Doch, doch…

… ich bin noch da, auch wenn die dank des Kiezneurotikers hier Gelandeten einen gewissen Stillstand verspüren mögen. Es ist sogar ein etwas längerer Beitrag in Arbeit, der in der nächsten Zeit wohl seinen Weg auf diese Seite finden  wird. Ein Hauptgrund für meinen Blog-Neustart war, dass ich nicht mehr so wütend gegen dieses charaktermaskendurchsetzte Polittheater anschreiben wollte, weil mich (und viele andere scheinbar auch, das lese ich in letzter Zeit oft) das nur noch frustierte. Sondern eher wieder persönlichere Geschichten, natürlich voll aus der Deckung der Anonymität heraus und mit bedeutungsschwangerem Anspruch an das Große Ganze. Hat bisher super geklappt, schon klar.

Genau deswegen verkneife ich mir zur aktuellpolitischen Gesamtsituation sämtliches „Hab ich doch schon tausendmal geschrieben und schreib’s halt jetzt nochmal“-Rumgeheule, nur soviel sei mir gestattet: Albrecht Müller von den Nachdenkseiten stellt mit einer bravourös gewählten Überschrift eine Frage, die als Artikel eigentlich nur zwei Buchstaben mit einem darauf folgenden Ausrufezeichen benötigt: Sind wir schon so verblödet, dass wir uns erst dann aufregen, wenn Frau Merkel von den US-Diensten abgehört wird? Auch Fefe dreht angesichts der Absurdität der ganzen Veranstaltung frei, Stichwort Spezialdemokraten:

Schmerz lass nach! Das bescheuertste Statement des Tages kommt von der Verräterpartei. Achtung, festhalten:

„Wer die Kanzlerin abhört, der hört auch die Bürger ab“

IHR PFEIFEN! Wir WISSEN schon, dass die uns alle abhören! Nur dass sie auch die Merkel mit ihrem angeblichen Hochsicherheitstelefon abhören, das wussten wir noch nicht. Mann Mann Mann. DAS IST DOCH GERADE DIE IRONIE AN DER SITUATION JETZT!

Wird es irgendetwas nützen? Nein. Es wird sich schon ein Krieg, ein spektakulärer Bruch der Koalitionsverhandlungen oder eine Wirtschaftskrise finden, und plötzlich haben alle die ganze Sache ganz schnell wieder vergessen bzw. zu den Akten gelegt. Zur Not werden halt ein paar riots gegen Minderheiten inszeniert, da haben vor allem die Geheimdienstler Erfahrung drin, und die haben ja einiges gutzumachen.

Wie das mit dem Vergessen funktioniert, sieht man gut an Thomas de Maiziere. Der durfte im Morgenmagazin die übliche Bundeswehrpropaganda verkünden und seinen Senf zum abgehörten Merkelhandy dazu geben, ohne sich peinlichen Fragen zu Panzer-, Drohnen- oder Sturmgewehrpannen stellen zu müssen. Dabei hatte Merkel dem schon vor 5 Monaten ihr Vertrauen ausgesprochen, der hält sich richtig gut. Was er im Interview nochmal unterstrich mit dem dezenten Hinweis, er sei ja auch schon Kanzleramtsminister und Innenminister gewesen, also Top-Ziel, um abgehört zu werden. Und eben immer noch im Amt, wohl auch demnächst wieder, egal in welchem.

Und nu?

So schlecht lag ich mit meiner realistischen Prognose also gar nicht: CDU über 40%, SPD hat sich kaum gesteigert, Grüne und Linke gleichauf und einstellig, AfD knapp nicht drin, FDP nicht ganz so knapp nicht drin. So weit, so schlecht.

Da es für eine absolute Mehrheit bei der Union auch knapp nicht reicht, stellt sich die Frage, wer die Umfaller-Rolle der FDP übernimmt, ich tippe auf die SPD. Dass die versprengte Truppe von Rösler und Brüderle achtkantig rausgeflogen ist, ist die einzige positive Botschaft dieser Wahl. Trotzdem schliesse ich mich der Meinung von Michael Schmalenstroer  und Stefan Niggemeier an, dass es nun an der Zeit ist, über die Fünf-Prozent-Hürde nachzudenken (wenn einem der Sinn nach Reförmchen steht statt nach grundlegenden Veränderungen).

Die Stimmen der Liberalen – was früher ja einmal für eine ernstzunehmende politische Strömung stand, denen es nicht nur um den freien Markt, sondern auch um Bürgerrechte ging – haben sich auf FDP, AfD und Piraten verteilt (ein wenig wohl auch an die Grünen, CDU und SPD). Die AfD erlebte ihren Piraten-Abgeordnetenhauswahl-Moment, die Piraten ein Desaster. Dieses wird auch der AfD nicht erspart bleiben, aber mit dem beachtlichen (wenn auch vorhersehbaren)Wahlergebnis von knapp unter 5 % ist die Bundesrepublik in der kontinentaleuropäischen Normalität mit populistischen nationalliberalen Kleinparteien angekommen.

Wer auch immer mit Merkel regiert, wird verlieren. Die Sozen werden nicht den Arsch in der Hose haben, die Koalition zu verweigern und statt dessen eine Opposition zusammen mit Links gegen Schwarz-Grün auf die Beine zu stellen. Ist schliesslich – um schon mal eine Floskel vorwegzunehmen – ein ernster Auftrag in diesen Zeiten, da braucht man eine stabile Regierung, gerade als so starker Faktor in Europa, Dienst am Vaterland, da kennt man keine Parteien mehr usw.

