Fragmentarische Korrespondenz, weich und divers (XI)

Über Inspiration, das Schreiben, das (Vor)Lesen, Bücher, Filme, Musik und den ganzen Rest: Von Kriegen und Frieden, und auch vom niemals zufrieden oder je ganz fertig genug sein. Kann Spuren von Drogen enthalten.

Ein einseitiger Briefroman in Fortsetzungen

(2002-2004)

(Zur Vorrede und Teil I hier entlang.)
 

Datum: [Mai 2003]
 

 

Betreff:

 

 Hi M.,

  danke für die schnelle antwort, hat mich sehr gefreut. Ich sitze gerade im büro und gehe der kapitalistischen verwertungslogik nach. Das sieht im moment so aus, dass mein chef im urlaub ist und ich hier den laden-hüter spiele. Nachdem alle arbeit getan ist, die ich für heute geplant habe, und ich schon ewig im netz gesurft bin, mir u.a. die neue [Literatur-Website]-seite angeschaut habe und 13 von circa 800 google-seiten zum thema social-beat gelesen habe, dachte ich mir, schreibe ich doch mal der m. eine antwort, sie hat`s verdient, die fleissige.

  Um mein gehirn zu trainieren und dich an meinem leben teilhaben zu lassen, werde ich jetzt mal versuchen, meine letzten tage zu rekapitulieren. Wenn dich das nicht interessiert, überspringe einfach die nächsten absätze.

  Am ersten mai war ich gewohnheitsgemäß nicht in kreuzberg. Ich habe mir das ein paar mal angeschaut, bin dann aber dazu übergegangen, ein straßenfest zu besuchen, welches von einer mir bekannten antifa-gruppe organisiert wird (bandito-clan). Letztens kam ein western im fernsehen, der im originaltitel „support your local sheriff“ hieß. Im rahmen meiner neuen tätigkeit als titel-erfinder fordere ich nun „support your local antifa“-bis zu einem gewissen grad und alter. Dort war es ziemlich lustig, erstaunlicherweise trocken (zumindest was den regen betrifft) und es gab mittelmäßige musik, bier und sehr leckere falafel. Da wir keinen bock hatten, ständig nach den hunden zu schauen und eine der sachen, die k.[Hund] relativ sicher beherrscht, das „nicht über die straße gehen“ ist, dachten wir uns, lass sie laufen.

  Und sie lief und lief. Hundeparadies. Ab und zu habe ich sie an einem würstchenstand gesehen, und ab und zu kam sie auch mal vorbei um uns zu sagen, dass es ihr ganz gut geht. Interessanterweise stellte sich auch am nächsten tag keine magenverstimmung, auf die ich hunderte euro gesetzt hätte, ein. Deine ersten-mai-erfahrungen passen übrigens ins bild (aus wiesbaden kommen diese steinewerfer also immer *g*) ich hatte den eindruck, dass der erste mai relativ harmlos war im vergleich zu den jahren davor. Natürlich nicht für die, die festgenommen wurden, und je nach haarfarbe in bestimmten stadtgebieten wieder freigelassen wurden (ein freund von mir, mit einem kunstvoll aufgerichteten bunten Iro wurde mal nach einer demo mitten in der nacht in hohenschönhausen ausgesetzt, ost-plattenbauten, nazis usw.) es gab auch gefühlt weniger bullenpräsenz in der stadt, früher fuhren die ausländischen wannen immer schon eine woche vorher mit stadtplan durch kreuzberg, um sich zu orientieren (die bayern hatten natürlich in ihren heckfenstern blau-weiße fahnen). Und es sind immer die gleichen orte: mauerpark, rund um die o-strasse. Na ja, dann gab es noch eine sehr coole party von leuten aus meinem haus, die in einem kunstverein sind und gute kontakte zu einem hausverwalter haben. Der sagt ihnen bescheid, wenn ein haus zwecks sanierung leer ist, und dann haben sie zwei monate zeit, dort projekte zu machen. Der hauptact war am wochenende nach dem ersten mai, und die leute haben sich echt mühe gegeben. Jedes wohnung wurde von einem anderen team gestaltet, meist sah das so aus: großes zimmer party- und auftritts bzw. -legraum, kleines zimmer zum chillen, küche als bar. Aber da gab es je nach team eben auch andere präferenzen. Kombiniert wurde das ganze „hotel stundenglück“ mit ausstellungen, videoprojekten und einem bereich wo man sich zurückziehen konnte und stundenweise selbst die macht über die zimmer bekam. […]

  Das dumme an der ganzen sache war nur, dass die veranstalter eine recht gute pressearbeit gemacht haben, um zehn, ankunftszeit, standen circa 150 menschen vor dem haus, zum glück war die strasse vorher abgesperrt. Die türsteher machten ihren job, sie standen die meiste zeit und ließen keinen rein. Das fand ich erst gut, als ich drin war und merkte, dass es draussen voller war. Im nachhinein eine gute entscheidung mit den türstehern, da man sich dadurch drinnen bewegen konnte.

  Um halb drei, zeitpunkt des verlassens der party, standen circa 300 menschen auf der straße, und mindestens genauso viele kamen uns entgegen vom u-bahnhof. Das war übrigens das erste mal seit langer zeit (du erinnerst dich vielleicht an die „ich geh nicht weg“-phase, – sie wurde jäh unterbrochen, doch jetzt ist sie aufgrund verstärkter arbeitszeiten und der benötigten erholung wieder da), dass ich mal wieder „downtown prenzlberg“ war. Dort laufen in einer Samstag nacht wirklich unglaublich viele jugendliche rum, von nah und fern. Tja.

  Als nächstes stand ein weiteres kicker-turnier an, in einem ziemlichen punkerschuppen, wo sehr gute freunde von mir, die die auch in meinem haus wohnen und k.s[Hund] großeltern sind, sozusagen, ihre jugend verbracht haben. Ein „selbstverwaltetes jungendzentrum“, das älteste berlins. Und ich bin vierter geworden, so weit war ich noch nie. So kanns kommen. Glück im los, sozusagen.

