So wenig Sommerloch war selten…

…oder bekomme ich das nur nicht mehr mit? Seeungeheuer, dackelfressende Welse und Killerschildkröten haben es schwer, wenn Kriege toben. Trotzdem, oder gerade deswegen, schliesse ich mich dem Mainstream an und mache eine (kleine?) Pause, falls sich wer fragte. Urlaub? Hahaha!

Wo Wahnsinn und Waffen so laut sprechen, sind schwer Worte und Gedanken zu finden und zu ordnen. Und überhaupt. Hier, ein Fahrrad an einer Wand: An einer rotgestrichenen Mauer hängt in halber Höhe ein Damenfahrrad mit gefüllten Körben vor dem Lenker und auf dem Gepäckträger

Gehabt euch wohl, bleibt am Leben, geniesst den Sommer.

Gefiedertes und andere Bilder

Mal wieder einen Film abgeholt. Die Überraschung: Ich habe kein einziges Hundebild geschossen. Das ist neu.

Auf einer Backstein-Hausmauer (Gebäude auf dem Bahnsteig S-Bhf. Tempelhof) steht der Schriftzug "Rache", aufgetragen mittels Säuberung oder Aussparung der betreffenden Stellen wie es scheintRache, okay. Aber wofür? Interessante Technik, btw.

Wandgemälde Berlin Kreuzberg, Ritterstrasse: Obama, Merkel und Putin, grellbunt dargestellt in Form der drei Affen, die nichts sehen (Obama), nichts sagen (Merkel) und nichts hören (Putin)Merkel, schon mal hinter Schattengittern.

Ein asugebranntes Moped, verkohlte Reste der Verkleidung und Absperr-Flatterband drum herumFahrräder brennen nicht. Mopeds schon.

Sitzfigur Klio, Ferdinand Hartzer, Mehringplatz Berlin, die Figur ist von einem Baugerüst eingefasstGeschütztes Lesen

Ein schief aufgenommenes Bild eines Reihers, der auf einer Boje im Landwehrkanal sitztGanz schön schräg: Reiher auf Boje

Ein Reiher sitzt im Regen auf einem Pfosten im LandwehrkanalGanz schön mürrisch: Reiher im Regen

Ein Rabe sitzt auf dem Dach eines Flosses, das am Ufer des Landwehrkanals vertäut istRabe auf einem Floss

Ein Rabe sitzt auf der Schulter eines Denkmals (Rückansicht) einer männlichen PersonRabe auf einer Schulter

Ein Baumstamm (Buche), an dem alte Schnitzereien zu erkennen sind: Eine Signatur Ah und die Zahl 60 sowie ein HakenkreuzNazi-Schnitzerei auf Buche, ca. 1960er Jahre, Ausstellungsort Grunewald

Hinterm Zaun

An der Rückseite des Prinzenbads, zum Kanal hin, stehen zwei kleine Jungs und wollen ihren scheinbar frisch erworbenen Wortschatz praktisch anwenden. Jeden Tag was Neues, denk ich mir, gestern sind an der gleichen Stellen zwei über den Zaun geklettert. Die waren allerdings ein paar Jährchen älter. Deswegen wurden sie bei ihrer Ankunft auch gleich von Bahars und Lisas umschwärmt, die aber erstmal zum Mische holen geschickt wurden, weil Ali der Spast schon wieder alles weggeraucht hat.

Das einzige, was jeden Tag gleich bleibt, seit es so eine Hitze ist, sind die viertelstündlichen, genervten Durchsagen, dass das Reinschubsen und vom Rand Springen aus Unfallschutzgründen nicht gestattet ist.

Heute also das Ganze in jünger, ohne Mädchenschwarm drumherum, die sind wahrscheinlich noch eklig in dem Alter. Aber sie arbeiten schon mal an ihrem Vokabular, immerhin:

– Hat der einen Penis? Fragt der Mutigere von den Beiden.

Ich war übrigens mit dem Hund unterwegs. Deswegen – das konnte man ihnen an den verschwitzten Nasenspitzen ansehen – waren sie auch ganz froh, auf der anderen Seite des Zauns zu stehen.

– Nein, das ist ein Mädchen. Antworte ich belustigt im Vorbeigehen.

– Dann hat sie eine Muschi! Der Kleine strahlt stolz übers ganze Gesicht ob seiner Erkenntnis, der Grössere kichert sich Einen.

– Genau, gut kombiniert! Lobe ich ihn. Die Köpfe der beiden sind inzwischen so rot, wie es meine Balkontomaten wohl nie sein werden.

