Schluss, Aus, Vorbei!

Hier ist jetzt Schluss. Also demnächst. Diese Seite wird schon bald nicht mehr erreichbar sein.

Ich war schon immer ein kleiner Ordnungsnerd, passt eigentlich gar nicht zu mir, trotzdem: Es hat mir z.B. wirklich Spass gemacht, irgendwann Anfang der 90er, für meine über 100 VHS-Kassetten Listen anzulegen, mit minutensekundengenauen Angaben zu den Lauflängen der Filme. Ähnliches gilt für Musikkassetten oder Bücher, da probierte ich später auch diverse  Computerprogramme aus.

Deshalb war es nur folgerichtig, dass ich irgendwann anfangen würde, mehr mit diesem Blogdingens rumspielen zu wollen, und mit dieser Internetgeschichte an sich. Also besuchte ich in den letzten, anstrengenden Wochen einen Kurs, lernte wordpress jenseits des .com (als leichten Einstieg), html&css und schliesslich typo3. Ordentlicher Wissens- und Erkenntnisgewinn, ich bin immer noch begeistert ( & etwas verärgert, dass ich das nicht schon vor Jahren gemacht habe, wie so vieles….). Interessant auch, wie viele und was für verschiedene Leute auf die gleiche Idee kamen und da mit mir in einem Raum saßen. Auf diese gesamte Veranstaltung werde ich wohl später nochmal gesondert zu sprechen kommen müssen.

Es war gar nicht so einfach, dem Umfeld das halbwegs verständlich zu erklären: Ich halte meine Existenzen so gut es geht auseinander, es gibt kaum eine handvoll Leute, die beide kennen. Von Blogs haben die meisten schon was gehört, das war es dann aber auch (& ich will ja beileibe niemanden zu etwas zwingen, so pflegen sich Freundschaften auch gleich viel zwangloser). Daher sagte ich: Internetseiten schreiben. Was wir ja auch gemacht haben. Oder, ausführlicher: Es ist wie mit dem Autofahren – kann fast jeder, genau wie sich im Internet bewegen. Und ich lerne gerade Sachen wie Öl- und Zündkerzen wechseln, maximal vielleicht noch Ölfilter, Luftfilter und Zahnriemen dazu. Und ein Radio einbauen vielleicht. So in der Art.

Und wie beim Autofahren sollte man möglichst direkt nach dem Lernen in der Übung bleiben, also – und weil es mich sowieso in den Fingern juckte – habe ich meinen Blog komplett ab- und woanders wieder ganz neu aufgebaut. Mit wordpress, eine der wenigen Sachen, die so bleiben werden (neben allen Inhalten, hoffentlich…) Ich hätte es auch gerne in typo3 oder html ausprobiert, entschied mich dann aber doch für wordpress: weil es eben erstaunlicherweise doch einige Leute gibt, die mir dort folgen, weil es meine erste Heimat in der Blogwelt war – und von Gewohntem trennen muss ich mich sowieso viel zu viel in letzter Zeit.

Natürlich bleiben noch viele Fragen offen: Wer weiss, ob ich das mühsam ausgesuchte und per css angepasste Theme in einer Woche noch gut finde? Stelle ich die Bilder weiter einfach so in die Posts ein oder doch mittels der Galerie-Spielerei (ich habe das mal bei verschiedenen alten Beiträgen ausprobiert, bin aber noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen).

Und wer weiss, ob mir nicht demnächst komplett die Lust vergeht, ich auf der Strasse oder am anderen Ende der Welt lande; dann wären die Mühen der letzten Wochen für die Katz. Von wegen 1.300 Euro – Geld ist das Wenigste, was ein Blog kostet – und wenn ich nur die Hälfte des marktüblichen Stundensatzes berechnen würde, dann wären 1.300 Euro nicht annähernd die Zeit wert, die ich im letzten Monat mit diesem Projekt verbrachte. Und da sind weder Requisite noch Styling Food und Props einkalkuliert. Jeder Artikel musste noch mal „angefasst“ werden, ein paar kleine Änderungen vornehmen, Schlagwörter und Kategorien zuordnen (nicht wegen Google, sondern wegen meines eigenen Ordnungs-Listen-Faibles; wenn schon eine neue Datenbank angelegt wird, dann nutze ich das doch gleich).

Nicht zu vergessen die ganzen Bilder neu einzubinden (und wenigstens dabei versuchen, auf Barrierefreiheit zu achten)- und dann noch sämtliche Links überprüfen: Warum zur Hölle habe ich so viele Linklisten verbreitet?! Allerdings: komplett tote Links, sowohl zu Youtube als auch zu Blogs oder Artikeln oder Mediatheken, habe ich behalten, eine Art Dokumentation – von wegen „Das Internet vergisst nichts“! – nur bei geänderten urls habe ich versucht, die neuen Adressen einzubauen. Trotz der zeitraubenden Umstellung ein positives Fazit: Ich musste jeden einzelnen Text wenigstens nochmal überfliegen – und bei den wenigstens dachte ich Oh je. Eine weitere Frucht dieser Arbeit: die Texte sind halbwegs nachvollziehbar geordnet und oben im Menü in verschiedenen Schubladen abgelegt, soweit es ging.

Wahrscheinlich werde ich in der nächsten Zeit noch das eine oder andere zu feilen haben, aber soweit bin ich erst einmal zufrieden und hoffe, dass die Seite halbwegs vernünftig läuft – und, dass ich nicht allzu grossen Mist gebaut habe & sie die geneigte Leserschaft nicht zu sehr verstört. Zum Schluss die Formalia:

Ab sofort geht es weiter auf http://www.zurueckinberlin.de – für die .wordpress-Adresse ist das hier der letzte Beitrag. Das bedeutet auch, dass blogrolls, feedreader und wordpress-reader angepasst werden müssten. Nach ein paar Tagen Parallelbetrieb werde ich für die alte Seite einen Redirect anlegen, der hoffentlich auch die alten Links korrekt weiterleitet, und da ich weiter mit wordpress arbeite, hoffe ich, dass auch so wordpress-spezifische Sachen wie der Reader, Profile, Following oder die Sternchen wieder hinzubekommen sind (das entsprechende Plugin werde ich demnächst anpassen) – für Rückmeldungen zu irgendwelchen Problemen (und auch generell^^) wäre ich dankbar.

Und jetzt: Viel Vergnügen drüben, ich hab auch Schnittchen gemacht. Derweil werde ich die ganzen Artikel lesen, die ich in den letzten Wochen nur als Lesezeichen ablegen konnte. Dreistellig, schätze ich mal. Die nächste Linkliste wird wohl lang, und noch etwas dauern…

 

Grundsätzlichkeiten & Blogrollupdate

(via nerddrugs)

Nach etwas über einem Jahr und etwas über hundert Beiträgen ist es an der Zeit für ein paar Grundsätzlichkeiten, die über das About hinaus gehen, und die auch in die Leiste da oben wandern werden:

Das hier ist ein Geschenk

Ich schreibe, weil ich will. Was ich will. Es kam auch schon vor, dass ich für Geld geschrieben habe, aber das ist eine ganze Weile her & hat hier nichts zu suchen. Ich kann Geld nämlich eigentlich gar nicht leiden, ausser, um Bücher zu kaufen. Wir meiden uns, wo es nur geht. Was ich noch weniger leiden kann, sind Leute, die mit anderer Menschen Arbeit ihr Geld verdienen.

