Natürlich war auch dieses wieder ein Scheissjahr, ist ja schliesslich auch eine Scheisswelt, wie soll das sonst auch anders sein?!
Doch während in der Welt da draussen der Wahnsinn heuer besonders brodelnd kochte, ging es bei mir sogar mit ihm. Klar, vieles ist liegen geblieben – & ich auch viel zu oft. Trotzdem: Hätte man mir vor einem Jahr gesagt “Du wirst umziehen, du wirst dieses und jenes und eine Weiterbildung machen, du wirst neue Freunde finden, beste sogar, du wirst lachen, dir wird nach weinen zumute sein, dein Hund wird sterben, du wirst dich ganz viel unter Menschen begeben, mit ihnen arbeiten und Spass haben, du wirst wieder in ein Kollektiv gehen, es wird ein Familiendrama geben, und dann ist auch schon wieder Weihnachten!” – Nichts davon hätte ich geglaubt, fast nichts, denn der Hund war wirklich alt.
So war es mir am letzten Mittwoch auch scheissegal, ob das nun der Tag war, an dem Beate Zschäpe ihr Schweigen brechen würde oder der Tag, an dem Angela Merkel zur Person of the year gewählt wurde – für mich war es der Tag, an dem die Chaussee der Enthusiasten ihre letzte Vorstellung gab. Die grossartig war. Neben den ganzen Erinnerungen an die gute, alte Lesebühnenzeit um die Jahrtausendwende herum, als alles noch in Butter war in meiner kleinen Welt und in der grossen drumherum Deutschland kaum Krieg führte, wurde beim Aftershowbier in der Baiz (2 Fliegen mit 1 Klappe, die neue Lage zahlt sich aus) noch fachkundig über die Unterschiede zwischen Nieder- und Obersorbisch geplänkelt.
Keine neue Liebe zwar, aber ein neues Leben, das schon irgendwie. Allerdings noch nicht sicher, wie ich mich in dieser Rolle fühle, ob all die Kontakte, all die sozialen Bindungen wirklich richtig sind für mich. Wie soll ich denn mit anderen klarkommen, wenn ich immer noch nicht genau weiss, wie ich mit mir überhaupt klarkomme? In den dunklen Momenten lache ich mich selbst hämisch aus für diese alberne Flucht unter Leute, das Stürzen ins Getümmel. Und da die Realität einen zweifelhaften Humor hat, bietet sie mir am Ende des Jahres auch noch einigen Grund dazu.
Vor all dem und nach der Chaussee der Enthusiasten – wenn schon mal Kultur, dann richtig – besuchte ich noch die Beckmann-Ausstellung und stellte mal wieder fest, dass ich viel zu selten Kunst anschauen gehe. Schon mal ein lächerlicher Vorsatz mehr fürs nächste Jahr. Es folgten einige Zeiteinheiten, die mit Tagen nur unzureichend beschrieben wären, die ineinander übergingen, kurze Unterbrechungen und Ortswechsel beinhalteten, wiederkehrende Elemente und Momente ebenso, aber ansonsten bar jeglicher klassischer Zeiteinteilung waren. Und Drogen hatten da nicht viel, nicht mehr als sonst mit zu tun – ein brennendroter Sonnenaufgang über Kreuzberg berauschte mich um einiges mehr, beispielsweise.