Was für ein Wochenende – und was für ein Mist, dass mich pünktlich zum Beginn des lohnenswerten Wetters doch noch eine Erkältung erwischte. Freitag also vier Kannen Tee und Ruhe. Samstag dann früh um fünf aufgewacht; so richtig klappt das mit dem neuen Rhythmus noch nicht.
Dafür hatte ich lange was von dem schönen Tag, und da frische Luft ja auch gesund sein soll, schnappte ich ein wenig davon. Unter anderem auf dem Bücherflohmarkt an der Museumsinsel – nicht meine Idee, aber keine schlechte. Lange nicht in dieser Gegend gewesen. Als ich hier vor langer Zeit studierte standen vor Merkels Haustür noch keine zwei verbeamteten Schlosswachen. Aber das war auch lange vor dem Frühstück in Wolfratshausen, und Gysi & de Maiziere (der Kleine aus dem Osten) hatten auch noch ihre Kanzlei im gleichen Haus. Richie Silberlocke (wie ihn der grosse Wolfgang Neuss nannte) selig residierte ebenfalls dort, genau wie der ehemalige Uni-Präsident, der immer der erste war, der die Polizei rief, wenn die Party im Innenhof gerade anfing, gut zu werden.
Erstaunlicherweise waren von den zwölf Büchern, die ich am Ende des Nachmittags im Rucksack hatte, sogar drei auf einer meiner unzähligen Noch-zu-lesen-Listen.
Der Sonntag begann ähnlich gemütlich: Der traditionelle Familien-Frauentagsausflug stand an. Da auf dem Bahnhof Warschauer Strasse ein Koffer mutterseelenallein rumstand, meinte die Staatsmacht, dass da kein Platz mehr für die Bahnreisewilligen wäre, jedenfalls kein sicherer. Früher ™ rief man die Polizei, wenn man eine Tasche vermisste. Heute, wenn man eine zuviel hat. Also die Revaler langgelaufen, komplett, wollte ich sowieso schon längst mal machen. Hinten, jenseits der Modersohnbrücke, die gruselige Aufhübschung des Viertels hautnah angeschaut und nicht nur wie sonst immer aus dem S-Bahn-Fenster. Vorne sieht es zwar noch einladend uneinladend aus, aber rentabel ist es schon: von vier Millionen auf 20 Millionen in knapp acht Jahren – und die Leute schimpfen über die armen Seelen von Grasverkäufern, deren Rendite wahrscheinlich weit geringer ist.
(Und die mich – das nur nebenbei – mit ihrer Anquatscherei weit weniger nerven als der ganze Werbemüll, der einen von Plakatwänden und der O2-Blinktafel ebenso ungefragt belästigt.)
Im Spandau des Ostens dann das erste Eis des Jahres gegessen, dafür in einer langen Schlange lange angestanden und zum Schluss Krokusse im Schlosspark bewundert. Der Weg zurück in die Stadt war nicht mehr ganz so entspannt: Während die Unionfans auf dem Hinweg noch zivilisiert und halbwegs nüchtern waren, gar einem eingeschüchtertem Rentnerehepaar Sitzplätze anboten, sah das jetzt deutlich anders & unfreundlicher aus. Freiwild-Shirts, Weinrote Scheisse-Gegröle und Rauchen in der Bahn waren dabei noch die harmloseren Vorkomnisse. Gefährlicher waren diejenigen mit kleinkarierten Hemden, Millimeterseitenscheitel und klugen, bösen Augen. Burschis, Jura und nicht nur auf dem Paukboden schlagend, wie ihre Unterhaltungsfetzen über die letzte Begegnung mit irgendwelchen BFC-Hools verriet.
Dann fing die Woche auch schon an, gar nicht so schlecht. Langsam wieder gemerkt, wie ich das früher geschafft habe: Mit Leuten zusammenarbeiten können, obwohl ich das eigentlich weder mag noch will. Ab und zu sogar Spass haben (& das auch zugeben können). Wiedereinmal sehen und staunen, wie viele verschiedene Lebenswege es gibt.
Heute kam es mir allerdings eher so vor, als hätte ich geträumt: … der Winter wär vorbei/du warst hier und wir war’n frei/und die Morgensonne schien…
Ansonsten: Ein paar Fragmente zu Papier gebracht. Aber eben auch nur ein paar Fragmente, und nur Papier. Bisher. Doch das ist ja geduldig. Immerhin.