Sollte ich mir also Gedanken über eine Lizenz machen, obwohl ich allein die Idee an sich schon absurd finde? Mich wieder unwillig durch die etlichen Creative-Commons-Möglichkeiten klicken? Wieso nicht gleich eine WTFPL? Eben weil es Leute gibt, die sich nicht schämen, mit anderer Leute Arbeit ihr Geld zu verdienen. Deswegen ergänze ich die WTF-Lizenz: Rebloggt von mir aus, aber wer sich hier bedient, um damit Kohle zu machen, dem sollen die Haare büschelweise aus Nase und Ohren wachsen und in dessen Träumen soll fortan jede Nacht mit penetranter Stimme der aktuelle heftig&co-clickbait-Schund vorgelesen werden. Und nix anderes mehr, ein Leben lang. (Das ist als Vertragsgrundlage zu verstehen und zu erfüllen.)

Was soll das denn überhaupt sein?

Keine Ahnung, ehrlich, immer noch nicht. Ich schreibe hier ins Internet, nennt es, wie ihr wollt. Blog, Literatur, Tagebuch – da ist auch einiger Müll dabei, ganz sicher. Man lernt ja jeden Tag dazu.

Das mache ich einfach schon, so lange ich denken kann, das mit dem Schreiben. Als es dann irgendwann das Internet gab, eben auch da: Erst auf einer selbstgebastelten fortunecity-Seite, im letzten Jahrtausend noch, dann auf einem ganz passablen Literaturportal und einem nicht ganz so passablen Onlinemagazin, die es beide nicht mehr gibt, später irgendwann mit Erst- und Zweitblog und jetzt an dieser Stelle. Das Internet bietet großartige Möglichkeiten für Schreiber (Musiker, Zeichner, Filmer…), aber es ist nichts als ein Werkzeug: So wie die Druckerpresse und die Übertragung von Radiowellen (Nicht: Wie Verlage oder Rundfunksender).

Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass hier gehäuft fiktive, halbwahre und halbgare Texte erscheinen; manche länger, manche kürzer,  manche jünger, manche älter. Ganz selten reimen sie sich, dafür gibt es aber öfter mal Bilder. Eine Archivseite existiert noch nicht: Der Hobbykeller, die Werkstatt, ist traditionell unaufgeräumt. Wer aber unbedingt möchte, kann am Anfang anfangen – doch lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!

Pseudonym, Anonym,Egalonym

Namen sind Schall & Rauch, und überhaupt: Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk & irgendwas mit Ponyhof.

Wer ich bin, erfährt man ohnehin wahrscheinlich viel zu gut aus meinen Texten, ausserdem ist das jeden Moment ein anderer (wie der Fluss, in den man nicht zweimal steigen kann, jedenfalls nicht in denselben) – und im Zweifel kenne ich den gar nicht. Anders gesagt: Alles ist zusammengesetzt aus Fragmenten, auf die niemand den ganzen Blick haben kann, weil jeder Teil davon ist: Real life is fake life is real life. Es gab mal einen Namen für mein Alter Ego, den verkürzte ich dann, und jetzt isser gerade ganz weg. Vielleicht kommt er ja mal wieder, wer weiss das schon! Das hat nichts damit zu tun, dass ich mich irgendwie hinter der Anonymität verstecken wollen würde, ich nehme mich einfach nur nicht ernst genug. Ansonsten:

Wir können gerne darüber reden, aber:

Wer Troll ist, entscheide ich. Wie alles andere hier auch. Ein gepflegter und vor allem dem jeweiligen Thema angemessener Umgangston kann jedoch nicht schaden. Ich bin persönlich sowieso eher der höfliche (um nicht zu sagen: viel zu nette) Typ. Meistens.

Derzeit schalte ich Kommentare – wenn ich denn mag – samt und sonders per Hand frei, das kann also schon mal dauern. Genau wie eine Antwort von mir: Manchmal kann ich nicht antworten, manchmal will ich nicht, manchmal fällt mir einfach nur nichts Gescheites ein. Manchmal fällt mir allerdings leider auch was ganz und gar Ungescheites ein.

In jedem Netzwerk sitzt mindestens eine Spinne und wartet auf Beute

Mein Blog gibt es weder auf facebook, google+, twitter, ello oder wo auch immer – sondern nur hier. Das mag  total kontraproduktiv erscheinen, aber mit der Produktivität habe ich es eh nicht so. Dafür habe ich eine gesunde, ausgeprägte Abscheu vor Werbung. Ich kann Marktschreier nicht leiden, wieso sollte ich also einer in eigener Sache werden?

So spiele ich lieber Würfel mit der Göttin des Zufalls und schaue erstaunt dabei zu, wie die Wellen des Netzes immer wieder ein paar Schiffbrüchige an meine Blog-Gestade  spülen. Was nicht bedeutet, dass es mich nicht freut, wenn andere freundlich auf mich hinweisen, im Gegenteil. Auch ich bin oft so begeistert von fremden Texten, Bildern, Filmen, dass ich es gar nicht abwarten kann, sie zu verlinken.

to be continued…und immer noch gilt: Bei Fragen fragen!

Neues von der Blogroll

Zuerst wird eine neue Kategorie eingeführt: Der Ruhestand, in dem die nicht mehr aktiven oder existenten Blogs aus der Rolle landen – den Anfang macht Die Schrottpresse von pantoufle. Schon allein, um zu sehen, welche Abteilung über die Jahre mehr wächst.

Als nächstes zwei Neuzugänge, die ich so interessant finde, dass ich dort bei gesponserten Posts und manch anderem Werbemüll schon mal das eine oder andere Auge zudrücke (gerade in der Blogroll kann ein bisschen bunte Abwechslung nicht schaden, und ich kacke ja auch niemandem vor die Tür^^) : Die Blogrebellen und Sebastian Hartmanns StreetArtMag. Zur Kompensation für das immer noch vorhandene, machmal leicht nervende linke Gewissen kommt dafür das Lower Class Magazine in die Blogroll. Auch oft politisch, dabei erstaunlich vielfältig und längst überfällig  ist Tante Jays Grabbelkiste.

Für Berliner (natürlich wieder deutlich in der Überzahl) bzw. Hamburger und weltenbummlerisches Lokalkolorit sorgen ab jetzt Nante Berlin, Wirre Welt Berlin, ThorgeFaehrlich und der reisende Reporter Andreas Moser. Zu guter Letzt noch ein wenig ganz viel Indieliteratur und Pagophilas unbeschreiblich wunderbare Cool Pains, ein krönender Abschluss…

Was die Hitze so ausgebrütet hat

Ick heul‘ ja immer rum, dass es viel zu viel zu lesen gibt. Deswegen wird es wohl mal wieder Zeit, diese Aussage auch theoretisch zu untermauern. Ich weiss noch nicht genau, wo dieser Text hier hinführen wird, ob ich noch zu den Grundsätzlichkeiten komme, die schon seit einer Weile danach verlangen, besprochen zu werden  – jedenfalls an dieser Stelle ein kleiner Blick hinter die Kulissen des Blogs hier: Wie solche Linklisten entstehen.

Nachdem ich mit dem Lesen im Internet angefangen hatte, bemerkte ich recht schnell, dass das ewige „all die markierten tollen Blogs aufrufen, könnte ja was neues dort zu lesen sein“-Manöver sowohl die alte Kiste als auch meine Nerven arg strapazierte. Zum Glück entdeckte ich kurz darauf die rss-feed-option, macht mich schlau, was das denn sei und integrierte meine Bloglektüre erst einmal in das E-Mail-Programm: Wenn sowieso beides Teil meiner morgendlichen Routine ist, was wäre da besser, als zwei Fliegen mit einer Klappe, und so weiter?

Einiges, wie sich bald herausstellte. Denn auch das zum Feedreader hochgepushte Thunderbird trieb die alte Kiste  weit über die Belastungsgrenze. Da ich mich zu dieser Zeit aus anderen Gründen zu einem Google-Account überreden liess, schaute ich mir den dort angebotenen Feedreader etwas näher an – und war dann eine ganze Weile damit sehr glücklich, bis die Oberen aus California sich dachten: Nö, woll’n wir nich mehr.