Prinzenbad. Der Bademeister meinte noch Die Olsenbande da hinten links kann mal bitte ganz schnell nach vorne kommen, der Hund stolperte fast über die Zunge und als wir um die Ecke rum waren musste ich immer noch grinsen.

Was die Hitze so ausgebrütet hat

Ick heul‘ ja immer rum, dass es viel zu viel zu lesen gibt. Deswegen wird es wohl mal wieder Zeit, diese Aussage auch theoretisch zu untermauern. Ich weiss noch nicht genau, wo dieser Text hier hinführen wird, ob ich noch zu den Grundsätzlichkeiten komme, die schon seit einer Weile danach verlangen, besprochen zu werden  – jedenfalls an dieser Stelle ein kleiner Blick hinter die Kulissen des Blogs hier: Wie solche Linklisten entstehen.

Nachdem ich mit dem Lesen im Internet angefangen hatte, bemerkte ich recht schnell, dass das ewige „all die markierten tollen Blogs aufrufen, könnte ja was neues dort zu lesen sein“-Manöver sowohl die alte Kiste als auch meine Nerven arg strapazierte. Zum Glück entdeckte ich kurz darauf die rss-feed-option, macht mich schlau, was das denn sei und integrierte meine Bloglektüre erst einmal in das E-Mail-Programm: Wenn sowieso beides Teil meiner morgendlichen Routine ist, was wäre da besser, als zwei Fliegen mit einer Klappe, und so weiter?

Einiges, wie sich bald herausstellte. Denn auch das zum Feedreader hochgepushte Thunderbird trieb die alte Kiste  weit über die Belastungsgrenze. Da ich mich zu dieser Zeit aus anderen Gründen zu einem Google-Account überreden liess, schaute ich mir den dort angebotenen Feedreader etwas näher an – und war dann eine ganze Weile damit sehr glücklich, bis die Oberen aus California sich dachten: Nö, woll’n wir nich mehr.

Also hiess es, sich nach einem neuen Programm umzuschauen. Ich bin generell eher ein genügsamer Mensch, deshalb war ich schon mit dem zweiten getesteten Reader zufrieden (falls es wen interessiert: rssowl). Er kommt gut klar mit den circa  350 abonnierten Feeds – ich allerdings immer weniger, schon allein deswegen, weil es kontinuierlich mehr werden. Auch wegen Linksammlungen wie dieser hier, bloss eben woanders: Beim Kiezneurotiker, bei der Ennomane,  jeden Morgen bei too much information (nomen est omen) etc pp. Dabei lasse ich sogar ganze Kategorien, wie z.B. food- oder fashion-blogs, aussen vor. Dass ich inzwischen beispielsweise die tägliche Presseschau der enttäuschten Willy-Wähler von den Nachdenkseiten so gut wie immer ungelesen wegscrolle, ist da auch nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Mittlerweile hat sich eine Routine eingestellt, die nicht weit von der oben beschriebenen Anfangssituation entfernt ist: Kurze Texte sowie nicht allzu lange Beiträge meiner Lieblingsblogs überfliege ich im Reader. Längere oder graphisch aufwändigere Sachen schau ich mir im Original, sprich im Browser, an. Anschauen, nicht lesen, meistens. Denn die verfügbare Zeit ist schon verronnen, wenn ich mir nur den kurzen Überblick am Morgen verschaffe: Die zwei bis drei Stunden Lektüre, die früher, als die Menschen noch Briefe mit der Hand schrieben,  für diverse Wochen- und Tageszeitungen draufgingen. Die langen Texte werden also erst mal wieder als Favoriten markiert, um sie später zu lesen. Wobei sich logischerweise einiges anhäuft, so dass sowohl die Kiste („Das Öffnen von so vielen Tabs könnte kritisch werden, mein Freund! Hast du auch wirklich alles gespeichert in den ganzen anderen offenen Programmen? Wäre doch eine Schande, wenn…“) als auch ich (Och nö, das sind ja schon wieder dreissig ellenlange Texte, schaff ich jetzt eh nicht zu lesen…) langsam wieder an unsere Grenzen kommen.

Falls ich es dann aber mal schaffe, die Unsortierte-Lesezeichen-Liste ansatzweise abzuarbeiten, füllt sich der Gelesene-Texte-Lesezeichen-Ordner. Der, in dem die Sachen lagern, die später mal in einer Linksammlung verwurstet werden könnten. Womit wir beim Hier und Jetzt angekommen sind.

