Gespräche wahrscheinlich nicht im Keller von Haus 16 führen, zu schlechtes Licht für die Kameras. Und über die Gespräche der anderen dort wird unser Bundespräsident wohl kein Wort verlieren.
Nur soviel zum Tod von Hildebrandt: Die eine Nachricht wird Stunde für Stunde im Staatsrundfunk gesendet, die andere auf einem Regionalsender um kurz vor elf versendet. Menschen werden durch die Städte, Dörfer und Medien gejagt, weil sie nicht „hier her passen“. Ich fürchte, es bräuchte dutzende Hildebrandts, die allesamt noch dutzende Jahren lebten und schafften, um die Dummheit und Ignoranz hierzulande auf ein erträgliches Maß zu senken. Stattdessen wird bei der Tagesschau-Meldung oder folgenden Spezial-Sendungen zu seinem Ableben kurz geseufzt – „wieder einer von den guten, so schade“ – und weiter gemacht.
Gedankensplitter
Muss man sich die Avantgarde, die Vorhut, die, die voranschreiten und neue Gedankenwege als erste betreten, nicht als unglücklich, verzweifelt und resigniert vorstellen? (Eine kleine Camus-Referenz in diesen Tagen, da kommt man nicht drum rum.)
Die Revolutionäre in der DDR, die teils seit Jahren vielleicht nicht Leib und Leben, aber doch ihre Freiheit riskierten (für die sie stritten, weil sie ihnen viel zu kümmerlich war), wurden innerhalb von Wochen übertönt von denen, die nur schnell Geld wollten, um schnelles Geld zu machen.
Die Pioniere und Visionäre des Netzes, die teils seit Jahren und Jahrzenten die utopischen Potentiale dieses Mediums erkunden und vorantreiben, werden immer wieder in die anarchistische Schmuddelecke gestellt, damit im Netz – wie schon immer bei der Landnahme des Kapitalismus und seiner vorherigen Inkarnationen – für ein paar Glasperlen zukunftsträchtige Märkte etabliert werden können.
Die Foucault-und Derrida-Jünger der 80er und 90er Jahre, die sich ja selbst auch vielen Anfeindungen ausgesetzt sahen, müssen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen (heute heisst das wohl: Sich die Hand ins Gesicht drücken aka Fazialpalmierung), wenn sie sehen, mit welcher Begeisterung die Bachelorstudenten von heute ihre Subjektivierung vorantreiben und die Entgrenzung von dem, was sie Arbeit nennen, als moderne Errungenschaft preisen, dabei hat sich die Ausbeutung einfach nur neu in Schale geschmissen.
Diejenigen, die seit Jahren die Abschaffung von Geheimdiensten bzw. die Beschneidung ihrer Allmacht fordern müssten sich hysterisch lachend vom Merkel-Handygate abwenden. Wenn man Zeit nicht als linear betrachtet und sich ein wenig auf die Erkenntnisse der Astrophysik einlässt; wenn gleichförmige Ereignisse unterschiedlicher Epochen in dieser alternativen Zeitleiste wirklich parallel passieren; wenn Zukunft und Vergangenheit sich wechselseitig bedingen oder gleichzeitig passieren, zukünftiges Handeln gar Entscheidungen in der Vergangenheit beeinflussen: Wie weit weg sind wir von Moskau 1937 („Wyschinski ist ein großer Erzähler und Regisseur von Kriminalfällen. Ihm steht die grenzenlose Phantasie eines Verschwörungstheoretikers zur Verfügung, aber auch der ganze Apparat des NKWD, dessen Verhör- und Folterspezialisten in der Lage sind, Geschichten, Lebensläufe, Ereignisse, Verknüpfungen ad libitum zu produzieren.“ S.107)? Der eine Teil des Apparats jagt unliebsam gewordene Angehörige desselben, wenn es sein muss, rund um die Welt.
Und denen, die heute daran erinnern, dass Mitbürger ausgegrenzt, stigmatisiert, enteignet, dehumanisiert und letztlich vernichtet wurden, bleibt denen nicht jeder Bissen ihres Zigeunerschnitzels im Halse stecken angesichts des Parasiten– und Sozialschmarotzer-Gewäschs, was ständig in unzähligen Kommentarspalten abgesondert wird?