Also hiess es, sich nach einem neuen Programm umzuschauen. Ich bin generell eher ein genügsamer Mensch, deshalb war ich schon mit dem zweiten getesteten Reader zufrieden (falls es wen interessiert: rssowl). Er kommt gut klar mit den circa  350 abonnierten Feeds – ich allerdings immer weniger, schon allein deswegen, weil es kontinuierlich mehr werden. Auch wegen Linksammlungen wie dieser hier, bloss eben woanders: Beim Kiezneurotiker, bei der Ennomane,  jeden Morgen bei too much information (nomen est omen) etc pp. Dabei lasse ich sogar ganze Kategorien, wie z.B. food- oder fashion-blogs, aussen vor. Dass ich inzwischen beispielsweise die tägliche Presseschau der enttäuschten Willy-Wähler von den Nachdenkseiten so gut wie immer ungelesen wegscrolle, ist da auch nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Mittlerweile hat sich eine Routine eingestellt, die nicht weit von der oben beschriebenen Anfangssituation entfernt ist: Kurze Texte sowie nicht allzu lange Beiträge meiner Lieblingsblogs überfliege ich im Reader. Längere oder graphisch aufwändigere Sachen schau ich mir im Original, sprich im Browser, an. Anschauen, nicht lesen, meistens. Denn die verfügbare Zeit ist schon verronnen, wenn ich mir nur den kurzen Überblick am Morgen verschaffe: Die zwei bis drei Stunden Lektüre, die früher, als die Menschen noch Briefe mit der Hand schrieben,  für diverse Wochen- und Tageszeitungen draufgingen. Die langen Texte werden also erst mal wieder als Favoriten markiert, um sie später zu lesen. Wobei sich logischerweise einiges anhäuft, so dass sowohl die Kiste („Das Öffnen von so vielen Tabs könnte kritisch werden, mein Freund! Hast du auch wirklich alles gespeichert in den ganzen anderen offenen Programmen? Wäre doch eine Schande, wenn…“) als auch ich (Och nö, das sind ja schon wieder dreissig ellenlange Texte, schaff ich jetzt eh nicht zu lesen…) langsam wieder an unsere Grenzen kommen.

Falls ich es dann aber mal schaffe, die Unsortierte-Lesezeichen-Liste ansatzweise abzuarbeiten, füllt sich der Gelesene-Texte-Lesezeichen-Ordner. Der, in dem die Sachen lagern, die später mal in einer Linksammlung verwurstet werden könnten. Womit wir beim Hier und Jetzt angekommen sind.

Allerdings: Wer weiss das schon genau, das mit dem Hier und Jetzt? Zeit ist ja, selbst ohne psychoaktive Substanzen, ein durchaus dehnbarer Begriff. Schwer zu fassen. Gerne wird von den Zeichen der Zeit gesprochen, und damit meist nichts Gutes gemeint. Bei näherer Betrachtung fällt dann aber recht schnell auf, dass die Zeiten sich vielleicht ändern, die Menschen hingegegen – nun ja, eher weniger. Dafür konstruieren sie sich mit Vorliebe Geschichtsbilder, die gerade in de Kram passen. Natürlich: Geschichte wird gemacht (voran geht es dadurch noch lange nicht) –  deshalb heissen Fakten (vulgo: Tat-Sachen) ja auch so,  wie sie heissen.

Doch bevor das hier zu weit abdriftet, zurück zum Konkreten – wie Geschichte gemacht wird: Wie zwei Bösewichte über das too much des Bösen argumentierten (wenn man solche Kategorien mag). Wie es einem geht, wenn man erst das Kriegsrecht verhängt und auf einmal zu einer tragenden Rolle im friedlichen Wandel gedrängt wird. Ob so etwas Hoffnung geben kann, sagen wir mal angesichts heutiger Politiker? Die offen ihre Starrköpfigkeit bekennen, egal wieviele Menschenleben das kostete, kostet und kosten wird? Nur, weil es ab und an einen vermeintlichen, winzigen Lichtblick gibt?

Wirklich einfache Erklärungen greifen leider meist zu kurz. Das, was der che zum neuen Krieg in Nahost schreibt, dem Schlimmsten seit langem, würde ich trotzdem so unterschreiben. Dessen ungeachtet: Da ist Krieg, verdammt noch mal! Da sterben täglich Menschen, da fliehen täglich Menschen, weil ihre Existenz zerstört wird. Und etwas weiter nördlich ebenso. Wobei bei der mörderischen Durchsetzung des Islamischen Staates in der Levante mal wieder die Hinfälligkeit von künstlichen Grenzen klar aufgezeigt wird. Noch ein Stück weiter Richtung Nord-Nordwest wurde der Beweis ja längt erbracht: Oder besteht irgendwo begründete Hoffnung, dass die Krim an die Ukraine zurückgeht? Spricht da noch wer drüber? Stattdessen werden mitten in Europa Zivilflugzeuge vom Himmel geschossen (Der kleine Historiker in mir fragt sich, wann es so etwas das letzte Mal in Europa gab – und brauchte einen Moment, um auf Lockerbie zu kommen. Die Qualität ist aber doch eine andere, meint er.): Keiner will es gewesen sein, alle wissen aber, wer es wie mit wessen Hilfe tat. Passt ja ganz gut, so kann in der Presse von der Fussball-Kampf-Rhetorik ganz einfach auf Kriegsrhetorik umgestellt werden. Wenn man sich die Gesamtlage so anschaut, gab es in den letzten 30, 40 Jahre je mehr Instabilität um uns herum?

Nun ist – zugegeben und trotz verlogener EU-Jubiläumsbekundungen – der letzte Krieg in Europa noch gar nicht so lange her. Also sollte man wissen, wie Scheisse das ist. Oder mal einen Nachbarn fragen, einen von denen, die in Jugoslawien geboren sind, die dann aus Serbien, Kroatien oder Bosnien fliehen mussten und hier hofften, in Ruhe und Frieden leben zu können. Was ja oft klappte. Einfach mal nachlesen, wie die sich so kurz nach dem Krieg fühlten,   in Sarajewo zum Beispiel. Oder man geht einfach raus, ein paar Schritte nur – und es könnte passieren, dass man beim Kaffee im Cafe Kotti in eine Sitzung des Iranischen Exilparlaments gerät. Wie ein geflüchteter jüdischer Iraner in einem linken israelischen Onlinemagazin schreibt. Verwirrende und doch grossartige Vielfalt, gleich vor der Haustür. Doch längst nicht alle haben das Glück, hier anzukommen. Zehn Prozent gehen wohl bei den Überfahrten auf den Seelenverkäufern im Mittelmeer drauf, ich hätte mit mehr gerechnet. Allerdings: Die Gefahr ist nicht nur die Passage, sondern natürlich auch der Weg dort hin, zum Hafen, zum Schiff. Nicht zu vergessen: Das ist reinste (gehobene) Mittelschicht – die Armen können sich eine Flucht schlicht nicht leisten, das war auch schon immer so.

Wer es dann trotz aller Widrigkeiten schaffte, sich hier sogar eine Existenz aufbaute und es zu einiger Berühmt- und Beliebtheit brachte, der ist noch lange nicht in Sicherheit. Selbst mit einer Heirat nicht, wenn da Bürokraten ihre Zweifel hegen.