  Dann kam der tag mit dem picknick, davon habe ich ja glaube ich schon erzählt, und vorgestern war ich auf einer sehr netten privaten geburtstagsparty, sehr laut, sehr viel bier & andere rauschmittel, und sehr viele schwule kölner, das geburtstagskind kam aus köln. Dazu dann noch ein paar französische juden und russische liedermacherinnen. Manchmal frage ich mich, in welchen katalogen sich bekannte von mir ihren freundeskreis aussuchen, das wirkt sehr erlesen. Zwischen dem Picknick und dem Kickerturnier kam irgendwann noch mal mein direkter nachbar vorbei und fragte, ob wir lust hätte zu grillen, natürlich hatten wir. Das entwickelte sich dann zu einer hinterhof-hausparty mit einer netten anekdote: wir heizen in berlin ja teilweise noch mit kohlen, und es gibt nicht nur briketts, sondern für sogenannte „allesbrenner“ auch sogenannte „eierkohlen“. Da die grill-idee eine spontane war, wurde beschlossen, mit diesen eierkohlen zu grillen. Das war keine gute idee, binnen minuten war der kleine enge hof blau, man hörte nach und nach energisches fensterzuklappen und murren. Dazu kam noch, dass es einen sehr eifrigen grillmeister gab, der die ganze zeit mit einer bierpalettenpappe das feuer wedelnder weise anfachte. Kennst du auch so typen, die mit wahrer begeisterung bei solchen party-aktivitäten aufgehen? Es fand sich dann auch recht schnell jemand, der noch fahren konnte und von der tanke holzkohle holte.

  Dieses erlebnis brachte mich zu dem vorhaben, mehr über kohle rauszufinden. Bisher ist es nur ein vorhaben, aber diese steinkohle-braunkohle-holzkohle-eierkohle-brikett-Thematik ist glaube ich gut geeignet, um bei der nächsten party mit unnötigem Halbwissen leute zu langweilen. Nach dem picknicken habe ich mir übrigens noch mit einem freund mal wieder lammbock angeschaut, und während der film im hintergrund lief, haben wir uns, beide SEHR gut mit gras versorgt, mal darüber unterhalten, wie man sich selbst so sieht, wenn man bekifft ist. Laberflash, um nur ein thema anzuschneiden… Und jetzt sitze ich also im büro. Das gute daran ist, dass inzwischen das wetter auch nachgelassen hat, wobei es immer noch nicht wirklich geregnet hat. Das ist ein insider-gag hier, seit wochen werden im wetterbericht gewitter oder mindestens regenschauer angkündigt, aber die finden woanders statt.am rande habe ich gehört, dass es münchen wieder erwischt haben soll.

  Jetzt aber mal zum ernsten teil: ich bekomme langsam ein wenig angst, was die ähnlichkeit deiner gedanken mit meinen betrifft. So geht das nicht weiter! Eine hausaufgabe für frau m.: be different. Diese hausaufgabe wird in zwei wochen kontrolliert. Denn ich glaube, ich werde mich nach wiesbaden/mainz aufmachen. Und da ich auch angst vor deinen kontakten zur russischen mafia und irgendwelchen mongolengangs, deren ideologie du scheinbar anhängst, habe, nehme ich dein angebot an :). Ich werde auch brav versuchen, mit tapeten und zimmerpflanzen zu assimilieren, um das biotop kleiststrasse nicht durcheinander zu bringen. Noch bin ich am überlegen, ob ich mich am mittwoch, 28. mai, aufmache, oder erst am Donnerstag. Für den Mittwoch würde sprechen, dass abends im rahmen der minpresmes im schlachthof ein slam ist! Und da mir jemand mal erzählte, dass man dort hingehen sollte….

  Kommt natürlich auch darauf an, wie es dir passt, und bei dieser aussage verlange ich jenseits der gastfreundschaft auch ehrlichkeit. Den rückweg wollte ich dann am Sonntag antreten. Hätten wir also vier tage, wo wir uns anschweigen können, denn so viel, wie wir uns schon gesagt haben (60 seiten, nicht schlecht. Da hinterlassen wir den zukünftigen ambitionierten germanisten, die den legendären briefwechsel der in nur einem kleinen kreise bekannten aber dennoch genialen literatin m. editieren wollen, einen haufen arbeit. Weiter so! (ich wollte es ja nicht zugeben, aber auch ich hab`s aufgehoben) War hier eine klammer? : -)

  Ich bin echt ziemlich gespannt auf diese begegnung. Der hund bleibt hier in berlin, ich bin ja nicht der einzige (hab mich eben voll verschrieben, und beim anblick der verschreibung fiel mir ein künstlernamen ein, den ich schon so lange gesucht habe: Der 1 ziege. Was hälst du davon?) erziehungsberechtigte dieses hundes. Wie du vielleicht aus schriftlichen äußerungen von mir schon entnehmen konntest, lebe ich in einer stinknormalen langzeitbeziehung, sogar mit zusammen wohnen und so.

  Falls du da sein solltest, wenn ich komme, musst du mir erzählen, wie es kommt, dass die leute dich für ein sicherheitsrisiko halten (wer sich selbst zum sicherheitsrisiko für den jeweiligen staat erklärt hat angst vor dem sicherheitsrisiko m. – sei stolz! *g*).

  Die sachen mit dem strebertum ist bei mir nicht ganz so ausgeprägt wie du vielleicht denkst, eigentlich reicht es mir meist auch, durchzukommen, aber wenn ich ein gutes gefühl bei einer sache habe, und das dann nicht in erfüllung geht, dann ist`s doof. Und wenn ich mir eine 2,0-hausarbeit aus meinem sagen wir mal vierten semester anschaue, dann finde ich schon, dass die arbeit, die ich jetzt geschrieben hatte, mehr verdient hätte. Aber eigentlich ist die aufregung darum auch schon lange vergessen, schnell kam die einsicht, dass man sich immer irgendwelchen subjektiven meinungen unterordnen muss, meist leider nur nicht den eigenen.

  So, ich gehe jetzt nach hause. Ich hoffe der kuchen hat dir geschmeckt und dein wochenende war gut & erholsam. Wenn nicht, das nächste wochenende kommt bestimmt.

  Bis bald

  S.

  Ps. Ist deine [Literatur-Website]-diskussion ein versteckter hinweis auf dein neues schreib-projekt?

