Zitat No. 5

Gerade jetzt in Deutschland könnte man – nach 1993 sind ja zehn Jahre vergangen fast mit ‚Terror 2000‘ – da könnte man wirklich beweisen: es hat sich seitdem in Deutschland nichts geändert. Es hat sich partout nichts geändert: Die Neonazis sind immer noch da, der Innenminister ist immer noch so bescheuert wie damals, die ganze Bagage, die sich da Verfassungsschutz nennt, oder Staatsorgane, oder was weiss ich, sind alle korrupt und sind noch korrupter denn je. Es hat sich nichts geändert![…]

Deutschland legt nur noch Kränze nieder. […] Wenn man keinen Kranz niederlegen kann, dann sind wir nicht mehr Deutschland.

Christoph Schlingensief, zitiert nach Christoph Schlingensief und seine Filme von Frieder Schlaich, 2004

Zitat No. 4

Das ist ja etwas, was uns leider lange Zeit abhanden gekommen ist: Angst und Schrecken zu verbreiten.

Günter Netzer am Tag des 8:0 (BRD vs. Saudi-Arabien) im ARD-WM-Studio, 1. Juni 2002

A story we agreed to tell each other over and over till we forget that it’s a lie

[Vor kurzem las ich irgendwo, wie einfach wir es vor einem Jahr doch hatten: Unsere größte Sorge war, wie schlecht die letzte Game of Thrones-Staffel geworden ist. Nun, diese kurze Momentaufnahme von vor drei Jahren erscheint in diesem Licht dann erst recht Äonen her]

07/08/17

Und ich habe mir tatsächlich The Spoils of War am gleichen Tag nocheinmal angeschaut, das erste Mal, dass ich soetwas mache. Aber nur, weil ich zwischendurch Der Fall des Hauses Usher gesehen habe, und gehört. Französischer Stummfilm von 1928, mit Live-Kinoorgelbegleitung im Babylon, wo ich seit dem Baizfilm nicht mehr war.

Wie die Zeit vergangen ist; was seitdem alles passiert ist.

Jetzt also: Erst begeistert von dem nächsten Höhepunkt der derzeit wohl besten Serie; begeistert sowieso, obwohl oft in viele Abgründe geschaut in letzter Zeit, beinahe in die eine oder andere Klamm gestürzt wäre – aber eben auch Gipfel erreichen konnte, oder wenigstens Hochplateaus. (Wie damals den Tafelberg)

Früher – 1928 – aber auch schon: Filmkunst auf höchstem Niveau, so kam es mir jedenfalls vor; Überblendung mit Kerzenlichteffekten, durchaus rasante Dollyfahrten, das Tropfenlassen der Zeit…inmitten dieser riesigen Kulissen.

Darüber hinaus ein Buñuel! – den ich noch nicht kannte, von dem ich nichts wusste bisher, auch wenn er nur am Drehbuch mitgeschrieben hat und ansonsten Regieassistent genannt wird: Was für eine Kombination mit Poe!

Dazu das Geäst, der Nebel samt Luftzug und die Farben; nicht zuletzt die schon erwähnte Musik, das Krächzen, das Schnarren, das Donnern.

Vorher vor der Volksbühne in der Abendsonne einen geraucht, und kurzzeitig eine Vorahnung von der kommenden Überwältigung erfahren: Das Rad ist weg, Luftballonschriftzüge flattern etwas unbeholfen mit einem letzten Gruss an die alte Zeit. Gegenüber die geballte historische Macht des Horst-Wessel/Karl-Liebknecht-Hauses.

Noch viel vorher Wochenenden, die sich lohnten, Wände, die verstanden wurden, immer wieder Sonnenuntergänge, und seit kurzem auch eine Hängematte. Ganz zu schweigen von den anderen Orten mit Hängematten und Liegestühlen für locker vier Personen.

Keine Anhnung, was das alles soll, während uns die Welt da draussen um die Ohren fliegt. Ich geh morgen erst mal Brombeeren pflücken.

I never thought that dragons would exist again; no one did. The people who follow you know that you made something impossible happen. Maybe that helps them believe that you can make other impossible things happen. Build a world that is different from the shit one they’ve always known. But if you use them to melt castles and burn cities you’re not different, you are just more of the same.

Zitat No. 3

Mit diesen Sätzen begrüßte 1914 ein Reiseführer ganz ernstgemeint sein Publikum, man wundert sich:

Berlin, die namenreichste aller Hauptstädte, hat vor allen Großstädten des Kontinents und jenseits der Meere etwas voraus. Die einen nennen es das moderne Babel, die anderen die amerikanischste Stadt des Kontinents, die dritten die fleißigste, alle aber die sauberste Stadt der Städte.

Richters Reiseführer Berlin und Umgebung, Verlag Willy Holz. Berlin 1914, S.1.

Zitat No. 2

Einer der besten ersten Sätze überhaupt. Ob es hier für einen (Neu)Anfang langt, wird sich zeigen, irgendwann…

Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.

Wolfgang Herrndorf: Bilder deiner großen Liebe. Ein unvollendeter Roman. Berlin 2014.

Zitat No. 1

Wie angekündigt, nun das erste Zitat. Als Einstieg nichts von dem grossen Bücherstapel, sondern aus der aktuellen Klolektüre (generell ein unterschätztes Literaturgenre):

…doch glaube ich, unter anderem einen hoffentlich verzeihlichen Hang zur hoffentlich nicht allzu platten Gesellschaftskritik entwickelt zu haben, wobei ich Gesellschaftskritik nie mit System- oder Regierungskritik verwechseln wollte, denn Gesellschaftskritik, die das Grölen von Fußballfans in Bahnhöfen ganz unerwähnt läßt, ist keine.

Max Goldt: Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Vorredner, Majestäten, Exzellenzen, Freunde und Präsidenten, Fremde und Magnifizenzen! (Rede zur Verleihung des Kleist-Preises, 23.11.08, Titanic 1/09)