Der Tod. Da wird es persönlich, da geht es ans Eingemachte. Gut, wenn man sich z.B. schon zur Halbzeit mal Gedanken drüber macht. Selbst, wenn die Umstände denkbar schlecht sind, kann das zum denkbar besten Ergebnis führen. Man könnte es auch Neuanfang nennen, und – schliesslich läuft gerade die Tour de France – mit Neuanfängen, Todeskampf und Grenzgängen kennen sich wenige so gut aus wie Lance Armstrong. Andererseits: Es ist ja auch nicht so, dass die Gedanken, die man sich so über das Leben macht, immer die erfreulichsten sind. Manchmal sind auch die erschreckend, und manchmal schreibt Frau Bukowsky da ganz wunderbar drüber. Womit eine wunderbare Überleitung aus eher düsteren Gefilden gebaut ist: Am Rande sei nämlich noch hemmungslos auf eine lohnenswerte Lesung im sowieso lohnenswerten Hamburg hingewiesen.

Davon kann auch Thorge erzählen, von den schönen Seiten Hamburgs. Und es kommt nur ein bisschen Fussball vor, im Gegensatz zu diesem famosen Glumm-Text. Berlin, nicht zu vergessen, mit all seiner Liebenswürdigkeit. Für die der Kiezneurotiker immer die passenden Worte findet. Schick isset hier. So wie in New York (Rio, Tokio) auch. Es geht um die Stadt, und um die Geschichten, ihre, unsere.  Und bevor es zu pathetisch wird, geht das Schlusswort an Douglas Adams, mit einer wahren Geschichte.

PS. Sommerurlaubsvorschlag: Auf dem Anwesen des Chateau de Clermont nahe Nantes gibt es nicht nur schnieke Luxusappartements, sondern auch ein Louis de Funes-Museum. Nein! D…

(Die Grundsätzlichkeiten fehlen natürlich noch, und so vieles anderes hat sich inzwischen wieder aufgetürmt. Aber der Text liegt einfach schon zu lange hier rum, der muss raus. Nicht, dass der noch anfängt zu müffeln, bei dem Wetter…)

Nachtrag: Der kleine Historiker hat eine interessante Liste bei Wikipedia gefunden. Zitat:  4. Oktober 2001 –  Sibir-Flug 1812: Während einer Übung der ukrainischen Marine wurde eine Zieldrohne irrtümlich mit zwei Boden-Luft-Raketen beschossen. Nachdem die Zieldrohne von der ersten Rakete zerstört wurde, suchte sich die zweite Rakete selbständig ein neues Ziel und traf eine russische Passagiermaschine.

 

Pappelpollen

Es hat eine Weile gedauert: Viele Texte waren zu lesen, andauernd kamen neue dazu. „Ach komm, das wäre doch auch noch was für die nächste Linkliste…“ Dachte ich mir oft, setzte ein Bookmark, auf dass ich den Beitrag in einem ruhigen Moment lese und eben eventuell in die nächste Linkliste aufnehme. (Um die es sich hier übrigens handelt, falls sich wer fragt…) Dann kam auch noch das gute Wetter dazwischen, diverse Seen im Grunewald wollten besucht werden, in Kreuzberg vor der Haustür wurde sorgsam der nächste zerbrochene-Bier-Mate-MiniHugo(!)-Flaschen-Slalom aufgebaut, das heimliche Highlight jeder Großveranstaltung.

Und dann trotzdem der obligatorische Karnevalsbesuch: Erst, weil die Tomaten wirklich dringend umgetopft werden mussten – Dienstag wäre zu spät gewesen, da führte kein Weg dran vorbei, sondern also direkt zur Domäne, wo es die billige Blumenerde gibt. Spassige Sache, Karnevalssamstag um 16 Uhr einen 40l-Sack so schnell wie möglich durch das Gewusel auf die andere Straßenseite zu schleppen, wo es wenigstens etwas ruhiger ist. Abends dann aber wirklich, zwei Fliegen mit einer Klappe, mindestens: Das neue Yaam in der alten Maria wollte ich mir sowieso schon längst angeschaut haben, ausserdem hatte ein guter Freund, der noch vernünftig verabschiedet gehörte vor seinem langen Urlaub, eine +1 auf der Gästeliste frei. Die Band, mit der er verbandelt ist und wegen der wir da waren, ging gut ab, der Rest drumherum eher nicht so. Dafür schien es aber in der Zwischenzeit draussen auf der Strasse ordentlich gekracht zu haben, die Brücke war gesperrt und mit ziemlich vielen Polizeifahrzeugen zugestellt. Obwohl es weit nach Mitternacht war, halfen bei der Absperrung Jünglinge in Uniform, die eigentlich längst ins Bett gehörten. Schnupperpraktikum, kurz bevor es in die Oberstufe geht, dachte ich. Und: Ganz okay, das neue Yaam, dachte ich auch. Klar war das alte Gelände besser, aber immerhin haben sie jetzt mindestens zehn Jahre Planungssicherheit.

Wo wir gerade schon mal bei der Polizei sind: Die twitterte in Berlin 24 Stunden lang jeden Einsatz live. Diese eine, vielbeschriene Seite des Netzes geht mir ziemlich weit am Hinterteil vorbei. Mit sozialen Netzwerken kann ich nicht viel anfangen, der GooglePlus-Account, der mir mal mit einer Betaphaseneinladung aufgeschwatzt wurde, liegt seit Jahren brach und taugt nur noch zur Überraschung über die regelmäßig hereinflatternden Vorschläge, wen man vielleicht kennt (erschreckend genau manchmal). Facebook nutze ich seit Jahren, allerdings nur, um mit Freunden und Bekannten zu kommunizieren, die weiter weg wohnen: Australien, Südafrika, USA, Uruguay, jenseits der Bergmannstrasse, so in der Art. Ich habe dort vielleicht zwei Dutzend Freunde, und noch nie hat einer von denen Essensbilder oder Selfies gepostet. Irgendwas muss ich scheinbar richtig gemacht haben.

Twitter hat mich nie gereizt, ich konsumiere diesbezüglich einzig und allein die monatlichen Lieblingstweet-Listen diverser Blogs. Aber es ist nicht nur die Berliner Polizei – selbst die CIA hat sich jetzt mit einem heissdiskutierten ersten Tweet zu Wort gemeldet. Ich finde das alles andere als witzig: Die eklige, abstossende Seite der Staatsmacht versucht es jetzt also mit Ironie. Ihr mögt mich nicht, weil ich diese ganze Demokratiegeschichte mit meiner Totalüberwachung kaputtgemacht habe? Dann spiele ich jetzt halt den lustigen Klassenclown. So kommt mir das vor, im Jahr 2 nach Snowden. Absurdes Theater, aber nur zum Heulen, nicht komisch. Klar konnte man das alles schon längst wissen, wusste es sogar, verdrängte es aber, bis es eben irgendwann doch durch die Bewusstseins-Oberfläche durchbrach.

Verdammt, und  schon hat sich die Politik hinterhältig eingeschlichen. Dabei will das doch kein Mensch lesen: Atomabfälle vor Afrikas Küsten verklappen und sich dann über Piraten beschweren. Sowas passt einfach nicht, ausserdem ist doch bald WM (und wehe, da krittelt jemand an der diesbezüglichen Gute-Laune-Berichterstattung mit menschelndem Wohlfühlfaktor rum). Dafür werden selbst die Kriege kurz auf Pause gestellt, nicht auf den Schlachtfeldern in der Ukraine oder in Syrien, aber immerhin in den Medien. Nicht mal um den Verbleib des goldenen Brötchens wird sich journalistisch gekümmert, eine Schande! Aber wieso sollte sich auch jemand für eine halbwegs differenzierte Darstellung der Gegenwart interessieren, wenn das nicht mal mit der Vergangenheit funktioniert? Wer es differenzierter will, soll halt ins Museum gehen. Letztens las ich irgendwo die Theorie, dass es in den Nachrichtensendungen so viele bad news gibt, weil es ein Gleichgewicht zu den good news der Werbepausen geben muss. Bei dieser eigentlich guten Nachricht vermute ich allerdings andere Beweggründe, warum sie es nicht in die Tagesschau schaffte.

