Gestern das letzte Fauser-Buch ausgelesen: Die Brando-Biografie. War eine Premiere, die hatte ich mir bisher immer gespart. Eigentlich mag ich Biografien, und natürlich mag ich Fauser, aber die Kombination stand bisher halt jungfräulich im Regal, während die anderen Fauser-Bände längst kräftig abgegriffen sind. Wo doch schon Zweig riet, sich an Biografien zu versuchen, sie aber wenigstens zu lesen. Und Loest eine Karl-May-Biografie schrieb, die auch Fauser beeindruckte (und die ich laaaaangeee bevor ich Fauser kennenlernte mehrere Male las, teilweise noch mit Taschenlampe unter der Bettdecke). Ist also, wenn man so will, ein wichtiges und wahrscheinlich unterschätztes Genre.
So, und was soll der Schmus? (Wie er es sagte) Klar bin ich begeistert, weil es nämlich viel, viel mehr als eine stinknormale Lebensnachschreibung ist; eher eine Weltbeschreibung (und auch Selbstbeschreibung), 1978 in zwei Monaten runtergeschrieben. Wo es eben solche (und noch viel mehr) Kostbarkeiten zu finden gibt:
Das heißt, weder der christliche Humanist [ein gewisser Dr. Kraus, d.Verf.] noch der alte Neulinke [Jean Amery] sehen, daß der aufgeklärt christlich/bürgerliche Staat, dem sie bis in die atomaren Mülldeponien noch ihre Reverenz erweisen, jenem Europa, jenem ‚Abendland‘, jener reinen Utopie längst den Garaus gemacht, das Hirn zertrampelt, die Kinder erschlagen hat. Sie seichen immer noch, von den Managern der Bewußtseinsindustrie ins Fernsehen gehievt, ausgehalten von den Zuhältern jener Konzerne, die das Abendland und Morgenland und diese ganze Erde bis auf den letzten Quadratmeter ausplündern, um sich sodann dem Weltraum zuzuwenden, und das Ganze natürlich verbrämt mit Politik/Kultur/Humanismus/Aufklärung und bewußtseinsmäßig gut geölt von den gemieteten Schreiberlingen jeder Provenienz, sie seichen, schleimen und laichen, bezahlte Zuträger der Macht, Kulturkorrektoren der Multis und ihre Politkommissare, sie sagen Abendland, und was genau meinen sie damit? Wohl doch die Perpetuierung von dessen Untergang.
Der weise Mann wendet sich von solchen Bildern ab und der Gefährtin seiner Nächte, der Poesie und dem Trunk zu. Der Rebell zieht weiter, jenseits des Untergangs liegt vielleicht ein anderes Bewußtsein, eine andere Gemeinschaft, eine andere Welt. Der Politik kommt man mit Politik nicht bei, dem Staat nicht mit Staat, der sterbenden Kultur nicht mit sterbender Kultur, dem Westen nicht mit dem Osten.
[Jörg Fauser: Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie. S. 148]