Und all die progressiven Netzvollschreiber, Vordenker und hippen Berufsjugendlichen mit apple-Vollausstattung haben es gerade mal geschafft, die Piraten nicht ganz untergehen zu lassen. Trotzdem sind deren 2,2 % eine Katastrophe für all jene, die meinten, dass ihre Filterblase irgendeine Relevanz in der realen Welt hätte. Schirrmachers Feuilleton-Brigade, um es mal so auszudrücken, ist eben nur eine possierliche Marginalie für den Sonntagsnachmittagstee, regiert wird weiterhin mit (und durch) Bild und BamS.

Also eine weitere grosse Koalition. Das lässt wenigstens auf eine wachsende APO hoffen, ein klitzekleines Bisschen.

Übrigens: Cajus Julius Caesar (natürlich CDU) wurde auch in den Bundestag gewählt und kann dort ohne den Umweg über Nachrückerplätze einmarschieren. O tempora…

Wählen? Pest und Cholera wären schön…

Titanic-Wahlplakat Erststimme Ströbele/Heesters

…aber wir haben nur die Wahl zwischen mehr als einem Dutzend alberner Parteien. „Was du auch wählst, es kommt immer >Deutschland< dabei raus“ heisst eine Veranstaltung, die der Stressfaktor für heute abend vorschlägt. Und genau so isses.

Der unsäglich-unfassbare Prolog, den die gestrige Bayernwahl geliefert hat, beweist doch den Unsinn dieser ganzen Veranstaltung. Von hundert Wahlberechtigten gingen 64 wählen. Von den 64 waren knapp unter die Hälfte, also sagen wir mal 31 30, so dämlich, die CSU zu wählen. Und 30 von Hundert – mal ganz abgesehen von denen, die nicht wählen dürfen, obwohl sie Jahrzehnte hier leben, egal ob wegen ihrer Herkunft oder ihres derzeitigen Aufenthaltsortes, Psychiatrie oder Knast beispielsweise – also 30 von Hundert wird jetzt von diesen Dobrindts und Seehofers und Aigners als Rückgewinnung der absolute Mehrheit gefeiert.  Passt scho, wenigstens die FDP seid’s losgeworden. Der fällt grad eh nix G’scheites ein ausser „Künast sieht scheisse aus und will uns alles verbieten, rot-rot-grün, buhu!“ Tolle Demokratie!

Da hilft es auch nicht, dem ganzen ein politikwissenschaftlich-avantgardistisches „Post“ voranzustellen, das wirkte schon bei der Moderne und dem Strukturalismus allenfalls hilflos. Es ist mit der Verfasstheit unserer Verfassung in etwa so wie mit der Werbung – dem anderen (eigentlichen?) Übel dieser Zeit: Die Lasagne  sieht nicht im entferntesten so aus wie das Bild auf der Packung, jeder weiss das, niemand regt sich auf. Und egal ob da jetzt Pferdefleisch drin ist oder NSA, war doch eh klar, hat doch jeder gewusst, irgendwie.

Wozu also bei diesem Theater mitmachen? Wenn jemand ernsthaft erwägen würde, diese ganze Geheimdienstgeschichte mal aufzulösen, im doppelten Sinne. Wenn dabei all der kranke Mist, der sich zwischen den gut gemeinten Fugen des Grundgesetzes festgesetzt hat, entsorgt werden würde. Wenn die Entscheidungsbefugnisse und die Systemrelevanz wieder dem eigentlichen Souverän zugestanden werden würde statt den Aufsichtsräten, Klüngelnetzwerken und kapitalistischen Verwertungsmaschinerien – dann vielleicht.

Aber solange die Staatsräson dadurch geschützt wird, dass von der Allgemeinheit bezahlte Verfassungsschützer ihre schützende Hand über all unsere Kommunikationskanäle halten, die sie sicherheitshalber stets im Blick haben, Grenzen hin oder her;
solange sie zu unser aller Sicherheit Nazi-Vereine wie den KKK, Nazimusiklabels und Naziterrorgruppen aufbauen, um sie bei Bedarf hochgehen zu lassen (gerade sind Nazis halt in, das ging und geht auch in die andere Richtung);
solange ein staatstragendes Gewese um Nationalitäten gemacht wird, anstatt sich endlich mal ernsthaft um einen Ausweichplaneten zu kümmern;
und solange „unsere“ Regierungen uns unsere Drogen verbieten, nur um ihr lukratives Schwarzmarktmonopol auf diesem Gebiet nicht auch noch an die menschenhandelnden Mafiarocker zu verlieren, die sich über ihre verbeamteten Handlanger sowieso schon kaputtlachen –
solange macht wählen gehen doch nun wirklich keinen Sinn, oder?

Wenn man also aufgrund dieser ganzen verlogenen Wahlmotivationswerbung in die Versuchung kommt, am nächsten Sonntag ein Kreuz zu machen, dann bitte wenigstens ein ganz großes, quer über den Wahlzettel, er ist groß genug. Und danach kann man sich dann mal ernsthaft Gedanken über eine neue APO machen, Zeit wird’s.

PS. Der ARD-Deutschland-Trend (sic!, siehe oben) sagt:

CDU 40%

SPD 28 %

Grüne 10 %

Linke 8%

FDP 5 %

Piraten 2,5%

AFD 2,5%

Ich sag – realistische Variante-

CDU 41%

SPD 27%

Grüne 8%

Linke 8%

FDP 4,9%

AfD 4,9%

Piraten 4,9 %

-wenigstens halbwegs spannende Variante, wenn auch unwahrscheinlich

CDU 38 %

SPD 26%

Grüne 10%

Linke 11%

FDP 2,9%

AfD 5 %

Piraten 5 %

Top, die Wette gilt! Oder es fällt vorher noch ein ordentlicher Meteorit vom Himmel und beendet dieses ganze irdische Trauerspiel. Wär mir lieber.