Also bleibt nur der Rückzug in die innere Emigration, oder in die Wälder, zur Not auch in die inneren. Das passt gut, denn es wird sowieso mal wieder Zeit, hier durchzukehren. Diese Pappelpollen (was für ein schönes Wort für eine so nervige, aber eben auch schöne Angelegenheit – ab in die Überschrift damit) haben ihre Zeit ja nun wohl hinter sich. Die Berliner Polizei twitterte immerhin live über deren Ableben. Und auch sonst gibt es die eine oder andere Veränderung, hier auf der Spielwiese und im Kiez. Das mit der Spielwiese, das Experimentieren, wie ich es genannt habe: ich habe das Gefühl, das klappt ganz gut. Im Sinne des Herumprobierens, möglichst ohne Scheu und Rücksichten. Vielleicht ergibt sich daraus ja dann irgendwann eine Linie, vielleicht auch nicht.

Ich kann mich also eigentlich keineswegs beklagen: Das Wetter passt, ich komme ausgiebig zum Lesen und zum Schreiben gar, und auch mit dem Blog sollte ich zufrieden sein. So ganz falsch läuft es also gar nicht, wenn man liest, was es so für kluge Ratschläge gibt. Jeder der erwähnten Aspekte hat allerdings auch einen kleinen Haken. Das Gelesene wartet auf einem immer größer werdenden Stapel darauf, dass die angestrichenen Sachen aus ihm herausgeschrieben werden. Das Schreiben ist großartig, führt aber doch dazu, dass hier im Blog – Punkt 3 also – Schmalhans mal wieder als Küchenmeister eingestellt wird und es hauptsächlich Aufgewärmtes aus der Tiefkühltruhe gibt. Was ja nicht immer schlecht sein muss, schon klar. So komme ich also nur zu kleinen Justierungen: daMax neue Adresse wird – längt überfällig – in der Blogroll angepasst, und dort kommen endlich auch die Schrottpresse und berlin:street rein.

Überraschungen gibt es natürlich auch allerorten: Da musste erst jemand, die seit knapp zehn Jahren viel zu weit weg in Australien wohnt, für viel zu kurze zwei Wochen vorbeikommen, damit ich mal wieder – auch gefühlt seit zehn Jahren – in den Prater Biergarten gehe. Und mir dann dort erklären lassen, dass die Eisenbahnmarkthalle jetzt (wieder) Markthalle IX heisst und weltweit really famous ist für ihren food market. Ich habe  sie immer mit Herrn Lehmann verbunden, für den es dort, im Weltrestaurant, in der Markthalle und im Privatklub die Premierenfeier gab, die mir aus mehreren Gründen immer in guter Erinnerung bleiben wird, auch, weil sie so gelungen war.

Eine weitere Überraschung – wir sind bei der obligatorischen Literatur-Abteilung angekommen – hat die Mit-Fauser-Jüngerin Katja Kullmann aufgetan. Da gibt es als Sahnehäubchen noch einen alten Text vom Captain Ploog dazu. Wer es lieber zeitgenössischer mag: Die Frau Bukowski haut ein Kleinod nach dem nächsten raus, da werden  sämtlichen Jurys dieses Landes die Ohren schlackern, oder die Augen nervös beim Lesen zucken. Auch auf rocknroulette gab es kürzlich eine sehr feine Serie, falls wer mehr Zeit zum Lesen hat.  Oder bei Glumm, natürlich. Es mag ja bereits angeklungen sein, dass ich den für ziemlich famos halte. Manchmal bin auch ich nicht vor Fanboytum gefeit, deshalb ging es mir ungefähr so wie der wolkenbeobachterin, als hier vor einiger Zeit ein Sternchen aus Solingen eintrudelte. Da ich aus Erfahrungen lernte, ist meine Bewunderung meist eine stille, die eben gerade nicht auf möglichst große Nähe aus ist – ich befürchte bzw. erlebte, dass Menschen, die große Kunst schufen, als Menschen trotzdem Arschlöcher sein können. (Wer weiss, wie ich so von anderen gesehen werde: ich jedenfalls nicht…).

Zum Abschluss gibt es noch einen kurzen, starken Text von tikerscherk  und eine Serie vom Kiezneurotiker zu Rock im Park (der es natürlich nicht nötig hat, von hier verlinkt zu werden, sondern dem für das Verlinken zu danken ist. Nur, dass diese Ausschläge nach oben in der Blogstatistik den Rest immer so kümmerlich aussehen lassen … Wie auch immer, für das „Kann nicht wenigstens mal jemand auf den Boden spucken?“ musste ich einen Link setzen.)

Wem das alles zu viel Text ist, hier sind ein paar Bilder.

kurz angemerkt

Blöde Sache an der Analogfotografie: Wenn man verkackt, dann richtig. Film zum Entwickeln gegeben, gewartet – und nur ein paar Groschen bezahlt, weil da nun mal nicht viel zu entwickeln war. Diese Fehlerquote von 1:4 muss deutlich gesenkt werden. (Noch besser: Eigentlich gingen zwei Filme drauf – Der volle, der ein zweites Mal in die Kamera gelegt wurde, und der leere, der stattdessen ins Labor ging.) Aber egal, rational ist das ja sowieso nicht: Für die Kosten von schätzungsweise 20-50 Filmen würde ich wahrscheinlich ein halbwegs passable Digitalkamera bekommen (Für eine Spiegelreflex mag man da eventuell eine Null ranhängen). Doch darum geht es ja auch gar nicht, wobei ich anfangs gedacht hatte, dass diese Rollfilme bestimmt sauteuer sind inzwischen, wegen ihres Raritätenstatusses. Von daher war ich also eher positiv überrascht.

Blöde Sache an der Ukraine-Krise: Man weiss so gut wie nichts, und man weiss nicht, ob das, was man glaubt zu wissen, wahr ist. Und man steht weiter morgens auf, isst und kackt ( und arbeitet und fickt, wenn man Pech bzw. Glück hat) und schläft. Vulgärsystemtheoretisch muss ich immer mit dem Kopf schütteln, wenn irgendjemand in den zwangsläufig dieses Thema berührenden Diskussionen mit Moral kommt. Die taugt als Argument weder bei der Kapitalismuskritik noch in der Politik. Was ist denn das objektive Ziel Interesse von Politik? Wenn ich derzeit die Rolle Putins betrachte, vielleicht sogar über einen Zeitraum von sagen wir mal zehn Jahren, dann steht er gerade ziemlich gut da: Russland ist wieder wer, mission accomplished. Aber eben: Politik. Die taugt höchstens, um dran zu verzweifeln.