Allerdings: Wer weiss das schon genau, das mit dem Hier und Jetzt? Zeit ist ja, selbst ohne psychoaktive Substanzen, ein durchaus dehnbarer Begriff. Schwer zu fassen. Gerne wird von den Zeichen der Zeit gesprochen, und damit meist nichts Gutes gemeint. Bei näherer Betrachtung fällt dann aber recht schnell auf, dass die Zeiten sich vielleicht ändern, die Menschen hingegegen – nun ja, eher weniger. Dafür konstruieren sie sich mit Vorliebe Geschichtsbilder, die gerade in de Kram passen. Natürlich: Geschichte wird gemacht (voran geht es dadurch noch lange nicht) –  deshalb heissen Fakten (vulgo: Tat-Sachen) ja auch so,  wie sie heissen.

Doch bevor das hier zu weit abdriftet, zurück zum Konkreten – wie Geschichte gemacht wird: Wie zwei Bösewichte über das too much des Bösen argumentierten (wenn man solche Kategorien mag). Wie es einem geht, wenn man erst das Kriegsrecht verhängt und auf einmal zu einer tragenden Rolle im friedlichen Wandel gedrängt wird. Ob so etwas Hoffnung geben kann, sagen wir mal angesichts heutiger Politiker? Die offen ihre Starrköpfigkeit bekennen, egal wieviele Menschenleben das kostete, kostet und kosten wird? Nur, weil es ab und an einen vermeintlichen, winzigen Lichtblick gibt?

Wirklich einfache Erklärungen greifen leider meist zu kurz. Das, was der che zum neuen Krieg in Nahost schreibt, dem Schlimmsten seit langem, würde ich trotzdem so unterschreiben. Dessen ungeachtet: Da ist Krieg, verdammt noch mal! Da sterben täglich Menschen, da fliehen täglich Menschen, weil ihre Existenz zerstört wird. Und etwas weiter nördlich ebenso. Wobei bei der mörderischen Durchsetzung des Islamischen Staates in der Levante mal wieder die Hinfälligkeit von künstlichen Grenzen klar aufgezeigt wird. Noch ein Stück weiter Richtung Nord-Nordwest wurde der Beweis ja längt erbracht: Oder besteht irgendwo begründete Hoffnung, dass die Krim an die Ukraine zurückgeht? Spricht da noch wer drüber? Stattdessen werden mitten in Europa Zivilflugzeuge vom Himmel geschossen (Der kleine Historiker in mir fragt sich, wann es so etwas das letzte Mal in Europa gab – und brauchte einen Moment, um auf Lockerbie zu kommen. Die Qualität ist aber doch eine andere, meint er.): Keiner will es gewesen sein, alle wissen aber, wer es wie mit wessen Hilfe tat. Passt ja ganz gut, so kann in der Presse von der Fussball-Kampf-Rhetorik ganz einfach auf Kriegsrhetorik umgestellt werden. Wenn man sich die Gesamtlage so anschaut, gab es in den letzten 30, 40 Jahre je mehr Instabilität um uns herum?

Nun ist – zugegeben und trotz verlogener EU-Jubiläumsbekundungen – der letzte Krieg in Europa noch gar nicht so lange her. Also sollte man wissen, wie Scheisse das ist. Oder mal einen Nachbarn fragen, einen von denen, die in Jugoslawien geboren sind, die dann aus Serbien, Kroatien oder Bosnien fliehen mussten und hier hofften, in Ruhe und Frieden leben zu können. Was ja oft klappte. Einfach mal nachlesen, wie die sich so kurz nach dem Krieg fühlten,   in Sarajewo zum Beispiel. Oder man geht einfach raus, ein paar Schritte nur – und es könnte passieren, dass man beim Kaffee im Cafe Kotti in eine Sitzung des Iranischen Exilparlaments gerät. Wie ein geflüchteter jüdischer Iraner in einem linken israelischen Onlinemagazin schreibt. Verwirrende und doch grossartige Vielfalt, gleich vor der Haustür. Doch längst nicht alle haben das Glück, hier anzukommen. Zehn Prozent gehen wohl bei den Überfahrten auf den Seelenverkäufern im Mittelmeer drauf, ich hätte mit mehr gerechnet. Allerdings: Die Gefahr ist nicht nur die Passage, sondern natürlich auch der Weg dort hin, zum Hafen, zum Schiff. Nicht zu vergessen: Das ist reinste (gehobene) Mittelschicht – die Armen können sich eine Flucht schlicht nicht leisten, das war auch schon immer so.

Wer es dann trotz aller Widrigkeiten schaffte, sich hier sogar eine Existenz aufbaute und es zu einiger Berühmt- und Beliebtheit brachte, der ist noch lange nicht in Sicherheit. Selbst mit einer Heirat nicht, wenn da Bürokraten ihre Zweifel hegen.