Wie ich drauf komme? Ich war einfach wahnsinnig begeistert vom Einstiegssatz zu Georg Seeßlens Essay „Weitere Notizen zum Sterben der Demokratie“:
Demokratie, im Idealfall, ist die zivilisierteste, freundlichste und vielleicht auch „kreativste“ Form des Bürgerkriegs. Sie bedeutet unentwegten Streit, und wenn es gut geht, dann ist es „offener Streit“. Die Gesellschaft, die sich Demokratie leisten will, muss gelernt haben, mit dauerndem, offenen Streit zu leben, und in gewisser Weise auch Gefallen und Nutzen davon zu tragen, auch und gerade eingedenk der Tatsache, dass dieser Streit weder garantiert, immer zu den besten Ergebnissen zu führen, noch eines Tages wirklich „beigelegt“ zu werden.
Vor zwanzig Minuten hatte ich noch eine Idee, wie ich diesen Splitter mit einem leichtfüssigen Beispiel etwas aufheiternd abschliessen kann, damit er nicht so schwer im Magen liegt. Ist mir leider zwischenzeitlich entfallen.
Doch, doch…
… ich bin noch da, auch wenn die dank des Kiezneurotikers hier Gelandeten einen gewissen Stillstand verspüren mögen. Es ist sogar ein etwas längerer Beitrag in Arbeit, der in der nächsten Zeit wohl seinen Weg auf diese Seite finden wird. Ein Hauptgrund für meinen Blog-Neustart war, dass ich nicht mehr so wütend gegen dieses charaktermaskendurchsetzte Polittheater anschreiben wollte, weil mich (und viele andere scheinbar auch, das lese ich in letzter Zeit oft) das nur noch frustierte. Sondern eher wieder persönlichere Geschichten, natürlich voll aus der Deckung der Anonymität heraus und mit bedeutungsschwangerem Anspruch an das Große Ganze. Hat bisher super geklappt, schon klar.
Genau deswegen verkneife ich mir zur aktuellpolitischen Gesamtsituation sämtliches „Hab ich doch schon tausendmal geschrieben und schreib’s halt jetzt nochmal“-Rumgeheule, nur soviel sei mir gestattet: Albrecht Müller von den Nachdenkseiten stellt mit einer bravourös gewählten Überschrift eine Frage, die als Artikel eigentlich nur zwei Buchstaben mit einem darauf folgenden Ausrufezeichen benötigt: Sind wir schon so verblödet, dass wir uns erst dann aufregen, wenn Frau Merkel von den US-Diensten abgehört wird? Auch Fefe dreht angesichts der Absurdität der ganzen Veranstaltung frei, Stichwort Spezialdemokraten:
Schmerz lass nach! Das bescheuertste Statement des Tages kommt von der Verräterpartei. Achtung, festhalten:
„Wer die Kanzlerin abhört, der hört auch die Bürger ab“
IHR PFEIFEN! Wir WISSEN schon, dass die uns alle abhören! Nur dass sie auch die Merkel mit ihrem angeblichen Hochsicherheitstelefon abhören, das wussten wir noch nicht. Mann Mann Mann. DAS IST DOCH GERADE DIE IRONIE AN DER SITUATION JETZT!
Wird es irgendetwas nützen? Nein. Es wird sich schon ein Krieg, ein spektakulärer Bruch der Koalitionsverhandlungen oder eine Wirtschaftskrise finden, und plötzlich haben alle die ganze Sache ganz schnell wieder vergessen bzw. zu den Akten gelegt. Zur Not werden halt ein paar riots gegen Minderheiten inszeniert, da haben vor allem die Geheimdienstler Erfahrung drin, und die haben ja einiges gutzumachen.
Wie das mit dem Vergessen funktioniert, sieht man gut an Thomas de Maiziere. Der durfte im Morgenmagazin die übliche Bundeswehrpropaganda verkünden und seinen Senf zum abgehörten Merkelhandy dazu geben, ohne sich peinlichen Fragen zu Panzer-, Drohnen- oder Sturmgewehrpannen stellen zu müssen. Dabei hatte Merkel dem schon vor 5 Monaten ihr Vertrauen ausgesprochen, der hält sich richtig gut. Was er im Interview nochmal unterstrich mit dem dezenten Hinweis, er sei ja auch schon Kanzleramtsminister und Innenminister gewesen, also Top-Ziel, um abgehört zu werden. Und eben immer noch im Amt, wohl auch demnächst wieder, egal in welchem.
Und nu?
So schlecht lag ich mit meiner realistischen Prognose also gar nicht: CDU über 40%, SPD hat sich kaum gesteigert, Grüne und Linke gleichauf und einstellig, AfD knapp nicht drin, FDP nicht ganz so knapp nicht drin. So weit, so schlecht.
