Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident!

Aus aktuellem Anlass ein ziemlich alter Text aus den frühen Tagen Wowereits. Nach all den Jahren kann ich den Westentaschensonnenkönig natürlich nicht mehr leiden, aber es gab Zeiten, als Wowereit die wählbare Alternative zum Westberliner CDU-Filz um Diepgen und Landowsky war, mag man kaum glauben, heutzutage. Und bevor er in seiner Selbstherrlichkeit den Kultursenatorenposten mit sich selbst besetzte, hatte er mit Goehler und Flierl zwei Menschen in diesem Amt, mit denen man wenigstens vernünftig reden konnte, im Gegensatz zum Vorgänger Radunski. Wenn mich die Erinnerung aus dem Nähkästchen nicht täuscht. Hier also ein Bericht aus einer anderen, längst vergangenen Zeit[Kontext]:

(25.03.2002)

Ich war gerade im Urlaub in Dänemark. Fast klischeegerecht, mit Volvo, Hund und Frau. Die dänischen Ferienhäuser haben als Vorzug nicht nur die obligatorische Sauna, sondern meist auch Fernsehempfang via Satellitenschüssel. Und da das Wetter scheiße und der Hund müde war, dachte ich mir, ich tue mal was für mein Politikwissenschaftsstudium. Also schaute ich mir die vollen fünf Stunden Phoenix-Live-Übertragung der Abstimmung im Bundesrat über das Zuwanderungsgesetz an.

Schon im Vorhinein war klar: das wird spannend. Es gab ein paar geplänkelte Reden vorne weg, sowohl der Kandidat* als auch Schröders Beerber, der dicke Sigmar Gabriel, menschelten und taten so, als ob mal endlich Klartext geredet wird. Und dann kam die Abstimmung, die „Geschichte schreiben wird“. Der knuddelige Wowi, der immer aussieht wie ein zufriedener Plüschteddy, dem gerade der Bauch gekrault wird, hat die Verfassung gebrochen. Na so was! Während alle anderen nur die Interessen ihrer Länder vertraten und von allen Parteizwängen frei ihr Abstimmungsverhalten gestalteten, setzt sich der Kommunistenfreund Wowereit über die CDU-Rechtsauffassung hinweg. Und schon bellt Standartenführer Koch: „Verfassungsbruch!“. Und anstatt: „Schnauze Koch, das ist brutalstmögliche Abstimmung!“ sagt Wowereit: „Mäßigen sie sich.“

Drollig! Da wollten sie alle die Debatte um ein Gesetz, welches von der Regierungspartei B90/Die Grünen noch vor fünf Jahren als rassistisch abgestempelt worden wäre, vom Wahlkampf fern halten, und schon war man mitten drin. Aber weg von den Inhalten – zurück zur Form, um es mit den Wahlkämpfern zu halten.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Mitleid mit General a.D. Schönbohm haben würde. Ich ging immer lächelnd und mit klammheimlicher Freude an Graffitis vorbei, die dem Ex-Innensenator von Berlin die Pest und schlimmeres an den Hals wünschten. Gäbe es eine Erhebung über die Häufigkeit personenbezogener Sprühereien in der Bundeshauptstadt, Schönbohm würde ganz oben stehen.

Und wie sah er da im Bundesrat aus! Nix mehr General, nur noch ein Häufchen Elend, Parteisoldat in Diensten des Befehlshabers aus Bayern. Seine sonst so mutig in die Höhe ragenden Augenbrauen schienen schlaff herunter zu hängen, und er schaute an diesem Tag wirklich niemandem in die Augen – außer seinem eigenen politischen Untergang vielleicht.

Keine motivierenden Reden a lá „Wo Ratten sind, da ist der Unrat nicht weit“ oder ähnliche Hetztiraden, sondern Gejammere. „Wollen sie auf den Trümmern der Brandenburger Koalition…“ Schnief! Und als der clevere Klaus dann alle schockte, ließ Stoiber seine Wadenbeisser los: Gegen das Grundgesetz, Verfassungskrise und so weiter. Wenn der Bundespräsident dieses Gesetz so unterschreiben würde, dann aber! Karlsruhe, mindestens!

Das fand ich recht lustig. Ich schlage übrigens vor, dass dieser Fall nicht in Karlsruhe, sondern in Köln-Hürth verhandelt wird. Bei Barbara Salesch oder Alexander Hold. Denn diese Richter spiegeln den Idealfall von Justitia ebenso wider, wie Koch, Stoiber & Co den aufrichtigen und nur auf das Wohl des Volkes bedachten Politiker verkörpern.

 

*Stoiber