Die verrückte Log-Lady ist tot! sagte sie.
Das ist aber ein komischer Spitzname für Karasek, dachte ich, aber nicht ganz unpassend.
Es ist schon eine Weile her – das lässt der Titel ja erahnen – doch ich weiss noch, dass dies ungefähr die letzten Zeilen waren, die ich in mein Notizbuch schrieb. Ungefähr deshalb, weil ich es nicht genau sagen kann, weil es nämlich weg ist, das Notizbuch. Zusammen mit den Erinnerungen Walter Jankas, fast ausgelesen, einer Filmdose und den Sanddornbonbons. Mehr war zum Glück nicht drin im Rucksack, doch das reicht vollkommen aus für die nächste Sinnkrise.
Es hätte ja auch die Kamera, Geld und wasweissichnochalles verloren sein können, Scherereien ohne Ende. Dass es „nur“ das Notizbuch war – und Janka – schon wieder ein Zeichen?! Vor allem, wo ich doch gar nicht an sowas glaube?
Schliesslich beschäftigte ich mich mit Janka indirekt schon vor Jahren, seit Jahren, über einem Dutzend an der Zahl, erschreckenderweise. Indirekt deshalb, weil es über Bande geht, weil es hauptsächlich, immer mal wieder, Harich ist, der mir im Kopf rumspukt. Harich ohne Janka geht nun mal aber nicht, und dessen Autobiographie fand ich im Frühjahr auf dem Flohmarkt.
Als der Rucksack sich verabschiedete, war ich kurz vor dem Schluss angelangt, kurz vor der vermuteten Generalabrechnung mit seinem einstigen „Mitverschwörer“ – dank häufigerer Bahnfahrten wegen des beschissenen Wetters in der letzten Zeit las sich das recht schnell und interessant.
Ärgerlich, doch noch weitaus ärgerlicher ist natürlich die Sache mit dem Notizbuch. Da sollte man auf alle Fälle vermeiden, ein Zeichen zu erkennen; das könnte nur ein Menetekel werden: So viele Fragmente, angefangene Texte, fertige Verse. Und kaum etwas davon übertragen, irgendwo anders gesichert. Das, was mir bisher, vor allem in der letzten Zeit, als viel zu wenig vorkam, viel mehr hätte sein müssen, erschien auf einmal als ein unglaublich wertvoller Schatz, der nun verloren gegangen ist.
Zugegeben, diese ausufernde Thematisierung von Notizbüchern in der Literatur – vor allem natürlich derjenigen, die nach Maulwurfspelz klingen und nur beim Markennamen genannt werden – stört mich oft, selbst bei Herrndorf ein klitzekleines bisschen. Allerdings: Ich bin auch nicht so der haptische Typ, sondern eher der Praktische. Und kann jetzt nur verzweifelt lächelnd & unter Pein zustimmen, wenn ich (bei der mäandernden Recherche zu „Moleskine“) in Arbeit und Struktur lese:
Ich trage als erstes meinen Namen und 50 Euro Finderlohn vorne ein, wenig später mache ich eine 1 davor: 150 Euro. Irgendwas in meinem Innern sagt mir: Ich darf das auf keinen Fall mehr verlieren.
Das Gegenteil eines Wermutstropfens – ein Tröpfchen Manna in dem Zuber Wermut sozusagen, angesichts des befürchteten Verlusts – war der ganz und gar großartige Abend. Mehr als gelungen, überall zufriedene und meist zutiefst berauschte Gesichter; nur sehr lang, sehr früh erst vorbei. Mit dem Sonnenaufgang im Rücken, der überraschend spät einsetzt – es ist noch etwas Zeit bis zur Zeitumstellung – und einer sich diesig verabschiedenden Nacht voraus dann endlich das Durchatmen und Durchtreten der Pedalen, versuchen den Rucksack und alle anderen Probleme aus dem Kopf zu bekommen.