 

Datum: [Mai 2003]
 

Betreff:

 

  Hallo M.,

  sorry, ich bin kein geheimverschwörungsfantiker-rekrutierer, der mit hilfe versteckter codes neue anhänger wirbt, deren eignung mit hilfe des lösens des codes geprüft wird. (das ist übrigens die standard-ablehnungsphrase für die bewerber, die es nicht geschafft haben *g*).

  ich hatte die mail ja im büro geschrieben, und für dieses vergehen bin ich damit gestraft worden, dass die anführungszeichen – richtig geraten – in komische zahlenkombinationen umgewandelt wurden. Irgendwelche kompatibilitätsprobleme, vermute ich mal laienhaft. aber ich denke eigentlich, du müsstest bei solchen problemen bescheid wissen, schließlich kennst du geheime orte im internet, wo es anagramm-generatoren gibt. das finde ich ja supergut, ANAGRAMM-EDITOREN. gib mir mal einen tipp, wo ich die finden kann. was ich ja noch besser finde, sind die wörter, die von vorne und hinten gelesen das gleiche ergeben. und da sieht man, dass fernsehen bildet, es gab mal eine simpsons-folge, in der lisa in so einem streberclub ist… brauch ich dir wohl nicht weiter zu erzählen, kennst du bestimmt. ich sage nur: reliefpfeiler! ob es dafür auch generatoren im internet gibt?

  zu meinen super-freizeitaktivitäten(langsam wird das übrigens ein wenig viel, aber jetzt komm ich da nicht wieder raus, morgen feiert eine freundin einweihungsparty, dann kommt ein freund aus hamburg vorbei…, späte rache): neeee, das war nicht alles an einem abend, obwohl man, und da hast du recht, das in berlin auch alles an einem abend machen könnte, rein theoretisch, aber dazu müsste der abend so circa 48 stunden lang sein, oder das klonen wäre billiger. andererseits aber hast du in berlin zwar sehr viele möglichkeiten, was zu tun, aber erstens hast du nicht die kohle, alles zu machen was du willst, und zweitens wird man auch ganz schön faul, oder ist es von vornherein schon. ich mache jetzt rein quantitativ auch nicht mehr, als ich in meiner kleinstadt-jugend gemacht habe.

  Also, keine Angst, enttäuscht werde ich nicht sein, solange man nette gesellschaft hat, ist der abend gerettet. und außerdem habe ich ja auch noch zu tun, wenn’s gar nicht anders geht :). um auf deine frage zu kommen (jetzt komm ich wohl nicht mehr drum rum): wenn du den stress auf dich nehmen willst und alle anderen auch, dann würde ich schon lesen (hatte eine ziemlich lange pause, muss ich wohl jetzt anfangen zu üben). aber nur wegen mir brauchst du es echt nicht übers knie brechen, es ergibt sich bestimmt später auch noch mal was. keine hektik. falls es allerdings stattfinden soll, kannst du gerne irgendwelche präferenzen äußern, irgendeinen text, den du hören willst oder so. sag bescheid. Ich beglückwünsche dich zu deinem perfekten tag und gratuliere dir zur baumstammsurfen-meisterschaft. allerdings finde ich deine individualismusfeindlichkeit etwas zu schroff. *g*. manchmal gehen mir zu viele leute auch auf die nerven, aber ich weiss, was du meinst, wenn man selbst irgendwie verschwindet, ist das schon ein nettes gefühl. ich habe als kind irgendwann mal so ein propaganda-buch gelesen über den abwurf der atombombe über hiroshima, und in dem buch stand, dass die piloten, um nicht zu realisieren was sie tun, trainiert haben, an gar nichts zu denken. das fand ich damals irgendwie lustig und habe es auch versucht, sozusagen meditationsversuche verursacht durch sozialistische propaganda. das hätten die wohl auch nicht gedacht. als es das erste mal geklappt hat, fand ich war das sehr cool.

  Du bekommst übrigens ein fleißbienchen für die vorbildlich gemachten hausaufgaben. und jetzt wird’s kniffliger, da fällt mir nämlich gerade ein film-zitat ein, mal schaun ob du es kennst: „willst du jetzt ein fleißkärtchen haben?“ ich bin gespannt.

  übrigens, von wegen schräge leute kennen lernen: dieser eine typ, von dem ich im zusammenhang mit der party geredet habe, ist, wie mir die partyveranstalterin nach der party erzählte, ein filmproduzent, der in la sein office hat und u.a. triple x produziert hat (hab ich zwar nie gesehen, hört sich aber schon ziemlich protzig an). gestern waren die beiden mit sönke wortmann essen. sachen gibt’s…

  ich denke, dass ich mich dann auch schon am mittwoch auf den weg machen werde. parkplatzprobleme sind allerdings eine dumme sache, vor allem mit einem volvo. ist in berlin aber generell auch so, hier ist nur das glück, das direkt vor meinem haus ja die hochbahn fährt, und da drunter kann man gut parken. allerdings wäre es schon gut zu wissen, ob es eine realistische chance gibt, irgendwo in der näheren umgebung zu parken, oder ob man erst drei stationen mit dem bus fahren muss. und ist es dann vielleicht sinnvoll, wenn ich mein fahrrad mitnehme? ich weiss ja nicht, wie man sich normalerweise in wiesbaden fortbewegt.

  es gibt zwar keine eifersuchtsdramen hier, da mache ich mir keine sorgen, allerdings bekomme ich ein wenig angst, wenn ich mir die berufsqualifikationen deines freundes anhöre *g*. na ja, schaun mer mal.

  also, bis bald

  s.

  ps. ein ziegenbart – nähäähää.

 

Datum: [Mai 2003]
 

Betreff:

  Keine Begrüßung, direkter Einstieg: Ein schöner Text. Es wurde mir wieder bewusst, was ich an deinem Stil mag. Dieses leicht absurde, selbst bei sich klingeln und dann angst haben, dabei beobachtet zu werden: herrlich, weil es ja genauso ist. wenn man bei sich selbst klingelt, dann macht man anderen leuten, die einen dabei sehen, keinen vorwurf, wenn sie mal eben bei den herren mit den jacken, die zu lange ärmel haben, anrufen. wir leben in einer komischen welt, und sind selbst komisch.

  übrigens, mal kurz vom thema abschweifend: als ich noch ziemlich neu in Berlin war, fragte mich jemand in der U-Bahn, ob „Bonnys Ranch“ schon vorbei war. Ich kombinierte ziemlich schnell, dass dieser Mensch eine Station meinte, und schaute auf den Plan, der in der Bahn hing. Ich fand aber beim besten Willen kein Station mit dem Namen „Bonnys Ranch“ und zuckte mit den Schultern. Dann blickte mich der Typ an und sagte „Na du bist wohl nicht von hier, wa?!“. Als ich dann die Karte näher betrachtete, wusste ich, was er meinte: die Dietrich-Bonhoeffer-Nervenklinik. Bonnys Ranch!

