Gestern und heute; Klowände, Internet und Schreiben

Ich glaube, es war Klaus Baum, der vor Wochen oder Monaten diesen Schnipsel verbreitete.  Geändert hat sich Vieles in den Wochen, Monaten und Jahrzehnten – nicht aber der Gehalt dieses Interviewfetzens, dem habe ich eigentlich nichts weiter hinzuzufügen.0906_efa8

In der Geschichtswissenschaft gilt der Krim-Krieg als der erste moderne Krieg. Damit sind eher die Mittel gemeint (Eisenbahn, Waffen, Telegraphie), das Denken hinter der Kriegsführung war weniger modern und geprägt durch Fehlplanungen und -einschätzungen auf allen Seiten. Ob das, was sich derzeit in dieser Region entwickelt (der Auslöser – die Ereignisse auf dem Maidan – ist inzwischen wohl zur Fussnote verkommen; Entscheidungen werden nicht mehr von einer souveränen Ukraine getroffen, sondern in Brüssel, DC oder Moskau), ähnliche weltpolitische Konsequenzen zeitigen wird, müssen Historiker späterer Epochen bewerten. Wenn es denn dann noch welche gibt. Das Potential dazu ist jedenfalls vorhanden, ich traue einigen Akteuren durchaus zu, einen grossen Drang danach zu haben, das Ventil mal wieder richtig aufzudrehen. Sewastopol als nächstes Sarajewo, nichts ist unmöglich. Aber lassen wir das Spökenkieken und beschäftigen uns lieber mit naheliegenderen (oder näherliegenden?) Sachen. Mit Klowänden zum Beispiel.

Der Werbefuzzi von Matt bezeichnete vor acht Jahren Blogs als solche, genauer: als die Klowände des Internets. Ausgerechnet übrigens in Verteidigung der „Du bist Deutschland“-Kampagne, die mit ihrer Sloganwahl – um mal im Bild zu bleiben – ja auch kräftig in die Schüssel gelangt hat.

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Ich mag Klowände, da gibt es immer was Interessantes zu lesen, selbst bei denen im Real Life. Pure Ablenkung davon, dass man eigentlich selbst die Wände vollschreiben sollte.  Erst einmal „die Anderen“ – auch Journalisten machen Fehler: Manchmal grosse, indem sie die grundlegenden Prinzipien ihrer Branche vernachlässigen. Manchmal kleine, indem sie einfach das Thema verfehlen. Manchmal gedankenlose, die ihnen hätten auffallen müssen, es aber zu unserer Belustigung nicht taten.

Und jetzt „wir“: Unsere Klowände sind oft dazu da, einfach mal den Unmut über den ganzen verdorbenen Mist in der Welt rauszulassen. Doch bei genauem Hinsehen kann man erkennen, dass ebenso häufig Selbstzweifel (statt Kritik an anderen) thematisiert wird, nicht immer so laut, aber dafür um so intensiver und berührender.

Eine kleine Ausrede, die mir gerade hilft: Es gibt auch etwas über das Schreiben zu lesen, noch dazu mit einem treffenden Titel. Die Quintessenz: Wir können uns nicht aussuchen, was sich in unserem Kopf einnistet – oder welche Geschichten darauf warten, von uns erzählt zu werden.  Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist der Hinweis auf den richtigen Umgang mit Autoren. Den liefern Katrin Passig (Journalistin? Bloggerin? Autorin? Take your pick…) und Ira Strübel. Eigentlich müsste ich den Artikel in Gänze hier zitieren, aber so greife ich wahllos eine Passage heraus:

Vermeiden Sie auch die Frage, wie die Arbeit am nächsten Buch vorangeht. Selbst wenn der Autor täglich acht Stunden damit zubringt, in eine leere Datei zustarren, und sich den Rest der Zeit betrinkt, wird er auf Ihre Frage nur «achja, ganz gut» antworten. Jetzt sind Sie nicht klüger als zuvor, der Autor aber ist an seinen schweren Beruf erinnert worden und bekommt schlechte Laune. Für den Rest des Gesprächs hadert er damit, keine Schreinerlehre gemacht zu haben.

Wenn es gar nicht mehr geht, mit den Klowänden und dem, was dort so zu lesen ist – auch das kann passieren – wenn es einem also hochkommt: Manchmal gibt es dafür eine Lösung, nur ein paar Schritte weiter. Ich war begeistert, als ich auf einer Hochzeit in Friesland folgende lebenspraktische Installation entdeckte. Jahrelange Erfahrungen mit der Landjugend und ihren Hinterlassenschaften im Mehrzweck-Veranstaltungssaal führten wohl zu diesem sanitären Pragmatismus:

( Dieses Becken befindet sich auf Waschschüssel-Höhe, so umgeht man das unwürdige Knien. Auch schön & praktisch: Die Griffe.)