Der Tod. Da wird es persönlich, da geht es ans Eingemachte. Gut, wenn man sich z.B. schon zur Halbzeit mal Gedanken drüber macht. Selbst, wenn die Umstände denkbar schlecht sind, kann das zum denkbar besten Ergebnis führen. Man könnte es auch Neuanfang nennen, und – schliesslich läuft gerade die Tour de France – mit Neuanfängen, Todeskampf und Grenzgängen kennen sich wenige so gut aus wie Lance Armstrong. Andererseits: Es ist ja auch nicht so, dass die Gedanken, die man sich so über das Leben macht, immer die erfreulichsten sind. Manchmal sind auch die erschreckend, und manchmal schreibt Frau Bukowsky da ganz wunderbar drüber. Womit eine wunderbare Überleitung aus eher düsteren Gefilden gebaut ist: Am Rande sei nämlich noch hemmungslos auf eine lohnenswerte Lesung im sowieso lohnenswerten Hamburg hingewiesen.

Davon kann auch Thorge erzählen, von den schönen Seiten Hamburgs. Und es kommt nur ein bisschen Fussball vor, im Gegensatz zu diesem famosen Glumm-Text. Berlin, nicht zu vergessen, mit all seiner Liebenswürdigkeit. Für die der Kiezneurotiker immer die passenden Worte findet. Schick isset hier. So wie in New York (Rio, Tokio) auch. Es geht um die Stadt, und um die Geschichten, ihre, unsere.  Und bevor es zu pathetisch wird, geht das Schlusswort an Douglas Adams, mit einer wahren Geschichte.

PS. Sommerurlaubsvorschlag: Auf dem Anwesen des Chateau de Clermont nahe Nantes gibt es nicht nur schnieke Luxusappartements, sondern auch ein Louis de Funes-Museum. Nein! D…

(Die Grundsätzlichkeiten fehlen natürlich noch, und so vieles anderes hat sich inzwischen wieder aufgetürmt. Aber der Text liegt einfach schon zu lange hier rum, der muss raus. Nicht, dass der noch anfängt zu müffeln, bei dem Wetter…)

Nachtrag: Der kleine Historiker hat eine interessante Liste bei Wikipedia gefunden. Zitat:  4. Oktober 2001 –  Sibir-Flug 1812: Während einer Übung der ukrainischen Marine wurde eine Zieldrohne irrtümlich mit zwei Boden-Luft-Raketen beschossen. Nachdem die Zieldrohne von der ersten Rakete zerstört wurde, suchte sich die zweite Rakete selbständig ein neues Ziel und traf eine russische Passagiermaschine.

 

Kein Glück gehabt

I wish you could read this, Joe: about a
tough guy and
another guy
who just thought he was
tough.

Charles Bukowski: Joe. Gargoyle #35

 

So verabschiedete sich der Erste von links vom Ersten von rechts. Gegen einen Truck hat niemand eine Chance, schrieb er auch noch.

Bukowski und Fauser trinken einen an der Flughafenbar
Das war’s dann auch erst mal wieder zu diesem Thema. Ist halt blöd, wenn Geburts- und Todestage so eng beieinander liegen…

Glück gehabt

27.04.14

Mein Hund hat schon auf diese Wiese
geschissen,
als die Stadt die Steppe dahinter
noch nicht mal als Bauland
deklariert hatte.

 

Und jetzt stehst du da
in deinem millimetergrünen Vorgarten
mit nichts weiter drin
als den Grashalmsoldaten
und einem Trampolin,
für die Kinder – aber nicht zu laut!

 

Und willst mir irgendwas von
Kacktüten erzählen?!

 

Über so einen Wichser wie dich
hätte ich eigentlich jetzt in der S-Bahn
gut ein wütendes Gedicht schreiben können:
Da hast du also ganz schön Glück gehabt,
dass ich, um in Fahrt zu kommen
noch kurz den Fauser aufgeschlagen habe.

 

Blues für Blondinen:
Fünf Deutsche Mark, Ullstein Buch, populäre Kultur,
Mai 1984.
Aus den Kisten vor der Humboldt-Uni,
vor circa 15 Jahren gekauft
und locker drei Mal gelesen.
Alles bekannt, alles gut, so weit (ich mich erinnere).

 

Und dann dankt man auf der ersten Seite,
ab den ersten Zeilen von Blumen für die Mauer
seinem Kiffergedächtnis oder wem auch immer,
dafür, dass der Fauser einen immer wieder
so umhaut.

 

Da hast du also ganz schön Glück gehabt,
und ich eine Extrarunde auf dem Ring.

 

 

***

…aber ich bin kein netter Mensch, sondern Schriftsteller, einer der Dunkelmänner also, die beim ältesten Verfassungsschutz der Welt angestellt sind, beim Verfassungsschutz für Sprache und für Zweifel. Und natürlich: Ich bin kein Berliner. (ib.)

