Sommersplitter, letzter Akt (nachgereicht)

Ich hab ihn letztens in der U-Bahn getroffen, als bei der U6 dieser blöde Pendelverkehr war und man vom Mehringdamm bis Tempelhof dreimal umsteigen musste und ne halbe Stunde gebraucht hat. Der sah ganz schön verpeilt aus und schien gar nicht klarzukommen. Meinte, er wäre schon zweimal in die falsche Richtung gefahren. Kifft wahrscheinlich immer noch zu viel. Hat erzählt, seine Frau hätte ihn sitzengelassen und er ist jetzt wieder in Berlin.

So ungefähr könnte C. es ihnen erzählen, es wäre ihm nicht zu verübeln. Ich war an diesem Tag wirklich schlecht drauf. Wieso also sollte ich das machen, in die alte Heimat fahren? Dort wohnt niemand mehr, der mir wichtig wäre. Oder andersrum. Eher. Und eben, C. meinte, O. würde jetzt wieder dort wohnen, im alten Haus der Eltern. Nur der Landschaft und des Meeres wegen zieht es mich nicht dort hin, da mag es noch so viel Sommer sein, das reicht nicht, das zieht nicht.

Heimat? Ich habe den Verdacht, es geht eher darum, in überzuckerten Erinnerungen zu schwelgen und zu recht verflossenen Gelegenheiten noch eine Chance geben zu wollen. Zeitverschwendung. Um die andere Heimat kümmerst du dich ja auch nicht, sagt das Teufelchen auf der rechten Schulter, eigentlich kümmerst du dich doch um so etwas nie, für gewöhnlich. Und die ist schliesslich um die Ecke, die andere Heimat, da könnte man mit dem Rad hinfahren. Was du ja auch mal gemacht hast, als noch jemand dort wohnte, im Familienstammsitz. Mal ganz abgesehen davon, dass da auch einige Gräber schon jahrelang auf deinen Besuch warten. Aber eben keine Verflossenen, deswegen denkst du da auch nicht mal ansatzweise drüber nach.

Das unverhofft auftauchende Boateng-Wandbild (Ach hier war das!) unterbrach dann zum Glück diese Gedankenspiele und setzte neue in Gang. Die WM war gerade mal einen Monat vorbei, besoffen von dem Titel war längst keiner mehr. Mit einer so schnellen Ernüchterung hätte ich nicht gerechnet, dieser unspektakulär schnelle Übergang zum Tagesgeschäft überraschte mich. Sollte es wirklich noch fünf Monate Ruhe geben, bis die ganzen ‘Schland-Idioten in den Jahresrückblicken wieder ins Bild dürfen?

Über das Boateng-Mural freue ich mich immer wieder, nicht nur, weil ich nie genau weiss, wo es ist und daher jedes Mal aufs Neue überrascht bin. Sondern auch, weil ich dabei immer leise skeptisch denke, das sind wirklich unsere Jungs, die kennen das dreckige, das Guten Morgen Berlin, du kannst so schön hässlich sein-Berlin. Und dass wenigstens einer von ihnen Weltmeister geworden ist, freut mich wirklich. Ebenso wie der Gedanke daran, dass er in 30, 40 Jahren als älterer Herr, mit kleinem Bierbauch vielleicht, ganz selbstverständlich im Aktuellen Sportstudio aus dem Nähkästchen der Erinnerung plaudern wird. Mit viel Glück werden die Zuschauer dann ungläubig den Kopf schütteln und sich denken: Bananen auf das Spielfeld geworfen? Wirklich?! Wie dumm ist das denn?!

Dialog, während sich die Wellen langsam wieder glätten

Ach ja, wir haben uns ja noch gar nicht gesehen. ‚Schlaand und so… Begrüsste mich der Dicke beim Getränkemarkt. Wir hatten es beide befürchtet, am Freitag.

Während er das Leergut wegsortierte, nach diesem historischen Wochenende, präzisierte er seinen Standpunkt: Ist ja alles schön und gut, jetzt haben sie ihren Titel, von mir aus auch verdient. Aber dieses ganze Geschminke und Gegröle und die Fahnen überall, damit können die ja nun langsam mal aufhören.

Ganz meine Meinung, also pflichtete ich ihm bei: Stimmt schon. Aber ich habe vorhin gesehen, dass die Franzosen immer noch Militärparaden abhalten zu ihrem Nationalfeiertag. Das ist ja auch schon krass. Stell dir das hier mal vor, Militärparade zum 3. Oktober….

Er war nicht ganz überzeugt: Ach, das nennen die nur anders. Schützenumzug oder so. Geh mal zur Fanmeile, das ist keine Militärparade, das ist schon Krieg!

 

(Link zum Thema: Maybe not the greatest song text in the world, but a stunning tribute)

 

Ganz schön viel geschafft…

…denke ich, und dann lasse ich die noch offenen Tabs vor meinen Augen vorbeifliegen. Immer noch über 30. Ganz schlechte Idee. Nebenan, im Kohlenstoffleben, machen die Grünen endgültig klar, warum es ein Fehler war, sie zu wählen. Schon immer. Uli Zelle berichtet natürlich live aus dem Berliner Gefahrengebiet. Ärgerlich und absurd.

Fußball-Fifa-WM. Hm. Kommt man nicht drum rum, also ich nicht. Hab ich früher schon mal was drüber geschrieben, erspare ich der geneigten Leserschaft aber lieber. Erspart habe ich mir bisher auch das Rudelgucken, zum Glück kenne ich niemanden, der mich dazu überreden wollen würde. Vielleicht mal ins Yaam, obwohl…

Und wieder: Was bin ich doch für ein Hipster: Mein erstes Public Viewing war zur EM 1996. Circa 20-50.000 Leute. Roskilde-Festival, wo wir immer mindestens zwei Tage vor Festivalbeginn eintrudelten, schon allein wegen des obligatorischen Abstechers nach Christiania. Und deshalb in freundlicher Atmosphäre die Halbfinals auf der orangenen Bühne sehen konnten, wenn ich mich recht erinnere. Vorbei, lange, lange her.

Zu allem Überfluss wurde gerade das Nebenhaus eingerüstet und der Putz wird abgekloppt. Feine Staubschichten überall auf dem Balkon. Ich glaube, selbst in meinem Kopf. Besser aufhören.