I. Früher, vor über zwei Monaten
Der Krieg hängt schief, nur noch durch eine Reißzwecke mit der Wand verbunden, und flattert im Wind. Ich hatte ihn aus Hamburg mitgebracht, das Plakat zur Dix-Aussstellung, von allen für gruselig befunden, auch von der Garderobenfrau der Kunsthalle, die mir half, es graulegal einfach von der Wand zu nehmen; sie mochte es sowieso nicht.
Und jetzt, von den allabendlichen Stürmen, die vor den Gewittern kommen, wurde der Krieg zerzaust, hängt nur noch an einem Knopf an der Wand, als ob er wüsste, dass es hier zuende geht, er sowieso bald in der Umzugskiste verschwinden würde. Und ausserdem: Krieg ist ja eh gerade genug, gar so viel, dass er nurmehr zur Kenntnis genommen wird.
II. Derzeit
Irgendwie komplett aus der Bahn, passend zur Gesamtsituation. Schreiben versteckt sich noch, wartet in einer verstaubten Spinnenwebenecke darauf, abgeholt zu werden. Mit dem Lesen ist es auch nicht viel besser.
Obwohl: Die alten Titanic-Jahrgänge, geerbt & mitgenommen, nach und nach: Perfekte Klolektüre. Mit viel infantilem Müll, aber auch Perlen. Sogar etwas gelernt: Ich musste es ungläubig nachschlagen, aber es stimmt: Das Innenministerium in Ungarn heisst in der Landessprache Belügyminisztérium. Passend, irgendwie. Das ist alles so absurd.
Nicht mal geschafft, bei den zwei, drei Lieblingsblogs nach und nach wieder auf den neuesten Stand zu kommen. Spiegel online, mal kurz nachgeschaut, das war das Maximum in den letzten Wochen. Und die bringen gefühlt jeden Tag einen Artikel über Keith Richards – da läuft doch garantiert irgendein Deal mit dem Management dachte ich mir, wen zur Hölle interessiert denn noch Keith Richards? Täglich?
Ansonsten hatten sie noch eine Knallermeldung zur Drogenszene in Ulm: Es wurden acht Dealer mit insgesamt 250 Gramm Gras hops genommen. Woanders würde das unter Eigenbedarf verbucht werden, Einunddreissigeinviertelgramm pro Nase.
Am selben Tag, abends, oder am nächsten morgens, in der Realität, die mir viel zu viel Zeit stiehlt gerade (aber ich habe es mir ja selbst ausgesucht), eine Erinnerung aufgefrischt, die schon bald Jahrzehnte im Archiv lag: Menschen, die so betrunken sind, dass sie sich unbedingt prügeln wollen. Die sich dann auch nach langem Hin und Her ein paar einfangen. Und es hat mich nicht mal aufgeregt, Adrenalin hatte schon Feierabend, halb Fünf war’s.