Es hat eine Weile gedauert: Viele Texte waren zu lesen, andauernd kamen neue dazu. „Ach komm, das wäre doch auch noch was für die nächste Linkliste…“ Dachte ich mir oft, setzte ein Bookmark, auf dass ich den Beitrag in einem ruhigen Moment lese und eben eventuell in die nächste Linkliste aufnehme. (Um die es sich hier übrigens handelt, falls sich wer fragt…) Dann kam auch noch das gute Wetter dazwischen, diverse Seen im Grunewald wollten besucht werden, in Kreuzberg vor der Haustür wurde sorgsam der nächste zerbrochene-Bier-Mate-MiniHugo(!)-Flaschen-Slalom aufgebaut, das heimliche Highlight jeder Großveranstaltung.
Und dann trotzdem der obligatorische Karnevalsbesuch: Erst, weil die Tomaten wirklich dringend umgetopft werden mussten – Dienstag wäre zu spät gewesen, da führte kein Weg dran vorbei, sondern also direkt zur Domäne, wo es die billige Blumenerde gibt. Spassige Sache, Karnevalssamstag um 16 Uhr einen 40l-Sack so schnell wie möglich durch das Gewusel auf die andere Straßenseite zu schleppen, wo es wenigstens etwas ruhiger ist. Abends dann aber wirklich, zwei Fliegen mit einer Klappe, mindestens: Das neue Yaam in der alten Maria wollte ich mir sowieso schon längst angeschaut haben, ausserdem hatte ein guter Freund, der noch vernünftig verabschiedet gehörte vor seinem langen Urlaub, eine +1 auf der Gästeliste frei. Die Band, mit der er verbandelt ist und wegen der wir da waren, ging gut ab, der Rest drumherum eher nicht so. Dafür schien es aber in der Zwischenzeit draussen auf der Strasse ordentlich gekracht zu haben, die Brücke war gesperrt und mit ziemlich vielen Polizeifahrzeugen zugestellt. Obwohl es weit nach Mitternacht war, halfen bei der Absperrung Jünglinge in Uniform, die eigentlich längst ins Bett gehörten. Schnupperpraktikum, kurz bevor es in die Oberstufe geht, dachte ich. Und: Ganz okay, das neue Yaam, dachte ich auch. Klar war das alte Gelände besser, aber immerhin haben sie jetzt mindestens zehn Jahre Planungssicherheit.
Wo wir gerade schon mal bei der Polizei sind: Die twitterte in Berlin 24 Stunden lang jeden Einsatz live. Diese eine, vielbeschriene Seite des Netzes geht mir ziemlich weit am Hinterteil vorbei. Mit sozialen Netzwerken kann ich nicht viel anfangen, der GooglePlus-Account, der mir mal mit einer Betaphaseneinladung aufgeschwatzt wurde, liegt seit Jahren brach und taugt nur noch zur Überraschung über die regelmäßig hereinflatternden Vorschläge, wen man vielleicht kennt (erschreckend genau manchmal). Facebook nutze ich seit Jahren, allerdings nur, um mit Freunden und Bekannten zu kommunizieren, die weiter weg wohnen: Australien, Südafrika, USA, Uruguay, jenseits der Bergmannstrasse, so in der Art. Ich habe dort vielleicht zwei Dutzend Freunde, und noch nie hat einer von denen Essensbilder oder Selfies gepostet. Irgendwas muss ich scheinbar richtig gemacht haben.
Twitter hat mich nie gereizt, ich konsumiere diesbezüglich einzig und allein die monatlichen Lieblingstweet-Listen diverser Blogs. Aber es ist nicht nur die Berliner Polizei – selbst die CIA hat sich jetzt mit einem heissdiskutierten ersten Tweet zu Wort gemeldet. Ich finde das alles andere als witzig: Die eklige, abstossende Seite der Staatsmacht versucht es jetzt also mit Ironie. Ihr mögt mich nicht, weil ich diese ganze Demokratiegeschichte mit meiner Totalüberwachung kaputtgemacht habe? Dann spiele ich jetzt halt den lustigen Klassenclown. So kommt mir das vor, im Jahr 2 nach Snowden. Absurdes Theater, aber nur zum Heulen, nicht komisch. Klar konnte man das alles schon längst wissen, wusste es sogar, verdrängte es aber, bis es eben irgendwann doch durch die Bewusstseins-Oberfläche durchbrach.
Verdammt, und schon hat sich die Politik hinterhältig eingeschlichen. Dabei will das doch kein Mensch lesen: Atomabfälle vor Afrikas Küsten verklappen und sich dann über Piraten beschweren. Sowas passt einfach nicht, ausserdem ist doch bald WM (und wehe, da krittelt jemand an der diesbezüglichen Gute-Laune-Berichterstattung mit menschelndem Wohlfühlfaktor rum). Dafür werden selbst die Kriege kurz auf Pause gestellt, nicht auf den Schlachtfeldern in der Ukraine oder in Syrien, aber immerhin in den Medien. Nicht mal um den Verbleib des goldenen Brötchens wird sich journalistisch gekümmert, eine Schande! Aber wieso sollte sich auch jemand für eine halbwegs differenzierte Darstellung der Gegenwart interessieren, wenn das nicht mal mit der Vergangenheit funktioniert? Wer es differenzierter will, soll halt ins Museum gehen. Letztens las ich irgendwo die Theorie, dass es in den Nachrichtensendungen so viele bad news gibt, weil es ein Gleichgewicht zu den good news der Werbepausen geben muss. Bei dieser eigentlich guten Nachricht vermute ich allerdings andere Beweggründe, warum sie es nicht in die Tagesschau schaffte.