Interessante Nebenbeobachtung: Bei einem der unzähligen Interviews in den Hauptnachrichtensendungen fiel mir etwas auf – die Sponsorenwand, vor der die Interviews gegeben werden. Leider ist es keine wirkliche Sponsorenwand, man sucht die Logos von Krauss-Maffei, Heckler&Koch und Co. vergeblich. Trotzdem: Dass es da eine extra gestaltete und angefertigte Pappwand gibt, die nur für die Kameras da ist, finde ich bemerkenswert. Ebenso wie die FAQs auf der zugehörigen Seite des dafür verantwortlichen Ukraine Crisis Media Centers.

screenshot uacrisis.org

screenshot uacrisis.org

Blöde Sache an den Wahlen zum EU-Parlament: Dass seit zwanzig Jahren jede Chance vertan wird, die Menschen für Europa zu begeistern. Ich hatte das gar nicht so zweifelhafte Vergnügen, in meiner Schulzeit kurz nach dem Mauerfall eine Art freiwillige Reeducation mit regelmäßigen Bildungsfahrten nach Bonn und Brüssel zu durchlaufen. Und ich fand die europäische Idee toll – die deutsche Einheit war vielleicht nicht so dolle gelaufen, aber egal, was zählte, war ja ohnehin die europäische Einigung. Dachte ich damals. Die für die privilegierierten Europäaer offenen Schengen-Grenzen fand ich (abgesehen von dem, was sie für die nichtprivilegierten Menschen bedeuten) prinzipiell ebenso gut wie die Euro-Einführung, die ich zusammen mit begeisterten Niederländern in Zandvoort erlebte: Drei Stunden nach Mitternacht am 01.01.2002 waren die Eurobestände der Geldautomaten durch den großen Ansturm restlos geplündert und die Maschine spuckte nur noch Gulden aus. Und jetzt? Bleibt einem nichts übrig, als den Kopf zu schütteln und Die Partei zu wählen. Die APPD gibt es ja leider  zum Glück leider nicht mehr wirklich, die machte mal einen der ehrlichsten und besten Wahlspots aller Zeiten.

Blöde Sache am Internet: Es ist das, was man daraus macht oder machen lässt. Man kann ihm keine Schuld geben. Aber: Es lassen sich eben auch wahnsinnig tolle Sachen damit machen. Ich fand zum Beispiel diesen Beitrag über die Rolle sozialer Medien in den Protesten in der Türkei (ich glaub ich bin durch ix drauf gekommen) rumdum gelungen. Auch nicht schlecht: Eine Reportage über Ostermaiers Schaubühne in Paris beim Online-Zeit-Magazin. Hier muss ich leider am „rundum gelungen“ sparen, der Text entlockte mir nicht ganz die Begeisterung wie die Gestaltung an sich. Zu behäbig, irgendwie – aber das ist ja auch Geschmackssache. Genau wie dieser Text, mal wieder vom Magazin-Blog, den ich sehr unterhaltsam finde. Andere vielleicht ja nicht.

Hauptsache, man schreibt, auch wenn es nicht ganz egal ist, für wen. Ich sehe das ähnlich wie der Kiezschreiber: In selbstgewählter Mündigkeit selbstbestimmter Verelendung zwar, aber dafür angstfrei. Und wo wir schon mal beim Thema Schreiben & Lesen sind: Schade, dass Hildesheim nicht um die Ecke liegt. Aber immerhin, das Lesen bleibt ja noch, und die Liste wird immer länger. Ohne Internet war es jedenfalls viel langweiliger, und es gäbe keine Youtube-Videos von Schlingensief über Bayreuth. Wo Gysi weitestgehend die Klappe hält. Was man ja nicht glaubt, wenn man es nicht gesehen hat. Grandios.

Ansonsten: Vielleicht mal in den Wedding nach Gesundbrunnen fahren.

 

 

Gedanken. Gedenken.

Als ich vor Jahren mit einiger Verspätung hier in der Blogwelt ankam, gab es recht schnell ein paar Blogs, die mich eine ganze Weile begleiteten. Einige wenige davon tun das noch immer. Mal ist es der Inhalt, die Perspektive oder der Stil, die einen verweilen und wiederkommen lassen, mal die Person dahinter. Blogs und die dazugehörige Sphäre sind jedenfalls mehr, als der „Printmarkt“ je bieten konnte. Im besten Falle – und im schlechtesten auch – können sich hier verschworene Gemeinschaften bilden: Kontakte, Diskussionen oder einfach ganz viel Spass und Freude an der gemeinsamen Sache. Ähnliches gab es bei den „klassischen“ Medien höchstens im Little-Mag bzw. Fanzine-Bereich.

Von Anfang an war B like Berlin eines dieser Blogs: Zuerst waren es die Street-Art-Bilder, die dort regelmäßig gepostet wurden, die mich immer wieder vorbeischauen ließen. Aber es gab auch kleine Geschichten und Begebenheiten, über die Großststadt und das Leben in ebenjener. Nicht zu vergessen die Berlin-Zitate, zu denen pro Woche ein bis zwei neue dazu kamen, von den Großen und den nicht ganz so grossen.

Eines Tages stand dann plötzlich nur noch ein einziges Posting auf der Seite. Ein sehr erschütterndes. In den daran anschliessenden Diskussionen wurde ich (erstmals in der Blogwelt) halbwegs persönlich angegangen, weil einigen meine Meinung dazu gegen den Strich ging.  Irgendwann wurde es ruhiger, die Aufregung geriet in Vergessenheit, ebenso wie das Blog.

Und genau das ist der Punkt: Aus aktuellem Anlass machte ich mir in den letzten Tagen wieder vermehrt Gedanken  zu dieser Blogwelt und was sie so besonders macht. Es gibt unzählige Theorien und Blickwinkel dazu, täglich werden neue veröffentlicht. Viel zu oft ist dabei von Unternehmens-, Marketing- oder Wertschöpfungsmodellen die Rede. Viel zu selten von Vernetzung, Gemeinschaft oder den sozialen Implikationen, die sich aus dieser neuen Welt ergeben. Ja: Blogs (und das Internet als solches) sind die Umsetzung der Brecht’schen Radiotheorie, sie sind dieser denkbar großartigste Kommunikationsapparat, nicht nur im öffentlichen Leben, sondern auch in der Grauzone, die sich bis in das Private hinein erstreckt.

Ich weiss nicht, wie es im Allgemeinen steht mit der Erinnerung, mit der Übertragung sozialen Verhaltens aus der Kohlenstoffwelt in die des Netzes. Ich kann hier nur für mich sprechen: Ich denke immer mal wieder an B like Berlin zurück. Wenn mir gelungene Kunst im öffentlichen Raum ins Auge springt, weil ich dort – bevor es all die flickr- tumblr- und Hipsterstreams gab – eine großartige Sammlung und Würdigung derselben entdeckte. Oder wenn ich in einem Buch oder Text ein treffendes Zitat zu unserer Stadt finde.

Genau das passierte, als ich in den letzten Wochen meine Bahnfahrten mit der turnusgemäßen Lektüre von Fausers Erzählungen verkürzte. (Wo wir schon beim Privaten sind: Er ist das Bild in meinem Avatar. Es dient also nicht primär der Identitätsverschleierung, sondern ist vielmehr eine Hommage.) Bei nicht wenigen Stellen dachte ich: „Das hätte gut auf B like Berlin gepasst“. Ich nahm mir vor, die entsprechenden Passagen rauszuschreiben, die passendsten davon vielleicht mal zu veröffentlichen, so wie es auf B like Berlin früher geschah. Und so soll es sein. Im Andenken an ein Blog, das meine ersten Gehversuche in dieser fremden Welt begleitete. Weil wir mehr sind als Marktmodelle. Weil – so platt oder pathetisch es klingen mag – uns auch der Umgang miteinander ausmacht. Und dazu gehört es auch, der Toten zu gedenken.

[alle Zitate aus der oben verlinkten Ausgabe]

Altmann setzte sich in seinen Audi und fuhr durch den ersten richtigen Schnee des Winters, in dem selbst Berlin wie eine Märchenstadt aussah. Ach, Berlin. Altmann liebte die Stadt. Er liebte nicht nur das Berlin bei Nacht oder das Museum Berlin, nein, er liebte Berlin als politische Metapher. Wo sonst als in Berlin war der dritte Weg zu finden, wo sonst waren auch nur seine Umrisse, seine Perspektiven zu erkennen.