  Aber weiter im Text, oder mit ihm: Auch das fiese-Bemerkungen-unter-dem-Tisch-austragen und diese Klingelgeschichte ist so WAHR – es ist ja nicht für einen persönlich, wenn dieser blöde Werbeprospektverteiler klingelt. Ich hoffe, dass diese Berufsgruppe auch unter die Kategorie „Postbote“ fällt und häufig von Hunden gebissen wird ; -)

  Ein wirklich schöner Text mit einer Thematik, die mir sehr bekannt vorkommt, ich habe auch oft überlegt, diese Paranoia mal irgendwie zu verarbeiten. doch bevor wir zu den hausaufgaben kommen, wollte ich noch kurz abschließend zu dem wirklich guten text sagen, weiterschreiben wäre interessant, und meine favorite-formulierung ist: „niemals nicht“. Also, mein Zitat war aus Snatch. Kennst du bestimmt, oder? Aber „Draußen ist feindlich?“ Ehrlich gesagt, da fällt mir nichts ein. Ist aber auch schon spät. Also, auch ich habe verkackt. Es steht 1:1. Aber dafür hat mich das lesen deines Textes dazu bewegt, auch endlich mal wieder mit dem arsch hoch zu kommen und was zu schreiben. ich habe nämlichen ein wenig befürchtet, dass dieser kleine Schreibblockadenkobold wieder unter meinem Bett eingezogen ist. Und irgendwie wurde ich wohl auch angehext, denn zuerst kamen zwei komische Gedichte aus mir raus. Und so was mache ich ja nicht. Früher mal, klar, als man noch jung und naiv war. Aber das ist doch schon Jahre her. Würde ich auf Papier schreiben, hätte ich es zerknüllt.

  Also habe ich mir verstört erst mal noch eine Tüte gebaut, ein paar alte Sachen von mir gelesen, deinen Text noch mal gelesen und mich noch mal hingesetzt. Es war nämlich echt komisch, ich hatte in letzter Zeit wirklich oft viele so kleine Ideen, aber fast nie was zu schreiben dabei, und dann habe ich auch selten das richtige Gefühl, nach dem Motto: Ja, jetzt könnte da was draus werden.

  Naja, und dann kam, sogar durch einen kleinen Aufhänger aus deinem Text, eine winzige ans Licht gekrochen. Ich überleg mir noch, ob ich sie dir gleich schicke, mal schauen. Muss es mir selbst erst noch mal durchlesen.

  Also, jetzt wird’s ernst. Texte aussuchen. Uiuiui, auf was hab ich mich da eingelassen – wiesbadener hardcorepublikum. was für einen dialekt spricht man dort eigentlich? ist man sauer, wenn über bestimmtes bier gelästert wird? verstehen die mich überhaupt? Mann, Mann, Mann (auch ein Filmzitat *g*). Aber ich werde versuchen, mein bestes zu geben, das muss allerdings nicht viel heißen :).

  Gibt es einen Bierflaschen-Abwehrzaun so wie bei den Blues-Brothers? Oder strikten Pappbecher-Ausschank? Falls du noch für eine Anekdote Zeit hast:

  Einmal, als ich in Roskilde war (dort bin ich in meiner Jugend fünf aufeinanderfolgende Jahre lang gewesen, Festivals, ach war das schön! und das beste: Ich werde dieses Jahr wieder auf ein Festival fahren. Mein letztes war 98. Und bei diesem Festival spielen auch Tomte. Kannte ich noch gar nicht, bis ich heute auf Fritz einen song von ihnen hörte. Respekt, Putzfrau M., da kann man auch mal seine Berufsehre zusammen mit dem Besen in die Ecke stellen, nachwuchs-tocotronic, und gar nicht schlecht, doch doch.) Abschweifen innerhalb einer Anekdote – entschuldige: also Roskilde-Festival, wir wollten um ein uhr (nachts) zum ministry-konzert. hatten noch zeit und kamen an der größten bühne vorbei. dort spielten- man glaubte es nicht, die sex pistols und versuchten ein comeback. und sie wurde wie wahre punks empfangen – mit bierflaschen. die alten herren zogen es dann vor, das konzert abzubrechen. so siehts mit den legenden aus. das nur kurz dazu. danke.

  Drei Texte also gleich, okay, mal schauen. und dann erzählst du mir so nebenbei, dass ein 21jähriger berliner mich nachmacht und damit geld verdient! na ja, aber ich will ja auch gar kein pop sein, obwohl ich spiegel lese *g*.

  übrigens, falls du einen bestimmten artikel suchst, sag bescheid, ich habe ein ganz ansehnliches archiv inzwischen…. Ich finde übrigens 11% ist doch schon ganz gut, obwohl ich echt nicht verstehe, wie eine roland-koch-cdu überhaupt noch stimmen bekommen kann, das ist doch echt traurig. wie kommt der überhaupt nach amerika? hihi, das war aber schon eine coole aktion. na ja, bei uns gibt es auch immer so lustige spassparteien fürs landesparlament: Zum beispiel KPD/RZ – Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum, oder FAZ, als Gegenpartei zur KPD/RZ gegründet, weil Kreuzberg und Friedrichshain zusammengelegt wurden. FAZ heißt Friedrichshainer Amorphe Zentralisten. Die bekommen dann immer so zwei bis vier Prozent oder so, und als sie einmal unverhofft gewählt wurden, sind sofort alle zurückgetreten und haben von der Kohle ne Party geschmissen.

  Du hast absolut recht, was die [Literatur-Website] und die nicht vorhandene Werbung betrifft. und auch so finde ich die umgestaltung auch gar nicht schlecht. ich bin ja auch schon ein wenig gespannt, was die neue anthologie so bringt. So, jetzt habe ich meinen neuen text noch mal gelesen, und da die straßenlaternen gerade ausgehen und die vögel anfangen zu singen, ist mein zustand so weit fortgeschritten, dass ich dir diesen text mit ranhänge. allerdings ohne jegliche gewähr, ich selbst find ihn irgendwie – na ja.

  ich wünsche einen schönen tag, und stelle fest, in einer woche können wir all die fragen, die in den mails untergegangen sind, mal bei einem bier, oder whatever, klären. das stimmt mich froh.

  bis demnächst

  s.

  ps. grüße an all die anderen, schließlich muss ich mich ja langsam beliebt machen 🙂

 

Datum: [Mai 2003]
 

 

Betreff:

 

