„Sich nur mit einfachen Leuten zu umgeben, das ist ja auch ganz schön einfach.“ sagte ich, als der Mitbewohner sein Augenbrauenrunzeln wegen der Paranoia der Nachbarin über das gesamte Gesicht verteilte. Sie sah in jedem vor der Tür parkenden Auto einen Schnüffler der Hauseigentümer, abgehört werden wir auch, natürlich.
„Versteh ich nicht.“ Meinte der Mitbewohner. Ich erklärte ihm, dass die gute Frau zweifelsohne einen Knall hat, also beileibe nicht einfach sei, ganz im Gegenteil, aber doch trotzdem unsere Unterstützung verdient. Klar, ein paar Wahnvorstellungen, wortreich ausgeschmückt und gepaart mit dem naiven Rassismus der geborenen Kreuzbergerin mit italienischem Vater, das alles in einem Redefluss, der gerade tosend einen Felsabgrund herunterstürzt – das kann einen durchaus sprachlos machen, nicht nur, weil man eh nie zum Zuge kommt. Aber es kann auch eine Herausforderung sein: Den Rassismus bloßzustellen und zu dekonstruieren, auf eine Erkenntnis hoffend; ähnlich vergeblich wie die Verschwörungstheorien und Privatsendernews zu entkräften.
Hat man nur Leute um sich, die nicht den geringsten Widerspruch in einem auslösen, dann entgehen einem all die Möglichkeiten, andere und sich selbst zu hinterfragen. Erklärungen zu finden und zu liefern. Vor Augen geführt zu bekommen, was in manchen Köpfen so für Gedanken rumschwirren, bei denen man annahm, dass auf soetwas ja wohl wirklich niemand reinfallen könnte.
Sicher, die Geduld reicht nicht immer aus, und jeden Tag das Gleiche zum gleichen Thema erzählt zu bekommen, hat mich in letzter Zeit sowieso dünnhäutig und missmutig werden lassen. Vor allem, da ihr Konterpart aus dem Stock drüber ebenfalls täglich zum gleichen Thema vorspricht. Viel elaborierter, mit grundsolidem intellektuellen Fundament, etwas zu selbstgefällig vorgetragen und angestrengt schlau daherkommend, aber eben genau so ausführlich wie die Paranoia-Verdächtigungen.
Sie wissen, glaube ich, wie sie es zu nehmen haben, wenn ich mich wie kürzlich dem ewiggleichen Thema verweigerte, deutlich sagte, dass es mich anwidert, vor allem, da nichts passiert, da nur spekuliert wird. Sie nahm es auch nicht krumm, dass ich vor Monaten nur knapp meinte „Vergiss das ganz schnell, das ist Schwachsinn, wirklich. Glaub mir.“ Damals wurde noch über dies und das gesprochen, in besagtem Fall, so machte es den Eindruck, hatte sie gerade Galileo geschaut und ist dabei irgendwie auf den Chemtrail-Trichter gekommen. Immerhin erst vor ein paar Monaten.
Also: Sich immer nur mit einfachen Menschen zu umgeben, das wäre doch zu einfach, oder? Oder liegt es daran, dass sie bei ihren beinahe täglichen Besuchen die besten Grastüten weit und breit mitbringt?
beim letzten satz musste ich lachen 😀
ansonsten hut ab für dies: „Hat man nur Leute um sich, die nicht den geringsten Widerspruch in einem auslösen, dann entgehen einem all die Möglichkeiten, andere und sich selbst zu hinterfragen. Erklärungen zu finden und zu liefern.“
Danke, gern 😉
Ist das nicht zu einfach: Einen anständigen „Knall“ zu haben ist doch heuer fast schon ein Privileg !
Das manifesto kommt auf die Leseliste – vom Knall mag ich mich selbst nicht freisprechen, im Gegenteil. Vielleicht kommt es auf das „anständig“ an….(Wieder ein Privileg, mit dem ich nichts anfangen kann, oder doch?)
Re: «Knallen» ist ein Privileg, und sei es auch nur eine hauswirtschaftliche Qualifikation à la «Hansdampf in allen Gassen» …