Wem hier die Augen aufgingen, der musste zwangsläufig zur Politik kommen – und die einzig noch mögliche, noch denkbare, noch ausstehende Politik war der dritte Weg. Und selbst, dachte Altmann, als er über den schneebestäubten Kurfürstendamm Richtung Gedächtniskirche fuhr – vorbei an der Schaubühne, an den lichtdurchfluteten Restaurants, den Buletten-Palästen, Kinos und Cafés, vorbei an der Berliner Uhr, deren bonbonfarbene Würfel erst im Schneewirbel richtig zur Geltung kamen, vorbei an den Luxuspuffs und den Würstchenbuden, an den langbeinigen Huren im Nerz und den pockennarbigen Asylanten mit den Heroinbriefchen im Plastikstiefel – und selbst, dachte Altmann mit einem Anflug von Bescheidenheit, selbst wenn das alles nicht wäre, bliebe Berlin immer noch die einzige Stadt, die vierundzwanzig Stunden lang die Karten mischt – verlier oder gewinn, aber bleib im Spiel.

In Schöneberg schlug seine Stimmung um. Er fuhr langsam zwischen den Streifenwagen, den Zivilfahndern, den schrottreifen Büchsen der Freaks, den Taxis und Zuhälterlimousinen, den Motorrädern mit ihren Lederreitern und den Fahrrädern mit den verträumten blassen Studentinnen in ihren Regenpelerinen vom Türkenmarkt, und seine Stimmung nahm sofort die schalen Farben der Umgebung, ihre Brüche und Ruinen auf und setzte sie um wie in einem chemischen Prozeß. Altmann störte jetzt der widerliche Geschmack des Klaren, der mit dem Menthol eben doch nicht wegzukriegen war. Schöneberg deprimierte ihn. Verkommenheit hinter Stuckfassaden, dazwischen die Klötze der Mietburgen und Versicherungen. Da war Kreuzberg entschieden besser, Kreuzberg war schon der dritte Weg. Schöneberg war verlottert wie ein Fin-de-siècle-Bordell, wo das Rattengift sich allmählich gegen das Parfüm durchsetzt. In keiner westdeutschen Stadt hatte Altmann dieses Gefühl scharf abgegrenzter Bezirke, entgegengesetzter Perioden und Desasterzonen gehabt; freilich war er auch schon zu lange in Berlin, um sich in westdeutschen Städten noch wirklich auszukennen. (Der dritte Weg [1983] S.273f)

 

Sie sieht mich dann nur an mit ihrem sanften Lächeln und richtet mit ihren langen Fingern die Blumen in der Vase oder schenkt mir etwas Wein nach und sagt dann, dass sie noch irgendwohin will, mitten in der Nacht, meistens in eine dieser verlausten Kreuzberger Kaschemmen, wo alle zusammenhocken, die sich erfolgreich davor drücken, erwachsen zu werden. Ich geh nur selten mit. Für Profis fängt der Tag früh an. […]

Neben ihm stand eines von diesen Mädchen, die ihr Leben lang in Holzclogs rumlaufen, Halfzware drehen, den sie mit der taz in einem Jutesack herumtragen, und davon erzählen, daß die Stadt jetzt auch noch die Mittel für ihre Tanztherapie gestrichen hat. (Der Mann, der an Gedichte glaubte [1984] S.341f)

 

Ich bin auf dem Ku’damm auf und ab spaziert im Schub mit den Nichtstuern, Besoffenen, Fixern, Strichern, Touristen, Skateboardianern, Nutten, Nackten, Pakistanis, Dackeln, Doggen, Spandauern, Schönen und Schicken. Ich habe mehr Besoffene herumtorkeln und hinfallen und daliegen gesehen als je irgendwo, außer in Dublin am Zahltag. Es war noch heißer geworden und die meisten Bummler hatten etwas Flackerndes in den Augen, ein Irresein. Es wurde auch demonstriert und agitiert, es gab Hungerstreiks mitten auf dem Bolevard vor den Bulettenpalästen, für Frieden und gegen Abtreibung, oder vielleicht habe ich das missverstanden. Ich hatte gelesen, daß es jetzt 4,7 Milliarden Menschen gab. Man merkte es. ( Die schöne Helena [1984] S.359f)

München zwar, aber doch ein (wie ich finde) würdiger Abschluss:

Max rauchte und sah durchs Fenster auf die Straßen. Prächtige Stadt. Reich, korrupt und immer noch schön. Er wohnte seit zehn Jahren hier und liebte die Stadt trotz aller Verrohungen und Verwüstungen wie am ersten Tag. Vielleicht liebe ich sie sogar mehr als damals, dachte er. Mit Städten ist es anders als mit Frauen. Frauen bringen dich zuerst ganz hoch, ganz ins Paradies, und dann holen sie dich langsam und unter Schmerzen und Tränen und Flüchen und Qualen wieder runter in den Alltag, in den gewöhnlichen Schrecken der zu weich gekochten Eier, der Eifersucht, der gepanzerten Lippen, der Spinnweben um die Augen, nachts wenn die grauen Bäche fließen, vor dem Hahnenschrei. Aber Städte waren anders, sie waren aus Stein und Beton und Asphalt und Stahl, aus Erde und Maschinen und Himmel, aus großen Gefühlen, aus Dreck und Gewalt und Glück und Tod, aus den Millionen, die nachts ihre Angst betäubten und am Tag wieder die Fresse hinhielten und ihre Schulter ans Rad. Städte waren das Licht und die Künstlichkeit, das Beben der Straßen und die Musik, die aus den Mauern weinte. Städte konnte man lieben, wenn man die Menschen nicht mehr lieben konnte. (Das Glück des Profis [1982] S.196)

 

Hasenfest, eher nicht so froh…

…oder so ähnlich.

Nur eine kurze Wortmeldung, so zwischen den Feiertagen: Heute gilt ja ganztägig das Tanzverbot. Dem stell ich einfach mal die Rezension zu einer Abhandlung über das Konzept „Tanzwut“ im Mittelalter entgegen. Weil ich es spannend & passend finde.

Nicht ganz so dolle sind die Sachen, die manchmal im Internet passieren. Ja, es gibt inzwischen auf alle Fragen dazu eine Antwort. Sicher, viele Probleme, Missverständnisse, Konflikte und Auseinandersetzungen haben ursächlich nichts mit dem Medium zu tun – Allzumenschliches, meist. Wer das ohne Netz haben will, kann ja mal in diversen linken Zusammenhängen (in rechten wahrscheinlich auch, da kenn ich mich nicht so gut aus) ähnlich viel Zeit und Diskussionen verbringen; Plena statt Kommentarspalten und Foren. Trotzdem: Nicht ohne Grund gibt es das unbestimmte Gefühl, hier unbedarfter, mithin geschützter agieren zu können. Es ist nun mal etwas anderes, ob der Geheimdienst jeden Tag vor der Tür steht und dein Tagebuch durchlesen möchte, oder ob er das über die Telefonleitung tut. Irgendwie so.

Was ich damit sagen will: Ich wollte jetzt eigentlich gar nichts schreiben. Höchstens wieder einen alten Text aus der Mottenkiste kramen. Weil ich immer noch nicht genau weiss, wo ich hinsteuere – die Titelerklärung zum Blog lieferte ich ja, und das war anfangs der Sinn dieser Veranstaltung hier. Keine Angst, es geht mir erstaunlicherweise überaus knorke. Ich schreibe viel, so viel wie lange nicht. Ich verbrachte wunderbare Tage bei wunderbaren Menschen im wunderbaren Hamburg. Ich lese viel. Nur hier wäre eben kurzzeitig Schmalhans Küchenmeister gewesen.