  Guten Abend Frau M.,

  ich werde mich bemühen, den zeitpunkt des absendens dieser e-mail so zu wählen, dass man den inhalt noch für glaubwürdig befinden kann.

  du siehst, ich bin schon wieder ganz schön spät dran – und schräg drauf. aber man soll es sich ja gut gehen lassen, und das tue ich dann auch. Eigentlich wollte ich schon spätestens vor zwei stunden eine antwort an dich verfasst haben, weil du willst ja auch wahrscheinlich langsam wissen, was sache ist. aber mich haben noch – achtung, tv-junkie-bekenntnis – zwei sendungen aufgehalten, schlimmerweise im musikfernsehen. aber so schlimm war es dann doch nicht, weil es schon relativ spät war, und je später die uhr, desto besser die sendungen. in der einen ging es um deutschpop – grausiger titel, meinte aber so sachen wie tocotronic und rocko schamoni und wurde von charlotte roche präsentiert, die ich für ziemlich fähig halte.

  die zweite sendung beschäftigte sich in diversen interviews und musikvideos mit der scheinbar zur zeit unheimlich hippen underground-mainstream-band the white stripes. deshalb kann man die halb zurückgelehnte schreck-haltung, die man einnehmen würde, wenn jemand sagen würde, ich habe zwei stunden mtv und viva geschaut, aufgeben, oder? (natürlich gingen auch diverse musikvertiefende substanzen über in die blutbahn – daher bitte ein wenig verständnis für die verwirrten gedanken)

  also, zur sache: unglaublich aber wahr, ich habe gestern in der bahn einen mitarbeiter der chinesischen botschaft getroffen, und der hat mich mit sars angesteckt, jetzt kann ich leider nicht kommen und kann an deiner lesung nicht teilnehmen. schade.

  neenee, keine angst, du hast mich genug eingeschüchtert, ich bin dabei! und inzwischen habe ich auch fast all meine reisevorbereitungen getroffen, so dass ich ziemlich genau auskunft geben kann, hoffe ich: ich dachte, dass ich am mittwoch so am frühen abend, späten Nachmittag, such dir was aus, ankommen wollen würde, damit man noch genug zeit hat, bevor man irgendwo hingeht, zum slam oder so. also so circa fünf. man kann das ja nicht wirklich planen. und ich dachte auch bis vor kurzem, dass die entfernung berlin-frankfurt (tschuldigung, wiesbaden *g*) um die achthundert kilometer sein würde. dont ask me why. jetzt sagte mir ein schlauer internet-routenplaner, dass es nur knapp sechshundert kilometer sind, und davon über 90 prozent autobahn. also denke ich, dass ich nicht mehr als fünf-sechs stunden brauche, daher werde ich hier so um 12 losfahren. vielleicht verschätze ich mich ja auch total und gerate in eine dieser sagenhaften ferienreisekolonnen und brauche 23 stunden. mein plan aber ist, so zwischen fünf und sechs in der kleiststrasse in wiesbaden verzweifelt einen parkplatz zu suchen. meinst du es ist angesichts des geballten wissens eines internet-routenplaners und diverser stadtplandienste so kompliziert, die kleiststrasse zu finden, dass wir uns irgendwo treffen müssen? ich glaube, ich versuche meinen indianerinstinkt aus der kindheit wieder zu finden und auf den richtigen pfad zu kommen.

  schwieriger wird es da schon mit dem erkennen, da hast du recht. aber du weißt ja ungefähr wie ich aussehe, und ein klingelschild wird mir ja auch erst mal weiterhelfen. allerdings kannst du mich ja auch total verarschen und ein kind aus der nachbarschaft dafür bezahlen, dass es sich eine tulpe ins knopfloch steckt und vorgibt, m. zu sein. aber so fies bist du glaube ich nicht.

  ich bin jedenfalls gespannt aufs bezupfen und in die taschen gucken, und du kannst deinen leuten ja einfach sagen, dass du einen armen bekannten aus der ostzone kurzzeitig aufnimmst, das kam früher in der gegend glaube ich ganz gut, wie es jetzt ist, weiss ich nicht :-).

  du siehst, ich bin gut gewappnet und reisefertig – dat klappt schon. allerdings bin ich noch nicht schlüssig, welchen text ich nehme, vielleicht den […], den ich dann in drei teile teile oder so. oder ich schreib noch was – es fließt gerade wieder, glücklicherweise. aber ich hab ja alles dabei, laptop und so. und der feiertag ist natürlich auch sehr gut, wenn das wetter dann noch stimmt, könnte das ein netter tag werden. na ja, alles weitere kann man dann ja vor ort bequatschen, was so generell an dem wochenende geht usw.

  dein text für die lesung ist echt lustig, sehr gut! und danke für das lob, ich war über den perspektivenwechsel auch ein wenig überrascht, aber es ging ja irgendwie, war halt ein komischer abend, erst das mit den gedichten…. natürlich haben die sich nicht gereimt, das wäre ja noch schöner 🙂

  so, dass war es erst mal, schließlich muss ich das zeitlimit ja einhalten…

  bis übermorgen

  s.

  ps. wenn du übrigens meinst ich sollte meinen plan, was die zeit oder irgendwas anderes betrifft ( z.B. so vorwitzig sein und die kleiststrasse alleine suchen) ändern, dann sag es mir.

Fragmentarische Korrespondenz, weich und divers (X)

Über Inspiration, das Schreiben, das (Vor)Lesen, Bücher, Filme, Musik und den ganzen Rest: Von Kriegen und Frieden, und auch vom niemals zufrieden oder je ganz fertig genug sein. Kann Spuren von Drogen enthalten.

Ein einseitiger Briefroman in Fortsetzungen

(2002-2004)

(Zur Vorrede und Teil I hier entlang.)
 