 

Dialog, während sich die Wellen langsam wieder glätten

Ach ja, wir haben uns ja noch gar nicht gesehen. ‚Schlaand und so… Begrüsste mich der Dicke beim Getränkemarkt. Wir hatten es beide befürchtet, am Freitag.

Während er das Leergut wegsortierte, nach diesem historischen Wochenende, präzisierte er seinen Standpunkt: Ist ja alles schön und gut, jetzt haben sie ihren Titel, von mir aus auch verdient. Aber dieses ganze Geschminke und Gegröle und die Fahnen überall, damit können die ja nun langsam mal aufhören.

Ganz meine Meinung, also pflichtete ich ihm bei: Stimmt schon. Aber ich habe vorhin gesehen, dass die Franzosen immer noch Militärparaden abhalten zu ihrem Nationalfeiertag. Das ist ja auch schon krass. Stell dir das hier mal vor, Militärparade zum 3. Oktober….

Er war nicht ganz überzeugt: Ach, das nennen die nur anders. Schützenumzug oder so. Geh mal zur Fanmeile, das ist keine Militärparade, das ist schon Krieg!

 

(Link zum Thema: Maybe not the greatest song text in the world, but a stunning tribute)

 

Was man so sagen könnte

03/06/14

 

Gerade kriecht die Gentrifizierung bei mir um die Strassenecke,
könnte man so sagen.
Oder man könnte sagen,
da werden ein paar neue Läden aufgemacht,
schick mit prächtigen Blumen in den Schaufenstern
und Flachbildschirmen an der Decke.

 

Dort wo früher ein paar alte Läden waren,
und dann gar nichts,
und dann Baugerüste.

 

„Hier bist du sicher.“ Meinte einer,
der schon lange im Wedding wohnt.
Hochbahn, keine Entwicklungsmöglichkeiten,
wenigstens im Umkreis von drei Querstrassen.

 

Und dann kommen eben diese Läden mit den
viel zu üppigen Blumensträußen im Fenster
um die Ecke gekrochen.
Und scheren sich einen Scheiss drum,
was Leute aus dem Wedding sagen.

Kick it!

19.07.02

Eigentlich bin ich gar nicht so schlecht im Kickern, ehrlich, das ist jetzt keine Prahlerei. Ich mache das schon eine ganze Weile. Klar, früher war ich viel besser. Da war ich noch jeden Dienstag im Bandito, bis spät in die Nacht. Oder früh in den Morgen.

Damals habe ich sogar an Kicker-Turnieren teilgenommen. Zwar nie gewonnen, aber immer im guten Mittelfeld gelandet, und das bei ziemlich harten Vorrundenspielen. Die, gegen die wir in den Gruppenspielen verloren hatten, kamen meist bis ins Finale.

Aber das ist schon eine ganze Zeit her. Jetzt kicker ich zwar auch noch ab und zu, und ich gehe dafür auch immer noch gerne ins Bandito, aber eben seltener. Man wird halt älter und gesetzter…

Vor kurzem entschieden zwei gute Freunde und Nachbarn von mir, dass sie spontan in den Urlaub fahren wollen. Und ob ich nicht einen Blick auf die Wohnung, den Briefkasten und die beiden Katzen haben könnte? Für die nächsten zwei Wochen?

Kein Problem, ist ja nur ein Stockwerk schräg über mir, und so schlimm sind die Katzen nicht. Und außerdem, das Beste an der Sache war, dass sich in ihrem Wohnzimmer ein ganz vernünftiger Turnier-Kicker-Tisch befand.

Mir wurde ausdrücklich erlaubt, diverse Bekannte einzuladen und den Kicker in Betrieb zu halten. Das hatte einige nette Kleinst-Partys zur Folge, also Veranstaltungen mit den sechs oder sieben Leuten, die es nach dem ganzen Grillzeug und Bier und Tüten noch vom Ufer des Landwehrkanals in die Wohnung geschafft haben. Dabei wurde immer auch ein wenig gekickert, aber hauptsächlich dumm in die Luft gestarrt, weitergekifft und gesagt: „Mann bin ich schon wieder dicht. Und warm ist das heute, oder?!“

Eines Tages ging ich, das Katzenklo musste sowieso sauber gemacht werden, alleine hoch. Ich dachte mir, dass ich ein wenig solo übe, demnächst sollte ein Open-Air-Kickerturnier auf dem Uni-Innenhof stattfinden. Und ich bekam langsam wieder Lust daran. Besonders, weil ich auch bei fortgeschrittener Sinnestrübung im Vergleich mit den anderen noch ganz gut spielte. Oder lag es daran, dass ich meinen Drogenkonsum mal bezüglich des Toleranz-Pegels ernsthaft überdenken müsste?