Da es für eine absolute Mehrheit bei der Union auch knapp nicht reicht, stellt sich die Frage, wer die Umfaller-Rolle der FDP übernimmt, ich tippe auf die SPD. Dass die versprengte Truppe von Rösler und Brüderle achtkantig rausgeflogen ist, ist die einzige positive Botschaft dieser Wahl. Trotzdem schliesse ich mich der Meinung von Michael Schmalenstroer und Stefan Niggemeier an, dass es nun an der Zeit ist, über die Fünf-Prozent-Hürde nachzudenken (wenn einem der Sinn nach Reförmchen steht statt nach grundlegenden Veränderungen).
Die Stimmen der Liberalen – was früher ja einmal für eine ernstzunehmende politische Strömung stand, denen es nicht nur um den freien Markt, sondern auch um Bürgerrechte ging – haben sich auf FDP, AfD und Piraten verteilt (ein wenig wohl auch an die Grünen, CDU und SPD). Die AfD erlebte ihren Piraten-Abgeordnetenhauswahl-Moment, die Piraten ein Desaster. Dieses wird auch der AfD nicht erspart bleiben, aber mit dem beachtlichen (wenn auch vorhersehbaren)Wahlergebnis von knapp unter 5 % ist die Bundesrepublik in der kontinentaleuropäischen Normalität mit populistischen nationalliberalen Kleinparteien angekommen.
Wer auch immer mit Merkel regiert, wird verlieren. Die Sozen werden nicht den Arsch in der Hose haben, die Koalition zu verweigern und statt dessen eine Opposition zusammen mit Links gegen Schwarz-Grün auf die Beine zu stellen. Ist schliesslich – um schon mal eine Floskel vorwegzunehmen – ein ernster Auftrag in diesen Zeiten, da braucht man eine stabile Regierung, gerade als so starker Faktor in Europa, Dienst am Vaterland, da kennt man keine Parteien mehr usw.
Und all die progressiven Netzvollschreiber, Vordenker und hippen Berufsjugendlichen mit apple-Vollausstattung haben es gerade mal geschafft, die Piraten nicht ganz untergehen zu lassen. Trotzdem sind deren 2,2 % eine Katastrophe für all jene, die meinten, dass ihre Filterblase irgendeine Relevanz in der realen Welt hätte. Schirrmachers Feuilleton-Brigade, um es mal so auszudrücken, ist eben nur eine possierliche Marginalie für den Sonntagsnachmittagstee, regiert wird weiterhin mit (und durch) Bild und BamS.
Also eine weitere grosse Koalition. Das lässt wenigstens auf eine wachsende APO hoffen, ein klitzekleines Bisschen.
Übrigens: Cajus Julius Caesar (natürlich CDU) wurde auch in den Bundestag gewählt und kann dort ohne den Umweg über Nachrückerplätze einmarschieren. O tempora…
Schnipsel zum Wochenende
Der Steinbrück-Erpresser, falls sich wer erinnert, stellte sich ja als Ex-Postvorstand heraus. Schon allein das ist natürlich ein Brüller: Ein ehemaliger McKinseyaner und als Vorstand eines der größten deutschen Unternehmen praktizierender Kapitalist erpresst den Finanz-Zampano der SPD, und zwar mit angeblicher Schwarzarbeit aka Steuer- und Abgabenhinterziehung. Allerdings: Das Sahnehäubchen ist sein Rechtfertigungsversuch. Er hatte sich geärgert über Steinbrück, hat sich die Wut vom Herzen geschrieben und wollte es dabei bewenden lassen. Dann ist der Brief aber irgendwie, vollkommen zufällig und unabsichtlich, in die Post geraten. Sagt der ehemalige Postvorstand. Glaub ich sofort, keine Fragen mehr.
Wovon man ja auch viel zu wenig hört – das bemerkte irgendwer aus meinem rss-feed heute morge zu recht – ist dieser zugedröhnte Typ, der mit sich und seinen Halluzinationen vier Stunden lang im Regierungsflieger ungestört Party machen konnte. Das ist doch der Terrormann [(c) flatter] schlechthin. Ich meine, das war nicht nur ein Flugzeug, sondern auch noch eins der Regierung! Wieso fordert da keiner mehr Videoüberwachung in Luftbereitschaftsmaschinen? Lückenlose Telefonüberwachung und Vorratsdatenspeicherung anyone? Nicht? Na gut…
Wählen? Pest und Cholera wären schön…
…aber wir haben nur die Wahl zwischen mehr als einem Dutzend alberner Parteien. „Was du auch wählst, es kommt immer >Deutschland< dabei raus“ heisst eine Veranstaltung, die der Stressfaktor für heute abend vorschlägt. Und genau so isses.