Datum: [Ende April/Anfang Mai 2003]
 

Betreff:

 

Hallo M.,

ja, auch hier war frühling und er wurde sehr genossen, inklusive frühstück auf dem dach. allerdings macht der lenz gerade eine pause, so dass ich dazu komme, dir zu antworten…

[…] schön dass du nicht nur von mir zuspruch gefunden hast und auch andere deinen roman gut finden. wie kamst du darauf, dass er egozentrisch wirken könnte? mutig fand ich allerdings, dass du ihn zu der [Literatur-Website] gestellt hast, da er doch schon ziemlich lang ist. aber vielleicht liest es ja doch jemand, lohnen würde es sich ja auf alle fälle.

 hier hat vor vier oder fünf tagen mein versuch geendet, deine mail zu beantworten.

inzwischen ist wiesbaden ja für diverse sachen bundesweit berühmt geworden. da reicht es wohl nicht mehr, barfuß durch die stadt zu laufen…*g*

jetzt hat das semester wieder voll angefangen, und damit rumsitzen mit hundert leuten in einem raum für fünfzig. aber ich glaube jetzt auch wieder an vorsehung: ich hatte mir ja eigentlich vorgenommen, dieses semester wieder große schritte in richtung ende zu machen, hatte mir relativ viele veranstaltungen ausgesucht (das bedeutet bei mir 6).

jetzt, wie auch fast jedes semester, habe ich festgestellt, dass zwei davon ersatzlos gestrichen sind und eins so verlegt wurde, dass ich nicht mehr hingehen kann… also sehe ich das als zeichen, mache nur noch drei veranstaltungen und genieße den sommer… der ja inzwischen scheinbar wirklich einzug gehalten hat. achso, hatte ich ganz vergessen zu sagen: frohe ostern! bist du ein familienmensch, so mit gemeinsamen eiersuchen und so? ich komme gerade vom dach, das blöde daran ist, da kann ich den hund nicht mitnehmen, und den laptop hatte ich auch noch nicht mit oben, sollte ich vielleicht mal probieren. und kaum sind die ersten warmen sonnenstrahlen da, ist der krieg zu ende und die leute wieder allesamt freundlich. komisch oder?

was macht die wiesbadener bürgermeisterwahl? und dein lese-projekt? deine ferien sind jetzt wahrscheinlich auch rum, oder? wie sieht dein zeitplan denn jetzt aus, viel zu tun?

ich habe am karfreitag um zwei uhr nachts meine hausarbeit beendet, juhu, ich habs geschafft. Falls du etwas zur (bis zu dieser revolutionären hausarbeit) unterschätzten rolle des adels im mittelalterlichen stralsund wissen willst, frag mich. ich hätte aber auch nichts dagegen, mich mal mit einem anderen thema zu beschäftigen. muss ich ja auch noch, meine slam-poetry arbeitet wartet noch, thema wird wahrscheinlich „was war social beat“ oder so. aber da habe ich gerade eine fristverlängerung bis ende juni rausgeholt, bis dahin habe ich schon wieder zwei andere referate auf dem plan…

und da kommst du ins spiel: die begründung für die fristverlängerung war, dass ich noch ein porträt der jungautorin M. einbauen will, dafür müsste ich für recherchearbeiten nach wiesbaden kommen, hättest du ende mai noch eine matratze frei? : -) nee, mal ohne spass, das ist schon eine ernste frage: ich will vielleicht wirklich zu recherchezwecken zu der minipressenmesse, vorher muss ich noch mal das programm genau checken, ob die reise sich auch überhaupt lohnen würde, aber ich habe gehört, dass wiesbaden nicht weit weg von mainz ist. allerdings kenne ich dort nicht wirklich viele leute (bisher kein großer verlust, aber irgendwann rächt sich so was halt…). also wenn du irgendwelche näheren geografischen informationen über das verhältnis mainz-wiesbaden und die dortige situation der übernachtungsmöglichkeiten hast, lass es mich wissen.

dann kann ich mir ja auch mal vor ort den haufen der berlinreisewilligen anschauen und im auftrag der zonenverwaltung feststellen, ob ihr überhaupt einreisetauglich seid…

bis denne, ich muss jetzt zu einem kickerturnier…

und habe schon seit wochen nichts mehr geschrieben, das ist ärgerlich, ich muss mir noch ein paar persönlichkeiten abspalten, um alles zu erledigen. vielleicht hast du durch deine verbindungen zur unterwelt ja einen Tipp, auf welchem markt man die kaufen kann

fröhlichen sommer noch

s.

Datum: [Mai 2003]
 

Betreff:

Guten Abend Frau M.!

Um ihre Frage zu beantworten, der oft unterschätzte Adel bestand natürlich aus Minne-Freaks. Der letzte Rügensche Fürst zum Beispiel war selbst Minnesänger, und er lernte sein Handwerk bei einem bürgerlichen Musiklehrer.

Soviel dazu :-). Nächste Woche kann ich mir den Schein abholen, und dann habe ich das Thema erst mal hinter mir gelassen, zum Glück!

Was machen deine Studien-pläne? hast du die 18 SWS zusammen? (Bist du wahnsinnig?! Es ist Sommer! *g*)

Deine Anpreisungen des Rheinlands haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich kenne selbst die schönsten Frauenbeine immer nur vom stampfen des Sauerkrautes, Wein wächst hier glaube ich nicht…

Meinst du ich könnte die Lücke füllen, die Moke hinterlassen wird? Meinst du, dass ich mein Image aufrecht erhalten kann, und du deins, falls ich dein Angebot annehme? Ich weiss ja nicht…

Aber im ernst, es ist echt schade, dass sich in Deutschland noch kein flächendeckendes Backpacker-System durchgesetzt hat. in Berlin gibt es jetzt glaube ich so was, in Hamburg auch, aber das wars dann glaube ich. Weil, Jugendherbergen sind ja nun wirklich mit so vielen schlechten Erinnerungen behaftet, dass man sich da nicht freiwillig hinbegibt, und Hotels sind meistens schon zu teuer. Dazwischen gibt es nix vernünftiges. Vielleicht wäre die Minipressemesse ja auch was für dein Vorhaben mit […]. Schließlich ist das angeblich der Ort, wo sich kleine Verlage und zeitschriften präsentieren. So heißt es jedenfalls. Wie gesagt, ich muss mir das programm noch mal anschauen. Hast du davon denn schon mal was gehört, ist ja schließlich mehr oder weniger bei dir um die Ecke, oder?

Die Sache mit dem Test für die Berlinreisewilligen muss ich mir noch mal genau überlegen, die Ausarbeitung werde ich dir zukommen lassen, inklusive lösungsbogen :-). Es gibt echt viele Tests zu jedem Scheiss, oder? Ich glaube ich werde Test-Tester, muss es ja geben, so was.