Egal, ich übte einige Schussvarianten, aus der Deckung, mit plötzlichen Abgaben und all diesen Kram. Als ich gerade dabei war, ausschließlich mit den hinteren beiden Reihen zu spielen, sprang eine der beiden Katzen auf den Tisch.

Ich bin kein grosser Katzenfreund, aber auch kein Katzenhasser. Also dachte ich: gut, die sind eh beide ziemlich allein, nimmst du mal die Herausforderung an. Die Regeln waren, dass ich wirklich nur die hinteren beiden Reihen bewegen durfte, es sei denn der Ball bleibt liegen und die Katze geht nach drei Sekunden nicht an den Ball. Aber keinesfalls einen direkten Torschuss mit der Sturmreihe! Gespielt wird bis sechs, Einwurf in der Mitte und wenn der Ball rausspringt gibt`s Ecke. Zwei Gewinnsätze sind nötig. Der Ball ist erst drin, wenn er nicht wieder rauskommt. Kurbeln ist verboten. Zwei Abstand. Wer zu null verliert, gibt entweder Einen aus oder kriecht unter dem Tisch durch.

Die Katze war soweit einverstanden mit den Regeln.

Nach dem Spiel überlegte ich lange, ob ich wirklich bei dem Open-Air-Kickerturnier mitmachen sollte. Und ich dachte auch darüber nach, ob ich, wenn ich teilnehme, die Katze als Partner mitnehme, sie war im Sturm wirklich gut. Das Ergebnis war 6:3 und 6:4.

Für die Katze.

Irreführung

03.07.14

Da stehe ich nun,
gegenüber das Haus, in dem ich mal wohnte:
Unten immer noch die Kneipe drin,
und die Arschlöcher stellen immer noch
Stühle direkt vor die eh schon viel zu schmale
Haustür.

 

Ich betrete den Laden, schau mich kurz um:
Der Verkäufer linst fragend über die halbe Brille.
Drecksack! Sage ich, laut und deutlich.
Und bekomme, wonach ich verlangt.
Unbedingt weiterempfehlen! bittet er mich noch.
Voilà!

 

Ich halte Werbung ja für eines der Grundübel unserer Zeit. Dabei war das mal ein schönes Wort (bzw. schöne Tätigkeit), auf das Zwischenmenschliche bezogen. Wie aber nennt man nun das hier, wo ich unzweifelhaft für etwas werbe, jedoch ohne Wissen & Auftrag der Beworbenen?

Kilometer 20

In der Alte-Texte-Schublade bin ich fast ganz unten angekommen, rein chronologisch gesehen. Über andere Bedeutungen von „ganz unten“ müssen sich andere Leute Gedanken machen. Jedenfalls: Lange ist es her, es gab noch keine Hipster, aber schon Club Mate. Und man erinnerte sich noch an den Neuen Markt (TM).

29.09.02

 

Wir waren Kilometer 20. Ich hätte es vorher wissen können. Doch erst als es dann frühmorgens um 7.45 Uhr soweit war, drang es wieder schmerzlich in mein Bewusstsein.

Am Abend zuvor waren wir zum wiederholten Male auf einer Lesebühnen-Poetry-Slam-Veranstaltung. Ich weiß, dass man da eine genaue Trennung vornehmen kann und muss. Aber dieses Mal eben nicht. Die Big Player der Berliner, ach was sag ich, der deutschen wenn nicht gar der europäischen Szene hatten sich versammelt. An einer wirklich hippen Örtlichkeit. Hip deswegen, weil die Location, wie man so sagt, unverbraucht ist. Jeder Veranstaltungsort, ist er noch so gut, wird irgendwann zur Gewohnheit.

Diesmal versammelte man sich in der Backfabrik.de. So stand es tatsächlich in der Zitty. Auf dem Grund und Boden befand sich früher ein DDR-Backkombinat. Der Charme der Geschichte, in Berlin bei der Auswahl des Auftrittsortes immer wichtig.

Die Ossi-Bäckerei wurde geschlossen, schließlich wollten ja auf einmal alle nur noch Fladenbrot essen. Und das muss laut Innungsvorschrift in Kreuzberg gebacken werden.

Kurz nachdem ein verrückter Künstler dann eine Kuh vom Kran in den Hof des ehemaligen Backkombinats geschmissen hat kam der Bagger. Kurz danach, nicht weil. Vorher residierte noch kurz das Casino auf irgendeinem der vielen Hinterhöfe. Und dann wie gesagt die Bagger. Davon sieht man in Berlin inzwischen ja auch viel mehr als Trabbis, zum Beispiel.