Also bleibt nur der Rückzug in die innere Emigration, oder in die Wälder, zur Not auch in die inneren. Das passt gut, denn es wird sowieso mal wieder Zeit, hier durchzukehren. Diese Pappelpollen (was für ein schönes Wort für eine so nervige, aber eben auch schöne Angelegenheit – ab in die Überschrift damit) haben ihre Zeit ja nun wohl hinter sich. Die Berliner Polizei twitterte immerhin live über deren Ableben. Und auch sonst gibt es die eine oder andere Veränderung, hier auf der Spielwiese und im Kiez. Das mit der Spielwiese, das Experimentieren, wie ich es genannt habe: ich habe das Gefühl, das klappt ganz gut. Im Sinne des Herumprobierens, möglichst ohne Scheu und Rücksichten. Vielleicht ergibt sich daraus ja dann irgendwann eine Linie, vielleicht auch nicht.
Ich kann mich also eigentlich keineswegs beklagen: Das Wetter passt, ich komme ausgiebig zum Lesen und zum Schreiben gar, und auch mit dem Blog sollte ich zufrieden sein. So ganz falsch läuft es also gar nicht, wenn man liest, was es so für kluge Ratschläge gibt. Jeder der erwähnten Aspekte hat allerdings auch einen kleinen Haken. Das Gelesene wartet auf einem immer größer werdenden Stapel darauf, dass die angestrichenen Sachen aus ihm herausgeschrieben werden. Das Schreiben ist großartig, führt aber doch dazu, dass hier im Blog – Punkt 3 also – Schmalhans mal wieder als Küchenmeister eingestellt wird und es hauptsächlich Aufgewärmtes aus der Tiefkühltruhe gibt. Was ja nicht immer schlecht sein muss, schon klar. So komme ich also nur zu kleinen Justierungen: daMax neue Adresse wird – längt überfällig – in der Blogroll angepasst, und dort kommen endlich auch die Schrottpresse und berlin:street rein.
Überraschungen gibt es natürlich auch allerorten: Da musste erst jemand, die seit knapp zehn Jahren viel zu weit weg in Australien wohnt, für viel zu kurze zwei Wochen vorbeikommen, damit ich mal wieder – auch gefühlt seit zehn Jahren – in den Prater Biergarten gehe. Und mir dann dort erklären lassen, dass die Eisenbahnmarkthalle jetzt (wieder) Markthalle IX heisst und weltweit really famous ist für ihren food market. Ich habe sie immer mit Herrn Lehmann verbunden, für den es dort, im Weltrestaurant, in der Markthalle und im Privatklub die Premierenfeier gab, die mir aus mehreren Gründen immer in guter Erinnerung bleiben wird, auch, weil sie so gelungen war.
Eine weitere Überraschung – wir sind bei der obligatorischen Literatur-Abteilung angekommen – hat die Mit-Fauser-Jüngerin Katja Kullmann aufgetan. Da gibt es als Sahnehäubchen noch einen alten Text vom Captain Ploog dazu. Wer es lieber zeitgenössischer mag: Die Frau Bukowski haut ein Kleinod nach dem nächsten raus, da werden sämtlichen Jurys dieses Landes die Ohren schlackern, oder die Augen nervös beim Lesen zucken. Auch auf rocknroulette gab es kürzlich eine sehr feine Serie, falls wer mehr Zeit zum Lesen hat. Oder bei Glumm, natürlich. Es mag ja bereits angeklungen sein, dass ich den für ziemlich famos halte. Manchmal bin auch ich nicht vor Fanboytum gefeit, deshalb ging es mir ungefähr so wie der wolkenbeobachterin, als hier vor einiger Zeit ein Sternchen aus Solingen eintrudelte. Da ich aus Erfahrungen lernte, ist meine Bewunderung meist eine stille, die eben gerade nicht auf möglichst große Nähe aus ist – ich befürchte bzw. erlebte, dass Menschen, die große Kunst schufen, als Menschen trotzdem Arschlöcher sein können. (Wer weiss, wie ich so von anderen gesehen werde: ich jedenfalls nicht…).
Zum Abschluss gibt es noch einen kurzen, starken Text von tikerscherk und eine Serie vom Kiezneurotiker zu Rock im Park (der es natürlich nicht nötig hat, von hier verlinkt zu werden, sondern dem für das Verlinken zu danken ist. Nur, dass diese Ausschläge nach oben in der Blogstatistik den Rest immer so kümmerlich aussehen lassen … Wie auch immer, für das „Kann nicht wenigstens mal jemand auf den Boden spucken?“ musste ich einen Link setzen.)
Wem das alles zu viel Text ist, hier sind ein paar Bilder.