Ich bin gespannt, was die [Literatur-Website] in den nächsten Tagen/Wochen so macht, von wegen Anthologie und so. Allerdings bin ich eher zurückhaltend gespannt, denn ich habe den verdacht, dass die Bande etwas überfordert oder lustlos ist, ich habe ja auch schon eine weile nichts mehr hochgeladen. selbst die nwo ist inzwischen recht still geworden, habe ich den eindruck. aber solange es nichts besseres gibt, muss man halt damit vorlieb nehmen, nicht wahr? Es ist eben jetzt kein besonders kleiner kreis mehr, in dem man gut diskutieren kann. aber was erzähle ich das dir, du bist ja die alte [Literatur-Website]-häsin, schließlich schon viel länger dabei als ich. war es früher eigentlich besser? war früher nicht alles besser?

Hast du schon mitstreiter für deinen leseabend gefunden? wie geht’s dir sonst so? was macht der krieg, der frieden, das leben, freunde, feinde? Wieso isst du keine eier, wenn du lamm isst, kann es ja wohl kaum am vegetarismus liegen, oder stosse ich da jetzt bei dir auf die schrecklichen geheimnisse?

dein verdacht bei mir war fast richtig, ich schreibe nicht oft über mich, weil ich meine schrecklichen geheimnisse sammeln werde und dann später irgendwann zusammen veröffentlichen. so habe ich mir das vorgestellt.

Hier ein kleiner Filmtipp für die PoWi-Studentin: Herr Wichmann von der CDU. Eigentlich ein trauriger film, denn er erzählt die wahrheit. über wahlkämpfe und kandidaten. ist von andreas dresen, den man fast uneingeschränkt empfehlen kann, zumindest aber halbe treppe, nachtgestalten und mein favorite: raus aus der haut.

bei mir gabs ostern auch eine überraschung, die ähnlich ist wie deine einkaufserfahrung. pünktlich zum abend des donnerstags stellte sich meine pollenallergie ein (zum glück richtet die sich nicht gegen die wirklich wichtigen pollen …). das hieß, dass ich bis dienstag warten musste, um mir beim arzt, wo es natürlich supervoll war, ein dämliches rezept abzuholen. also sah ich das ganze wochenende aus, als hätte ich versucht, mir die birne wegzukiffen, leider sah ich nur so aus, rote osterhasenaugen.

jemand, der das wirklich versucht hat, schleppte mich auch letzten dienstag in meine lieblingslokalität (bandito rosso), angeblich wäre da ein kickerturnier. allerdings hat sich sein kurzzeitgedächtnis selbst mit seinem langzeitgedächtnis verwechselt, denn es ist erst heute, also die gleiche verabschiedung, ich muss jetzt kickern gehen. Ansonsten bin ich optimistisch, in nächster zeit wieder was zu schreiben, das muss jetzt mal wieder sein. lass es dir gut gehen, und auch den anderen.

bis bald

s.

ps. habe gerade in einer fußnote gelesen, dass es einen aufsatz gibt (medien-powi-seminar), der heißt „the future does not exist, forecasters try to invent it“ – finde ich einen guten titel. es gibt zu wenig gute titel, siehe die deutschen titel für kerouac-romane. ich lese gerade „the subterraneans“ zu deutsch be-bop, bars und weißes pulver. na ja. vielleicht werde ich ja anstatt test-tester titel-erfinder. ma gucken.

 

Datum: [ Mai 2003]
 

Betreff:

 

Hallo M.,

erstens: vielen dank für deine mail. und das ist keineswegs eine floskel, die sich vielleicht auch schon in unsere konversation eingeschlichen haben könnte, nein, ich meine das so: vielen dank für deine mail.

ich hatte heute einen sehr perfekten tag, eigentlich. und schon eine ganze weile eine ganz nette zeit, davon später vielleicht mehr, aber heute bin ich mit freunden, die auch in meinem haus wohnen und die die mutter von k.[Hund] besitzen (schreckliches wort für diesen umstand…), morgens um 12 auf den kreuzberg gegangen (ein park auf dem namensgebenden berg), picknicken, dann hab ich mich mit einem anderen freund getroffen, wir wollten eigentlich alte ärzte-platten versuchen auf cd zu bekommen, da wir aber ziemlich früh merkten, dass uns die nötige software fehlte, haben wir uns auf den balkon gesetzt und eine tüte nach der anderen in der sonne geraucht, und jetzt wollte ich gerade wieder zu meinen nachbarn gehen und weiter einen schönen abend haben, dachte mir ich schau mal nach meinen mails und dann merke ich, dass der tag wirklich ein guter ist (das ist schon ein wenig übertrieben, stimmt aber doch irgendwie), weil deine mail, was du geschrieben hast, passt so richtig gut zu meiner gesamtstimmmung.

Du hast absolut recht. natürlich erwartet man es irgendwann, dass seminare nicht stattfinden, aber man ärgert sich trotzdem, vor allem weil man eben bis zum ersten semester-tag davon ausgehen muss, dass das alles stimmt was im kvv steht, obwohl man genau weiss, dass es nicht stimmt. […]

und auch über deine andere klage habe ich mich sehr gefreut, weil so ging es mir auch, genau so. ich habe mir den blöden schein abgeholt, für meine arbeit (du merkst vielleicht schon die negativen schwingungen…) eine zweikommanull. ist ja auf den ersten blick nicht schlecht, ich will mich auch nicht beklagen, aber ich habe im gesamten geschichte grundstudium und auf meinen ersten hauptseminarsschein jeweils eine 2,0 bekommen. dann habe ich ausgesetzt, ein jahr oder so, einen politikschein gemacht, mit 1,0, der wie ich dachte auch recht anspruchsvoll war, und hatte mir jetzt zum ziel gesetzt, die arbeit besser als 2,0 zu machen. hört sich wahrscheinlich ziemlich streberhaft an, aber ich sah das eher als bestätigung, dass es sich gelohnt hat, weiterzustudieren, und die pause nicht auf ewig auszudehnen. das hat mir der politikschein suggeriert, und paradoxerweise meinte die professorin auch (sie ist auf alle fälle anspruchsvoll – das bestätigt die durchfallrate, es gab echt einige leute, die keinen schein bekommen haben, das kommt hier inzwischen recht selten vor), dass ich ja gar nicht so schlecht wäre, das problem bloss meine sprache wäre, die zu „publizistisch“ wäre. was dem politikprof gefiel. lerne: zwei verschiedene fächer an ein und derselben uni können galaxien entfernt sein. entschuldige meine abschweifung.