Als alle in den neuen Markt, der sich ja jetzt verabschiedet hat, investierten, dachte sich ein geschäftstüchtiger Mann, dass dieser Platz, denkt man sich die explodierten Rinderinnereien mal weg, prädestiniert zum Geld drucken ist. Aber auch das Geld wird ja schon in Kreuzberg gedruckt, in der Bundesdruckerei, also baut man eben die Backfabrik.de.

Nur mit diesem Namen brauchte man damals, als Leute ihr Geld in Firmen wie XYZmedia nur wegen des Wortes ´media´ steckten, zur Bank gehen, und man wurde unter einer Mille nicht rausgelassen. Also Keller erhalten, Gebäude entkernen, Rigipswände einziehen, wireless lan mit einer 800-Meter-Reichweite einrichten und einen hippen Namen mit Ostbezug.

Nun gibt es den Neuen Markt nicht mehr, und somit auch keine Neuer-Markt-Start-Ups, die ihr Head Office hier wirklich passabel hätten eröffnen können.

Doch der Keller war noch da, und gestern in dem selbigen diese famose Veranstaltung. Berlin ist nicht nur mit supertollen Schliemann-sei-Dank-Museen die heimliche Kulturhauptstadt Europas, sondern auch die Subkultur-Hauptstadt. Man kann jeden Tag zu mindestens zwei Lesebühnen gehen, die sich alle, zumindest gefühlt, im Prenzlauer Berg befinden. Und nun war also das Gipfeltreffen, sozusagen.

Nicht nur, dass sich all diese Bühnen einigten und ihre Star-Interpreten losschickten, es gab auch Unterstützung von ganz oben. Zitty, wie schon erwähnt, sponserte den Abend, aber auch Radio Fritz und lcb. Ich dachte mir, dass dies eine subversive Vereinigung dilettantischer Literaten wäre. Immerhin heißt der Szene-Einkaufsladen hier ja auch KGB, was für „Kohlen Gips Bier“ steht. Wovon es aber höchstens Bier dort gibt. Ökologisch gebraut. Und Fahrradanhänger zum Ausleihen. Und Club-Mate.

Aber lcb, was mich irgendwie gleich an ocb denken ließ, steht für literarisches colloquium berlin. alles kleingeschrieben. Aber etabliert. Und die fördern mit ihrem Geld solche Sachen. Wo Leute Ficken sagen. Mehrmals pro Satz. Oder nur als Satz allein. Wo Leute stockbesoffen auf der Bühne stehen, zittern, fast runterfallen, sich nicht mehr artikulieren können. Und das Publikum nimmt dies hin, will es hinnehmen, als Performance, nicht etwa als Realität der Auswirkungen des Giftes Alkohol. Lieber noch schnell einen lustigen Text über spanischen Absinth anhören.

Um zwei Uhr nachts, relativ früh eigentlich, waren wir dann zu Hause. Beim Einparken achteten wir penibel darauf, dass wir das Auto auf unserer Seite der Straße abstellten, die andere Seite war schon komplett gesperrt. Bis auf einen Opel-Astra-Bullenwagen mit innen Licht an total leergeräumt.

Ich musste dann noch mal mit dem Hund runter. Ging über die Straße und fragte die Freunde und Helfer, ob das okay ist, auf unserer Seite zu parken. Ohne ob meiner Alkohol-Fahne oder besser -Flagge stutzig zu werden, sagten sie mürrisch: „Ja, drüben schon.“ und nahmen die St.Pauli-Nachrichten wieder vor die nächtlich aufgesetzte Sonnenbrille. Deswegen also die Innenbeleuchtung. Ich fragte sie, ob sie jetzt hier die ganze Zeit stehen würden. „Na klar, Streckenüberwachung“.

Das war erste Mal, dass mir Vertreter dieses Berufszweigs fast leid taten. Wann es denn los gehe, fragte ich. „Naja, wir sind hier fast jenau Kilometer zwanzig, da wern die ersten wohl so jegen zehn kommen.“

Doch inzwischen, und das habe ich eben heute wieder schmerzlich erfahren müssen, laufen beim Berlin-Marathon nicht nur dank modernster Laufschuhtechnik leisetreterige Profisportler samten über den Asphalt. Vorneweg kommen circa 8.000 Rollerblader. Zu schwach auf der Brust um 42 Kilometer zu laufen. Aber laut genug, um mich mit einem Höllenlärm-Surren zu wecken. Um 7.45 Uhr.