Wenn nicht die Sache bei tikerscherk drüben passiert wäre. Wobei ich natürlich nicht weiss, was passiert ist; nur das, was sie selbst dazu schrieb. Und dass mich das sehr getroffen hat, weil sie meine allerliebste Lieblingsbloggerin ist. So. Wenn es jemand nicht verdient hat, Opfer von so einem Mist zu werden, dann sie. Mich erinnerte das an die FakeGeschichte, die mich auch sehr bewegt hat, aus der Ferne. Krasse, interessante, verstörende Geschichte, dachte ich damals. Schlimm, dass so etwas überhaupt passiert – und schlimmer, dass es jetzt jemanden traf, den ich auf eine bestimmte Art glaube, zu kennen. Wenn man was zu Ostern wünschen kann, dann wünsche ich der hochgeschätzten tikerscherk, dass sie über all das Nachdenken, Reflektieren und Zweifeln irgendwann dahin kommt, wieder solche Texte schreiben zu können. Sonst nichts.

Und deshalb musste ich meine Blogroll akut anpassen und hab dabei gleich einen Kalender rechts eingefügt. Die großen Würfe folgen später. Vielleicht. Alles weitere & besser verständlichere, wahrscheinlich, steht drüben beim kiezneurotiker.

 

Gestern und heute; Klowände, Internet und Schreiben

Ich glaube, es war Klaus Baum, der vor Wochen oder Monaten diesen Schnipsel verbreitete.  Geändert hat sich Vieles in den Wochen, Monaten und Jahrzehnten – nicht aber der Gehalt dieses Interviewfetzens, dem habe ich eigentlich nichts weiter hinzuzufügen.0906_efa8

In der Geschichtswissenschaft gilt der Krim-Krieg als der erste moderne Krieg. Damit sind eher die Mittel gemeint (Eisenbahn, Waffen, Telegraphie), das Denken hinter der Kriegsführung war weniger modern und geprägt durch Fehlplanungen und -einschätzungen auf allen Seiten. Ob das, was sich derzeit in dieser Region entwickelt (der Auslöser – die Ereignisse auf dem Maidan – ist inzwischen wohl zur Fussnote verkommen; Entscheidungen werden nicht mehr von einer souveränen Ukraine getroffen, sondern in Brüssel, DC oder Moskau), ähnliche weltpolitische Konsequenzen zeitigen wird, müssen Historiker späterer Epochen bewerten. Wenn es denn dann noch welche gibt. Das Potential dazu ist jedenfalls vorhanden, ich traue einigen Akteuren durchaus zu, einen grossen Drang danach zu haben, das Ventil mal wieder richtig aufzudrehen. Sewastopol als nächstes Sarajewo, nichts ist unmöglich. Aber lassen wir das Spökenkieken und beschäftigen uns lieber mit naheliegenderen (oder näherliegenden?) Sachen. Mit Klowänden zum Beispiel.

Der Werbefuzzi von Matt bezeichnete vor acht Jahren Blogs als solche, genauer: als die Klowände des Internets. Ausgerechnet übrigens in Verteidigung der „Du bist Deutschland“-Kampagne, die mit ihrer Sloganwahl – um mal im Bild zu bleiben – ja auch kräftig in die Schüssel gelangt hat.

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Ich mag Klowände, da gibt es immer was Interessantes zu lesen, selbst bei denen im Real Life. Pure Ablenkung davon, dass man eigentlich selbst die Wände vollschreiben sollte.  Erst einmal „die Anderen“ – auch Journalisten machen Fehler: Manchmal grosse, indem sie die grundlegenden Prinzipien ihrer Branche vernachlässigen. Manchmal kleine, indem sie einfach das Thema verfehlen. Manchmal gedankenlose, die ihnen hätten auffallen müssen, es aber zu unserer Belustigung nicht taten.

Und jetzt „wir“: Unsere Klowände sind oft dazu da, einfach mal den Unmut über den ganzen verdorbenen Mist in der Welt rauszulassen. Doch bei genauem Hinsehen kann man erkennen, dass ebenso häufig Selbstzweifel (statt Kritik an anderen) thematisiert wird, nicht immer so laut, aber dafür um so intensiver und berührender.

Eine kleine Ausrede, die mir gerade hilft: Es gibt auch etwas über das Schreiben zu lesen, noch dazu mit einem treffenden Titel. Die Quintessenz: Wir können uns nicht aussuchen, was sich in unserem Kopf einnistet – oder welche Geschichten darauf warten, von uns erzählt zu werden.  Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist der Hinweis auf den richtigen Umgang mit Autoren. Den liefern Katrin Passig (Journalistin? Bloggerin? Autorin? Take your pick…) und Ira Strübel. Eigentlich müsste ich den Artikel in Gänze hier zitieren, aber so greife ich wahllos eine Passage heraus:

Vermeiden Sie auch die Frage, wie die Arbeit am nächsten Buch vorangeht. Selbst wenn der Autor täglich acht Stunden damit zubringt, in eine leere Datei zustarren, und sich den Rest der Zeit betrinkt, wird er auf Ihre Frage nur «achja, ganz gut» antworten. Jetzt sind Sie nicht klüger als zuvor, der Autor aber ist an seinen schweren Beruf erinnert worden und bekommt schlechte Laune. Für den Rest des Gesprächs hadert er damit, keine Schreinerlehre gemacht zu haben.

Wenn es gar nicht mehr geht, mit den Klowänden und dem, was dort so zu lesen ist – auch das kann passieren – wenn es einem also hochkommt: Manchmal gibt es dafür eine Lösung, nur ein paar Schritte weiter. Ich war begeistert, als ich auf einer Hochzeit in Friesland folgende lebenspraktische Installation entdeckte. Jahrelange Erfahrungen mit der Landjugend und ihren Hinterlassenschaften im Mehrzweck-Veranstaltungssaal führten wohl zu diesem sanitären Pragmatismus:

( Dieses Becken befindet sich auf Waschschüssel-Höhe, so umgeht man das unwürdige Knien. Auch schön & praktisch: Die Griffe.)

Wenn alte Männer die Welt nicht mehr verstehen (II)

Jegliches hat seine Zeit: Kürzlich schrieb ich über Günther Wallfraff, dass er wohl nicht mehr in diese passt. Jetzt bin ich durch Fefe auf einen Videoschnipsel mit Noam Chomsky gestossen. Chomsky ist ein Grosser, keine Frage. Auch wenn seine lingustischen Theoreme – das ist schliesslich sein Fachgebiet – inzwischen überholt oder falsifiziert wurden, hat er doch, ähnlich wie Wallraff, wertvolle Beiträge für den gesellschaftlichen Diskurs beigesteuert. Die Berufsbezeichnung für beide wäre mit „Kritischer Geist“ wohl am besten erfüllt.

Fefe schreibt nun, mit dem Hinweis auf einen Artikel, der sich auf ein nicht mal 4-minütiges Youtube-Video bezieht:

Noam Chomsky erklärt das Internet.

In an interview uploaded to YouTube, Noam Chomsky answers the question “[d]oes the generative potential of the internet help to form new kinds of social or cultural associations” by saying that he knows of “actual cases” of “adolescents who think they have 500 friends, because they have 500 friends on Facebook, but these are the kinds of friends who, if you say, ‘I had a sandwich,’ they ask ‘Did it taste good?’”

Mir persönlich fehlen da noch Katzenbilder, aber ansonsten ist das doch eine akkurate Zusammenfassung der Lage, meint ihr nicht?

Soooo falsch ist das alles gar nicht, was der Herr Chomsky da erzählt. Früher war alles besser, vor acht Wochen zB war noch Sommer. Allerdings möchte ich hinzufügen: Wenn im Internet jemand – speziell „adolescents“ –  erzählt, er hätte ein Sandwich gehabt, würde ich als Nachfrage erwarten „Who were the guys?“. Oder, um Chomskys Bemühungen um die englische Sprache zu würdigen, „With whom?“.