Der unsäglich-unfassbare Prolog, den die gestrige Bayernwahl geliefert hat, beweist doch den Unsinn dieser ganzen Veranstaltung. Von hundert Wahlberechtigten gingen 64 wählen. Von den 64 waren knapp unter die Hälfte, also sagen wir mal 31 30, so dämlich, die CSU zu wählen. Und 30 von Hundert – mal ganz abgesehen von denen, die nicht wählen dürfen, obwohl sie Jahrzehnte hier leben, egal ob wegen ihrer Herkunft oder ihres derzeitigen Aufenthaltsortes, Psychiatrie oder Knast beispielsweise – also 30 von Hundert wird jetzt von diesen Dobrindts und Seehofers und Aigners als Rückgewinnung der absolute Mehrheit gefeiert. Passt scho, wenigstens die FDP seid’s losgeworden. Der fällt grad eh nix G’scheites ein ausser „Künast sieht scheisse aus und will uns alles verbieten, rot-rot-grün, buhu!“ Tolle Demokratie!
Da hilft es auch nicht, dem ganzen ein politikwissenschaftlich-avantgardistisches „Post“ voranzustellen, das wirkte schon bei der Moderne und dem Strukturalismus allenfalls hilflos. Es ist mit der Verfasstheit unserer Verfassung in etwa so wie mit der Werbung – dem anderen (eigentlichen?) Übel dieser Zeit: Die Lasagne sieht nicht im entferntesten so aus wie das Bild auf der Packung, jeder weiss das, niemand regt sich auf. Und egal ob da jetzt Pferdefleisch drin ist oder NSA, war doch eh klar, hat doch jeder gewusst, irgendwie.
Wozu also bei diesem Theater mitmachen? Wenn jemand ernsthaft erwägen würde, diese ganze Geheimdienstgeschichte mal aufzulösen, im doppelten Sinne. Wenn dabei all der kranke Mist, der sich zwischen den gut gemeinten Fugen des Grundgesetzes festgesetzt hat, entsorgt werden würde. Wenn die Entscheidungsbefugnisse und die Systemrelevanz wieder dem eigentlichen Souverän zugestanden werden würde statt den Aufsichtsräten, Klüngelnetzwerken und kapitalistischen Verwertungsmaschinerien – dann vielleicht.
Aber solange die Staatsräson dadurch geschützt wird, dass von der Allgemeinheit bezahlte Verfassungsschützer ihre schützende Hand über all unsere Kommunikationskanäle halten, die sie sicherheitshalber stets im Blick haben, Grenzen hin oder her;
solange sie zu unser aller Sicherheit Nazi-Vereine wie den KKK, Nazimusiklabels und Naziterrorgruppen aufbauen, um sie bei Bedarf hochgehen zu lassen (gerade sind Nazis halt in, das ging und geht auch in die andere Richtung);
solange ein staatstragendes Gewese um Nationalitäten gemacht wird, anstatt sich endlich mal ernsthaft um einen Ausweichplaneten zu kümmern;
und solange „unsere“ Regierungen uns unsere Drogen verbieten, nur um ihr lukratives Schwarzmarktmonopol auf diesem Gebiet nicht auch noch an die menschenhandelnden Mafiarocker zu verlieren, die sich über ihre verbeamteten Handlanger sowieso schon kaputtlachen –
solange macht wählen gehen doch nun wirklich keinen Sinn, oder?
Wenn man also aufgrund dieser ganzen verlogenen Wahlmotivationswerbung in die Versuchung kommt, am nächsten Sonntag ein Kreuz zu machen, dann bitte wenigstens ein ganz großes, quer über den Wahlzettel, er ist groß genug. Und danach kann man sich dann mal ernsthaft Gedanken über eine neue APO machen, Zeit wird’s.
PS. Der ARD-Deutschland-Trend (sic!, siehe oben) sagt:
CDU 40%
SPD 28 %
Grüne 10 %
Linke 8%
FDP 5 %
Piraten 2,5%
AFD 2,5%
Ich sag – realistische Variante-
CDU 41%
SPD 27%
Grüne 8%
Linke 8%
FDP 4,9%
AfD 4,9%
Piraten 4,9 %
-wenigstens halbwegs spannende Variante, wenn auch unwahrscheinlich
CDU 38 %
SPD 26%
Grüne 10%
Linke 11%
FDP 2,9%
AfD 5 %
Piraten 5 %
Top, die Wette gilt! Oder es fällt vorher noch ein ordentlicher Meteorit vom Himmel und beendet dieses ganze irdische Trauerspiel. Wär mir lieber.