Doch ich wollte nur unterstreichen, dass du recht hast, die uni ist eine komische veranstaltung. eben auch mit den profs, aber auch wie du sagst mit den anderen leuten. sicherlich, dadurch dass ich beim asta gearbeitet habe, hatte und habe ich viele kontakte (der streik, dass war auch ein riesen-sozialisiationsbeschleuniger), aber ich bin raus. ich hatte ausgsetzt mit der uni, ich war einige zeit nicht da, und in diesem universum ändert es sich rasant. es gibt kaum mehr jemanden im asta oder im selbstverwalteten cafe, den ich noch aus meiner aktiven zeit kenne.

ich bin ein studi wie jeder andere und ehrlich gesagt auch ziemlich menschenscheu geworden. ich kenne genug leute, ich muss niemanden mehr an der uni kennenlernen. damit will ich nicht sagen, dass die, die das machen, doof wären, es ist nur so: ich habe es hinter mir. ich finde seminargruppentreffen inzwischen recht schrecklich, meist. es gibt natürlich immer ausnahmen.

andererseits finde ich es auch gut, dass es inzwischen aus aktuellem politischen anlass wieder ansätze einer aktiven studischaft gibt (berlin ist megapleite und der ruf nach studigebühren wird wieder laut). Diesmal stehe ich allerdings aussen, bei der letzten derartigen auseinandersetzung war ich mitten drin. verhandlungen mit blöden cdu-senatoren.

das lustige ist: der jetzige senator (pds) ist der onkel eines meiner besten freunde und relativ cool drauf, ich könnte mir auch kaum vorstellen, mit dem verhandlungen führen zu müssen. soviel nur dazu, ich schweife schon wieder ab, aber mein schreibstil, wie ich herausgefunden habe, ähnelt dem, der kerouac zugeschrieben wird: dicht sein und drauf los schreiben – ich beschäftige mich gerade zwangsläufig mit literaturtheorie der jüngeren vergangenheit, sehr interessant.

also, zusammengefasst: ich find es ganz gut, dass scheinbar wieder vermehrt leute politisch aktiv werden (übrigens, die rigaer wurde gestern geräumt), und würde auch gerne als alter aktivist gute und weise ratschläge geben, wurde bloss bisher nicht gefragt *g*.sonst halte mich mich der uni fern.

manchmal beneide ich auch die freundlichkeits-überschäumer. doch meist belächele ich sie (psychologischer schutzmechanismus – ich denke, sie sind nur oberflächlich freundlich, haben keine richtigen freunde, oder so).

Ja, ich verlaufe mich noch in berlin. ich wohne jetzt seit sechs jahren hier. früher bin ich manchmal ziemlich verpeilt mitten in der nacht aus dem bandito zu meiner freundin, die in moabit wohnte, mit dem rad gefahren, da musste ich durch den tiergarten, und hab mich dort dann verfahren, was sehr schön ist, wenn der morgennebel gerade sprichwörtlich über dem rasen aufsteigt. und zur orientierung kann man in notsituationen die siegessäule heranziehen, doch manchmal, wenn man sie dann wieder sieht, fragt man sich: wie bin ich denn jetzt hier her gekommen?

und auch sonst, berlin ist schon ziemlich gross, so dass du an ecken, die du nicht kennst, schon einen stadtplan brauchst. aber das ist ziemlich normal, die urberliner allerdings tun dies nicht, weil sie sich einfach nicht an ecken aufhalten, die sie nicht kennen.

Was deine befürchtungen unserer begegnung angeht: ich gebe zu, auch ich bin gespannt, obwohl du ja eigentlich im spannungs-nachteil bist, schließlich hast du ja wenigstens schon mal einen kleinen eindruck von mir gewinnen können: ich allerdings spekuliere jetzt über siamesische zwillinge (handpuppen oder vögel auf der schulter) a la south-park und bin sehr gespannt. doch du hast recht, ich denke wir brauchen uns da keine allzu großen sorgen machen.

ich fänds natürlich schon cool, wenn wir uns treffen könnten, das mit der übernachtung ist auch immer noch prioritär bei mir, obwohl ich auch gerade eine liste mit privaten übernachtungsmöglichkeiten in und um mainz gefunden habe, so ab 25€ pro nacht, das ist zwar auch nicht billig, aber besser als hotel, und wir hätten sozusagen keine zwangssituation, ich will ja auch ein wenig arbeiten, und dabei störe ich ungern jemanden, falls du weißt, was ich meine, das ist jetzt nicht negativ gegen dein angebot oder so, vielleicht kann ich mir ja das auch gar nicht leisten und ich hab nur dein angebot oder den großen innenraum des volvos… muss ich mal genau ausrechnen, und auch mal diese angebote auschecken, also anrufen, können sich ja auch am telefon schon total blöd anhören. ich halte dich auf dem laufenden. allerdings sind auch g8-reiseverpflichtungen sehr ehrenwert.

diese messe – na ja, das war wohl vor zehn jahren der geburtsort des sogenannten social beat, das was ich gerade in meiner noch fehlenden hausarbeit behandle. allerdings ist dieses phänomen recht schnell verloschen, oder besser gesagt es glimmt halt noch aber mehr auch nicht. deswegen erhoffte ich mir davon etwas, und das programm ist auch nicht ganz so übel. ma schauen.

deine [Literatur-Website]-von-früher-geschichten sind ja ziemlich faszinierend. da war ja mal richtig was los, hab ich ja ziemlich viel verpasst. ich bin auch ein wenig gespannt, was die anthologie angeht, und auch die neue seite, wie gesagt, sie versuchen ja schon irgendwie recht gut, der ganzen sache herr zu werden. auch dein cleverer versuch, mit einem auszug aus […] in letzter minute noch teilzunehmen, ist mir nicht entgangen :-). Warum nicht!

Zum thema eier: meine oma hatte bis vor einem halbe jahr hühner, und da das nicht so weit von berlin ist, habe ich oft frische eier aus von oma kontrolliertem anbau gehabt, und das ist ein riesenunterschied. inzwischen ist sie zu alt, um jeden morgen die hühner zu füttern, und ich muss supermarkt-eier essen. oder vom wochenmarkt, und bei eiern schmeckt man wirklich einen unterschied, diese normalen teile aus käfigen kann ich auch nicht mehr essen. klingt zwar etwas biolatschen-hippie-öko-mäßig, ist aber so.

also, ich muss jetzt schluss machen, erinnere mich daran, dass ich nächstes mal noch erzähle, was ich für eine tolle woche hatte, wenn ich es bis dahin nicht vergessen habe. ich geniesse jetzt mein leben weiter.

bis dann

s.

grüße alle anderen netten menschen, die du triffst