Wenn es hochkommt

28.10.08

Du denkst,
du hast zu wenig Gras,
um was zu schreiben.
Nämlich gar keins.

Du schaust dir
diese verdammte neue Serie
mit Mulder an.
Der jetzt Hank heisst.
Natürlich, wie sonst.

Du denkst,
die Sache mit dem Schreiben
ist vorbei.
War nur eine Phase.
Ist vorbei.

Hast es verpasst.
Hast zu viele gute Bücher,
Filme,
Musik,
verpasst.

Wenn es hochkommt,
liest du die Wochenzeitung
zur Hälfte durch.

Machst deinen Job,
liebst deine Frau,
(doch du fickst sie nicht mehr)
gehst am Wochenende saufen.

Wenn es hochkommt
verliebst du dich mal kurz.

Doch du streitest es ab:
Du küsst sie nicht,
du schreibst nicht,
du kündigst nicht.

Du lebst dein braves Leben,
träumst deinen wilden Traum,
und denkst
es ist eh
zu spät.

Du bist zu alt,
du bist zu schlecht,
du bist doch
ganz zufrieden.

Und sitzt dann trotzdem nächtelang
wach.
(Schaust dir diese verdammte Serie
mit Mulder an.)
Du schreibst, du säufst, und du weißt,
dass es nicht stimmt.

Jetzt ist halt kein passender Zeitpunkt,
erst in zehn Jahren
oder so,
wenn du noch viel selbstmitleidiger bist.

Bis es dir hochkommt,
irgendwann.
Irgendwie aus aktuellem Anlass.

Nur kurz auf ein Bier

„Und dann haben die mir erzählt, dass diese eine Reporterin da…“

„Katrin Müller-Hohenstein..“ Es gibt schliesslich gerade nur eine weibliche Reporterin da, soweit reicht mein Fussball-Sachverstand.

Mein Nachbar, der unamerikanischste Ami, den man sich vorstellen kann, war dankbar für das verbale Unter-die-Arme-greifen. Auf den Namen wäre er nie gekommen, meinte er, ausser wenn es um Loriot-Zitate gegangen wäre vielleicht.

„Genau, Müller-Hohenstein. Also, die haben mir erzählt, dass die mal…“

„Innerer Reichsparteitag“ sagte ich. Unterbreche ich meine Gesprächspartner eigentlich zu oft?

„GENAU!“ Mein Nachbar schien ehrlich empört. Zur Abwechslung probierte ich es mal mit Zurückhaltung und schwieg. „Wie kommt man denn auf sowas?! Und wieso arbeitet die noch da? Ich meine, die ist doch höchstens 45, wie kommt die auf SOWAS?“

Ich versuchte mich in Erklärungen. Erzählte irgendwas von männerbündnerischen Lokalblattsportredaktionen, in denen solche Floskeln bis in die 80er wohl zum Basisvokabular gehörten und wo Frauen es wahrscheinlich sowieso nicht leicht hatten, sich ihre ersten Sporen zu verdienen. Nebenbei streute ich die Schalke05-Anekdote ein und berichtete von Anne Wills Anfängen – aber: Eine Antwort konnte ich ihm nicht geben.

Ganz schön viel geschafft…

…denke ich, und dann lasse ich die noch offenen Tabs vor meinen Augen vorbeifliegen. Immer noch über 30. Ganz schlechte Idee. Nebenan, im Kohlenstoffleben, machen die Grünen endgültig klar, warum es ein Fehler war, sie zu wählen. Schon immer. Uli Zelle berichtet natürlich live aus dem Berliner Gefahrengebiet. Ärgerlich und absurd.

Fußball-Fifa-WM. Hm. Kommt man nicht drum rum, also ich nicht. Hab ich früher schon mal was drüber geschrieben, erspare ich der geneigten Leserschaft aber lieber. Erspart habe ich mir bisher auch das Rudelgucken, zum Glück kenne ich niemanden, der mich dazu überreden wollen würde. Vielleicht mal ins Yaam, obwohl…

Und wieder: Was bin ich doch für ein Hipster: Mein erstes Public Viewing war zur EM 1996. Circa 20-50.000 Leute. Roskilde-Festival, wo wir immer mindestens zwei Tage vor Festivalbeginn eintrudelten, schon allein wegen des obligatorischen Abstechers nach Christiania. Und deshalb in freundlicher Atmosphäre die Halbfinals auf der orangenen Bühne sehen konnten, wenn ich mich recht erinnere. Vorbei, lange, lange her.

Zu allem Überfluss wurde gerade das Nebenhaus eingerüstet und der Putz wird abgekloppt. Feine Staubschichten überall auf dem Balkon. Ich glaube, selbst in meinem Kopf. Besser aufhören.